Bluttat in der Stuttgarter Innenstadt

Migrationspolitik muss jetzt reformiert werden

Kommentar: Klappe halten, zusammenarbeiten Nach dem Stuttgarter Messerangriff wird erneut über die Migrationspolitik diskutiert – und kaum darüber nachgedacht, dass der Reformdruck in der deutschen Asyl- und Migrationspolitik nicht erst seit dem Regierungswechsel 2021 entstanden ist, kommentiert Franz Feyder.

Von Franz Feyder

Stuttgart. - Zu fordern ist modern: ausländische Straftäter konsequent abschieben, Messerverbotszonen, Geldleistungen beschneiden. Kaum etwas, was nicht gefordert wird, kaum einer, der nichts fordert. Das war es auch schon. CDU-Landeschef Manuel Hagel fordert Messerverbotszonen. Die gibt es bereits tageweise in Stuttgart: Ob Khalil H. sich erst vergewisserte, ob Dienstag, der 30. Juli, ein „Messerverbotstag“ in Stuttgart war und er deshalb keines mitnehmen durfte, um drei Männer einer türkisch-syrischen Familie niederzustechen, darf bezweifelt werden.

Sozialgeld beschneiden? Polizei und Sozialämter müssten mit denselben Datenbanken arbeiten. Dem steht Datenschutz entgegen. Konsequentere Abschiebungen? Oft wissen Beamte nicht, wer ihnen gegenübersteht. DNA-Tests wären ein Ansatz, um Alter und Herkunftsregionen von Geflüchteten zweifelsfrei zu bestimmen. Das allerdings müsste gesetzlich geregelt werden, Richter müssten dies anordnen. Grenzkontrollen, Druck auf Länder, die ihre Bürger nicht zurücknehmen wollen – Probleme wie zuvor.

Seien wir ehrlich: Der Reformdruck in der Migrationspolitik ist – wie vieles andere auch – nicht erst nach dem Regierungswechsel 2021 entstanden. Politiker müssen jetzt über die Parteiengrenzen hinweg konstruktiv zusammenarbeiten: Klappe halten, mehr Schreibtisch – und zwar schnell! Das Thema Migration, Asyl, Einbürgerung darf kein Thema für den Wahlkampf 2025 werden.

Stuttgart. - Konsequenzen zu fordern ist dieser Tage bei vielen auf Lager: ausländische Straftäter konsequent abschieben, Messerverbotszonen einrichten, Geldleistungen bei Asylsuchenden und Flüchtlingen beschneiden. Es gibt kaum etwas, was nicht gefordert wird. Kaum einer, der nichts fordert. Aber das war es dann auch schon.

Der CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel fordert Messerverbotszonen. Zur Wahrheit gehört: Die gibt es bereits freitag- und samstagabends sowie -nachts und an Tagen vor Feiertagen in Stuttgart. Ob Khalil H. sich erst vergewisserte, ob Dienstag, der 30. Juli, ein „Messerverbotstag“ in Stuttgart war und er deshalb keines mitnehmen durfte, um drei Männer einer türkisch-syrischen Familie niederzustechen, darf bezweifelt werden. Obendrein drohen nur geringe Strafen und die kommen viel zu spät, weil die Justiz überlastet ist. Und: Wer soll das Verbot kontrollieren – in Baden-Württemberg, in dem so wenige Polizisten auf so viele Einwohner kommen, wie in keinem anderen deutschen Land?

Sozialgeld streichen oder begrenzen? Sicher ein Ansatz, wenn er konsequent umgesetzt und vor allem überprüft wird. Das Problem aber beginnt dort, wo Polizei und Sozialämter mit denselben Datenbanken arbeiten müssten, es aber nicht tun, weil Datenschutz und mangelhafte Digitalisierung der Behörden dies be- und verhindern.

Schnellere und konsequentere Abschiebungen? Oft wissen Beamte aller Behörden nicht, wer ihnen überhaupt gegenübersteht. Es gibt keine Ausweispapiere, keinen Herkunftsnachweis – „auf dem Weg verloren“, heißt es als Antwort auf die Nachfragen. DNA-Tests wären ein Ansatz, um Alter und Herkunftsregionen von Geflüchteten zweifelsfrei zu bestimmen, zumindest aber, um die Familienzugehörigkeit bei Nachzüglern festzustellen. Das allerdings müsste gesetzlich geregelt werden, Richter müssten dies anordnen. Aber auch ohne solche Anordnungen droht den Gerichten heute schon der Nachwuchskollaps.

Zumal die erfolgreichen Grenzkontrollen nach der Fußball-Europameisterschaft und den Olympischen Spielen in Paris wieder abgeschafft sind und werden; Deutschland sich ohnehin engagierter am Schutz der EU-Außengrenzen beteiligen könnte und sollte. Verhandlungen – über Drittländer – mit den Taliban und Diktator Assad über die Aufnahme abzuschiebender Afghanen und Syrer laufen zurzeit, gestalten sich aber schwierig, ein erfolgreiches Ende alles andere als sicher.

Wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Druck bis hin zu Sanktionen auszuüben auf Länder, die ihre eigenen Staatsbürger nicht mehr aufnehmen wollen? Es wäre ein Paradigmenwechsel deutscher Diplomatie mit ungewissem Ausgang. Die in Verträgen mit Herkunftsländern festgehaltene Aufnahme von in Deutschland abgewiesenen Asylbewerbern, die Rückreise von Flüchtlingen nach einem Krieg, die konsequente Abschiebung gewalttätiger Straftäter sind der sicherste und einfachste Weg, auch künftig Menschen in Not in Deutschland Schutz zu bieten - was dann auch von einer breiten deutschen Mehrheit akzeptiert und gelebt wird.

Nur muss das konsequent umgesetzt und engagiert überwacht werden. Es gibt keine politische Aussage dazu, wo die Menschen herkommen sollen, die die Migration in Deutschland überwachen, wo sie ihren Schreibtisch haben und wann sie anfangen, zu arbeiten.

Und seien wir nur ein wenig ehrlich: Der Reformdruck in der deutschen Asyl- und Migrationspolitik ist – wie vieles andere auch – nicht erst nach dem Regierungswechsel 2021 entstanden. Wer jetzt rhetorisch schnell den Revolver zieht, der mache sich bewusst, was er und sie seit 2015 getan hat – oder eben nicht. Vieles von dem, was jetzt an Rhetorik abgefeuert wird, ist auf eigenes politisches Unvermögen, auf mangelnde Analyse und dem eigenen Leben in einer Blase zurückzuführen.

Das muss korrigiert werden. Politiker müssen jetzt über alle Parteiengrenzen hinweg konstruktiv zusammen arbeiten. Alleine schon , weil das Problem nur gemeinsam zu lösen ist. Das heißt: Weniger Rhetorik, Klappe halten, mehr Schreibtisch, und zwar schnell! Das Thema Migration, Asyl, Einbürgerung darf kein Thema für einen aufgeheizten Wahlkampf 2025 werden.

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Erstellt:
7. August 2024, 22:24 Uhr
Aktualisiert:
8. August 2024, 21:59 Uhr

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