Neuer Trend bei Atomenergie
Mini-AKWs: Deutlich kleiner, aber weniger leistungsfähig
Viele Länder arbeiten an kleineren Reaktoren, um ihre Energieversorgung zu sichern. Auch Siemens Energy will von dem Markt profitieren. und kooperiert mit dem britischen Rolls-Royce-Konzern.
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© Imago/Xinhua
Im August 2023 wurde im chinesischen Kernkraftwerk Changjiang das Kernmodul für das Mini-AKW, bestehend aus Reaktordruckbehälter, Dampferzeuger und Hauptpumpen installiert.
Von Markus Brauer/AFP
Der Energietechnik-Hersteller Siemens Energy soll den britischen Konzern Rolls-Royce mit Turbinen für Mini-Atomkraftwerke beliefern. Es sei eine Vereinbarung mit Rolls-Royce-SMR für eine Partnerschaft zur Entwicklung solcher Small Modular Reactors geschlossen worden, teilte Siemens Energy am Freitag (28. Februar) mit. Eine ganze Reihe von Ländern interessiert sich für den möglichen Einsatz und treibt die Entwicklung voran.
Was sind Mini-Atomkraftwerke?
SMRs sind Kernreaktoren, die deutlich kleiner sind als normale Kernreaktoren. Sie haben eine modulare Bauweise, bei der „die wesentlichen Komponenten eines Primärkreises – also insbesondere des eigentlichen Reaktorbehälters und des sich daran anschließenden Kühlkreislaufs – alle in einem einzigen Modul enthalten sein sollen“, schreibt die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS).
Dahinter stehe neben der Transportfähigkeit die Idee, „die wesentlichen Teile eines Kraftwerks in einer Fabrik vorzufertigen und die Arbeiten auf der Baustelle so zu minimieren“. Die Konzepte gehen auf Entwicklungen der 1950er Jahre zurück - vor allem auf die Idee, Nuklearenergie für den Antrieb von Militär-U-Booten zu verwenden, wie das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) erklärt.
Wie funktionieren die Minireaktoren?
Es gibt verschiedene Konzepte für die Minireaktoren: Bei einer Reihe von ihnen entspreche das Konzept der Funktionsweise heutiger Leichtwasserreaktoren. Allerdings gebe es auch neuartige Konzepte ohne oder mit wenig industriellen Erfahrungswerten, heißt es in einem Gutachten im Auftrag des Base von 2021.
Leichtwasserreaktoren, bei denen Wasser unter anderem zur Kühlung genutzt wird, werden demnach weltweit am meisten in herkömmlichen Atomkraftwerken eingesetzt.
Wie groß sind die kleinen Atomkraftwerke?
Siemens Energy nimmt für ein SMR den Flächenbedarf von etwa 10.000 Quadratmetern an, also weniger als zwei Fußballfelder. Demnach braucht ein herkömmliches Atomkraftwerk eine Fläche von einem bis zwei Quadratkilometern, also zwischen 140 und 280 Fußballfeldern. Allerdings unterscheidet sich der Flächenbedarf je nach Typ des Reaktors.
Wie viel Energie können die Mini-Reaktoren erzeugen?
Ihrer Größe entsprechend haben sie auch eine geringere Leistungskraft. Typisch für ein SMR ist nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) eine Kapazität von bis zu 300 Megawatt elektrischer Leistung. Es gibt aber auch Konzepte für sogenannte Mikroreaktoren mit bis zu zehn Megawatt elektrischer Leistung.
Die Druckwasserreaktoren von Rolls-Royce SMR sollen laut Siemens Energy eine elektrische Leistung von etwa bis zu 470 Megawatt erreichen, was für die Versorgung von 1,1 Millionen Haushalten ausreiche. Herkömmliche Reaktoren haben laut Base etwa eine elektrische Leistung von über 1000 Megawatt.
Wie viele der kleinen Kraftwerke gibt es bereits?
2024 waren nach IEA-Angaben zwei Mini-Kernkraftwerke in Russland sowie China (Kernkraftwerk Changjiang) in Betrieb, zusätzlich zwei Hochtemperatur-Testreaktoren. Im Bau befindlich waren zu diesem Zeitpunkt den Angaben nach solche Kraftwerke in Argentinien und den USA. In anderen Ländern werden Konzepte entwickelt oder geprüft.
Die EU-Kommission hatte 2024 ein Industriebündnis ins Leben gerufen, um die Entwicklung und den Einsatz von Mini-Kernkraftwerken in der EU zu unterstützen.
Angesichts des massiv steigenden Strombedarfs durch die Anwendung Künstlicher Intelligenz interessieren sich auch Unternehmen für Mini-Akw. Der US-Versandhändler Amazon hat Vereinbarungen mit drei Energieunternehmen zur Entwicklung geschlossen. Tech-Gigant Google arbeitet mit dem kalifornischen Startup Kairos zusammen.
Sind die Minis wirtschaftlicher als normale Atomkraftwerke?
SMRs bieten laut IEA „Einsparungen bei den Kosten und der Bauzeit. Sie können schrittweise eingesetzt werden, um den steigenden Energiebedarf zu decken“. Allerdings sind nicht nur die Baukosten geringer, sondern auch die Leistung.
Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung schlussfolgert daher: „Durch die geringe elektrische Leistung sind bei SMRs die Baukosten relativ betrachtet höher als bei großen Atomkraftwerken.“
Auch müssten demnach viele tausend bis zehntausend Anlagen gebaut werden, um weltweit die gleiche elektrische Leistung zu erzielen – anstelle von rund 400 Reaktoren mit großer Leistung.
Derzeit sprächen „wirtschaftliche Erwägungen eher gegen eine weite Verbreitung von SMRs“, gibt die GRS an. Die Entwicklung werde dennoch in einer Reihe von Ländern politisch und finanziell stark gefördert. Zu diesen Staaten gehören demnach neben den USA, Russland und China auch Großbritannien, Frankreich und Tschechien.