Murrhardter helfen Bulgaren aus armen Verhältnissen

Ernst und Katja Rath haben in Murrhardt die Bulgarienhilfe aufgebaut. Mit einem großen Netzwerk vor Ort und guten Strukturen erhalten Bedürftige Unterstützung und Zuwendung.

Ernst und Katja Rath engagieren sich seit etwa drei Jahrzehnten in der Bulgarienhilfe. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Ernst und Katja Rath engagieren sich seit etwa drei Jahrzehnten in der Bulgarienhilfe. Foto: Stefan Bossow

Von Uta Rohrmann

Murrhardt. Mehr als 2000 Tonnen Hilfsgüter, rund 60000 Kartons mit Kleidung, Schuhen und Bettwäsche, etwa 2000 gebrauchte Fahrräder haben auf rund 200 Fahrten Murrhardt verlassen und bedürftige Menschen in rund 200 Orten Bulgariens erreicht. Mit viel Liebe und Herzblut hat
das deutsch-bulgarische Ehepaar Ernst und Katja Rath in über drei Jahrzehnten mit diversen Partnern und Unterstützern in beiden Ländern die Bulgarienhilfe aufgebaut – der wichtigste Arbeitszweig des Vereins Missionarischer Arbeitskreis evangelischer Christen. Neben einem Netzwerk an verlässlichen Mitarbeitern und Kirchengemeinden vor Ort haben hilfreiche Strukturen und eine durchdachte Logistik dazu beigetragen, dass die Arbeit auch während der Coronazeit weitergehen konnte.

Durch die Gründung von „Pro Bulgaria“, einer bulgarischen Stiftung, vergleichbar mit einem Verein hierzulande, sind die Hilfsgüter vom Zoll befreit und können ohne staatliche Genehmigungsverfahren selbstständig verteilt werden. Auch können Mitarbeiter eingestellt werden. Die sieben bis acht Fahrten pro Jahr zwischen Deutschland und dem Schwarzmeerstaat im Südosten Europas sowie die Organisation der Verteilung übernimmt somit nun hauptverantwortlich Atanas Makedonski als bulgarischer Mitarbeiter.

Die Kinderfreizeit ist ein Herzensprojekt der Bulgarienhilfe, das in der Coronazeit ausfallen musste.

Obwohl Bulgarien landschaftlich sehr reizvoll ist, eine reiche kulturelle Tradition aufweisen kann und EU-Mitglied ist, leiden viele Menschen nach wie vor unter bitterer Armut. Etwa 40 Prozent der Bevölkerung seien immer noch hilfsbedürftig, so die Einschätzung von Ehepaar Rath, die beide regelmäßig vor Ort sind. Der 84-jährige Ernst Rath, der sich noch guter Gesundheit erfreut, im Sommer, die 64-jährige Katja Rath zur Betreuung verschiedener Projekte an etwa 120 Tagen im Jahr. Viele, insbesondere junge Menschen verlassen das Land und arbeiteten anderswo, oft unter schwierigen Verhältnissen, bis hin zur Zwangsprostitution. „Wir wollen mit unserem Tun die Daheimgebliebenen unterstützen und zum Aufbau ihres Landes motivieren“, sagen die Germanistin und der Evangelist.

Dazu kann humanitäre Hilfe beitragen. Wenn zum Beispiel eine Lehrerin beim Hausbesuch einer Roma-Familie hört, dass die Kinder deshalb nicht in die Schule kämen, weil es an Kleidung und Schuhen fehle, und sie dann versorgt werden können. „Der Pastor einer christlichen Roma-Gemeinde in Sredez hat uns begeistert erzählt, dass die Kinder dort jetzt zur Schule gehen“, erzählt Ernst Rath. In dem Ort mit etwa 16000 Einwohnern seien die Hälfte Roma, von denen wiederum die Hälfte Analphabeten seien. „Um das zu ändern, gibt es auch EU-Programme. Doch darüber oder über offizielle staatliche Stellen sind diese Menschen nur schwer erreichbar. Das Umdenken erfolgt am ehesten unter den Roma selbst“, ist die Erfahrung von Ehepaar Rath. So sei es Stefka, einer Roma-Pastorenfrau in Tschubra mit viel Liebe für ihre Landsleute, gelungen, einer Frau um die 50 noch Lesen und Schreiben beizubringen.

