Judoka wird in Paris Zweite

Miriam Butkereit – Silber um den Hals, aber Tränen in den Augen

Das deutsche Judo-Team hat die erste Medaille bei den Olympischen Spielen von Paris geholt. Freuen konnte sich Miriam Butkereit im ersten Moment darüber noch nicht.

Miriam Butkereit im olympischen Judo-Finale gegen die Kroatin Barbara Matic (li.).

© IMAGO/Eibner/IMAGO/Eibner-Pressefoto/Roger Buerke

Miriam Butkereit im olympischen Judo-Finale gegen die Kroatin Barbara Matic (li.).

Von Dirk Preiß

Sie hatte gewonnen – nicht das Finale zwar, nicht Gold in der Klasse bis 70 Kilogramm. Aber eben Silber. Doch wirklich freuen konnte und wollte sich Miriam Butkereit auch Minuten nach dem Ende des Kampfes nicht. Mit Tränen in den Augen und fast noch schluchzend kam die Judoka aus Hamburg zu den wartenden Reportern und meinte: „Im Moment habe ich Gold verloren. Ich hoffe, ich kann mich in den nächsten Tagen freuen.“ Denn eigentlich hatte sie ja Großes geleistet.

Vor wenigen Wochen erst hatte sich die 30-Jährige noch einen Innenbandriss im Knie zugezogen, vor einer Woche dann im Training eine Gehirnerschütterung. Dennoch ging sie in Paris auf die Matte – und die französische Hauptstadt war, das stellte sich Kampf für Kampf heraus, erneut ein besonderer Ort für Miriam Butkereit. Schon zu Beginn des Jahres hatte sich das angedeutet. Nicht nur Anna-Maria Wagner, die deutsche Fahnenträgerin, hatte da den Grand-Slam gewonnen, sondern auch Miriam Butkereit eine Gewichtsklasse tiefer. Erstmals nach schier unzähligen Anläufen stand sie endlich ganz oben auf dem Podest eines World-Tour-Turniers.

15 Mal war sie bis dahin in einem dieser hochklassigen Wettbewerbe schon auf dem Treppchen gestanden, immer wieder fehlte aber ein kleines bisschen zum großen Erfolg. Viermal Zweite, dreimal Dritte – nun aber war sie auch den letzten entscheidenden Schritt gegangen, noch dazu gegen die Lokalmatadorin Marie Eve Gahie, die Weltmeisterin von 2019. „Das war magisch“, erinnerte sie sich schon vor den Spielen – und sorgte wenige Monate später für noch viel mehr Zauber auf der Judomatte in der französischen Hauptstadt.

Die Qualifikation für Tokio hatte Miriam Butkereit noch verpasst

Im Achtelfinale bezwang sie in der Arena Champ-de-Mars die Australierin Aoife Coughlan. Es folgte der Sieg gegen Gabriella Willems aus Belgien – ehe es im Halbfinale zu einem Duell zwischen Deutschland und Österreich kam. Doch auch die Austria-Fahnenträgerin Michaela Polleres konnte Miriam Butkereit nicht stoppen. Nach über sieben Minuten Kampfzeit war klar: Miriam Butkereit, die ihren Kampfstil selbst als „eklig“ bezeichnet, hat Silber sicher (Polleres holte später Bronze) – weshalb schon da die Freude aus ihr herausmusste: Erst riss sie die Arme nach oben, dann hopste sie glücklich aus der Wettkampfhalle. Um noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren.

Für den Traum, der ihr bislang verwehrt geblieben war. In der Qualifikation zu den Spielen in Tokio scheiterte sie noch, Giovanna Scoccimarro reiste stattdessen für das deutsche Team nach Japan. Nun aber war Miriam Butkereit an der Reihe – die einst beinahe schnell wieder Abschied vom Judo genommen hätte. Nach dem ersten Schnupperkurs im Alter von sieben Jahren war das Thema Judo schnell wieder beendet. „Da hat es mir gar nicht gefallen.“ Ein Jahr später ging sie mit einer Freundin aber doch noch einmal hin, zweifelte dann zwar noch einmal – beschloss dann aber, einfach noch mehr zu trainieren. Vom TSV Glinde wechselte sie irgendwann an den Stützpunkt in Köln, seit 2022 geht sie für den SV Halle auf die Matte.

Für wen, wann und wo? Ist Teil des Weges. War in den wichtigen Momenten von Paris aber nicht entscheidend. Da ging es um – Willenskraft, mentale Stärke, physische Kraft. All das zeigte Miriam Butkereit auch im Finale, allerdings musste sie auch zugeben, eine schnelle erste Aktion „nicht richtig“ angegangen zu sein. Die Kroatin Barbara Matic, zweimalige Weltmeisterin, nutzte dies aus – und gab unweit des Eiffelturms ihre Führung nicht mehr aus der Hand.

Ganz an die Spitze hat es also nicht gereicht für Miriam Butkereit, die im Moment des Erfolgs eine bessere Trainings- und Wettkampfplanung von Verband, Trainern und Sportlern forderte. Als sie nach dem Ende des Kampfes von Familie und Freunden in die Arme genommen wurde, hörte sie dennoch die Worte: „Wir sind stolz auf dich.“

Ist Miriam Butkereit das auch auf sich? „Die anderen“, meinte sie, „müssen mir das noch ein paarmal sagen.“ Damit die Tränen vollends trocknen.

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Erstellt:
31. Juli 2024, 19:04 Uhr

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