Bei den zwei Kinderfreizeiten im Sommer, die Katja Rath seit 1998 leitet, sind Bulgaren und Angehörige der Roma-Minderheit gemeinsam für die Jungen und Mädchen da – ehrenamtlich, in ihrem Urlaub. Es ist ein Herzensprojekt der Bulgarienhilfe, das in der Coronazeit einmal ganz ausfallen musste und im zweiten Jahr wegen der Hygieneregeln nur für ältere Kinder und Jugendliche angeboten werden konnte. Hissar, die grüne Stadt von Bulgarien mit ihren Parks und vielen Mineralquellen, die, im 4. Jahrhundert von Kaiser Diokletian gegründet, bereits der römischen Aristokratie Wellness geboten habe, ist für die ehemalige Deutschlehrerin der ideale Ort für die Freizeiten mit jeweils 40 Kindern und sechs bis acht Mitarbeitern. Mittlerweile hätten sie auch ein Erholungsheim gefunden, das mit einem sehr freundlichen Pächter, der sehr gut für die Kinder koche, den idealen Rahmen biete. Eingeladen werden gezielt Jungen und Mädchen aus prekären Verhältnissen, für die ausgewogene Mahlzeiten nicht selbstverständlich sind. Freundschaften entstehen während der gemeinsamen Tage mit Freibadbesuchen, Kreativangeboten, Liedern, Spiel und Spaß. Auch biblische Geschichten und Inhalte werden vermittelt, lebensnah und mit viel Austausch in der Gruppe.

Oft kommt es bei der Aktion „Weihnachtsfreude“ zu schönen persönlichen Begegnungen.

In einer wertschätzenden und anregenden Atmosphäre wird das Selbstwertgefühl benachteiligter Kinder gestärkt. Möglichkeiten und Talente werden entdeckt. Dies sei gerade auch für Roma-Kinder wichtig, die sich meist nicht als selbstständige Person wahrnehmen, so Katja Rath. Insbesondere Mädchen, die früh verlobt würden, fehle der Mut zur Selbstbestimmung. Der Kontakt zu den Kindern und Teens beschränkt sich aber nicht auf das sommerliche Highlight. „Unsere Mitarbeiter stehen ihnen auch weiterhin in ihrem Alltag als Ansprechpartner zur Verfügung, sodass eine kontinuierliche Betreuung gewährleistet ist“, erklärt die 64-Jährige, der es ein Anliegen ist, dass das bulgarische Volk immer mehr zu einer Einheit wächst.

Dies kommt auch in der Aktion „Weihnachtsfreude“, dem jüngsten Projekt der Bulgarienhilfe, zum Ausdruck. Zum Fest der Liebe werden vor Ort hochwertige Süßigkeiten eingekauft, liebevoll verpackt und an die Kinder in den Roma-Siedlungen, aber auch andere bulgarische Kinder, die in Armut leben, verschenkt. Oft kommt es zu schönen persönlichen Begegnungen – ein Weihnachtslied mit der Gitarre, ein gutes Wort, ein Segen.

Und bald bekommt eine kleine Druckerei an der Donau, an der Grenze zu Rumänien, ihren größten Auftrag im Jahr: 45000 Losungsbücher mit Bibelworten für jeden Tag, aus denen viele Menschen Kraft beziehen. Die übersetzt Katja Rath in den Wintermonaten in Murrhardt ins Bulgarische.

Fahrräder sind gefragt

Sachspenden Von März bis November können gerne gut erhaltene Kleidung, Schuhe und Bettwäsche abgegeben werden, nach telefonischer Absprache mit Ernst Rath, Telefon 07192/934367. Auch Spenden für die Transportkosten und die verschiedenen Projekte helfen. Vor allem Fahrräder sind nach wie vor gefragt, um Menschen in Bulgarien zu helfen.

Link www.bulgarienhilfe.info

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Erstellt:
10. Februar 2024, 06:00 Uhr

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