US-Wahlkampf 2024

Nach Bidens Rücktritt – wie geht es nun weiter?

Joe Biden gibt seine Präsidentschaftskandidatur auf und schickt die Demokraten auf eine ungewisse Reise. Welche Schritte als nächstes passieren – wir haben die Antworten.

Joe Biden gibt seine erneute Präsidentschaftskandidatur für die Demokraten auf.

© AFP/CHRIS DELMAS

Joe Biden gibt seine erneute Präsidentschaftskandidatur für die Demokraten auf.

Von Michael Weißenborn

Joe Biden empfiehlt seine Vizepräsidentin Kamala Harris als neue Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. Doch diese Nachfolge ist noch nicht ausgemacht. Es gibt andere mögliche Kandidaten. Und jede Menge andere Unwägbarkeiten. Ein Blick voraus.

Läuft es auf Kamala Harris zu?

Nicht nur wegen Joe Bidens Unterstützung ist seine Stellvertreterin Kamala Harris die wahrscheinlichste Kandidatin, die die Demokraten bei der Präsidentschaftswahl im Herbst anführen könnten. Doch die Nominierung von Harris ist nicht allein dadurch garantiert, dass sie Bidens Vize ist. Oder gar von Parteigranden wie Bill und Hillary Clinton unterstützt wird, während sich Ex-Präsident Barack Obama und die ehemalige Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, zunächst nicht öffentlich hinter Harris stellten. Die Demokraten sind frei, sich auf jemand anderen – einen Gouverneur vielleicht – zu verständigen. Doch auch dieser Nominierte würde erst offiziell, wenn die Delegierten darüber abgestimmt haben.

Gäbe es Alternativen zu Harris?

Einige der prominentesten Anwärter haben bereits abgesagt. Etwa der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom, die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, Bidens eloquenter Verkehrsminister Pete Buttigieg und der Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro. Deshalb richtet sich der Blick auf die zweite Reihe. Vor allem auf den 46-jährigen Gouverneur von Kentucky Andy Beshear. Der Pragmatiker gehört zu den seltenen Demokraten in einem tief republikanisch-roten Staat. Der scharfzüngige Multimilliardär Jay Pritzker, Gouverneur von Illinois, könnte Trump im TV-Duell contra geben. Der 49-jährige Multimillionär Jared Polis, Gouverneur von Colorado, gilt als „libertärer Demokrat“. Er bekennt sich offen zu seiner Homosexualität.

Wie wird ein neuer Kandidat bestimmt?

Die Delegierten auf dem Parteitag der Demokraten können sich frei für jeden Kandidaten entscheiden. Es sind nur 300 Unterschriften der rund 3900 Delegierten für andere potenzielle Nominierte nötig, um sie ins Spiel zu bringen. Wenn sich die Demokraten nicht auf eine Person einigen, könnte es – zum ersten Mal seit 1968 – zu einer offenen Versammlung kommen. Das würde intensive Verhandlungen hinter verschlossenen Türen bedeuten, in denen die verschiedenen Kandidaten um die Unterstützung der Delegierten buhlen. Die meisten Beobachter halten es jedoch für wahrscheinlicher, dass die Partei das verhindern will und sich schon vor dem Parteitag auf einen Kandidaten verständigt, den dann die meisten Delegierten unterstützen. Das Regelkomitee des Parteitags wird schon bald darüber entscheiden, ob man an dem ursprünglichen Plan festhält und Anfang August eine virtuelle Abstimmung abhält, um die Kandidaten für Präsidentschaft und des Amts des Vizepräsidenten zu nominieren. Einige Demokraten halten diese Abstimmung für nötig, damit die Nominierten auch in allen Bundesstaaten auf den Stimmzetteln stehen dürfen. Sollte es nicht zu dieser Abstimmung kommen, wird der Kandidat auf dem Parteitag in Chicago gekürt, der am 19. August beginnt.

Wie sieht Kamala Harris gegen Donald Trump aus?

In jüngsten Umfragen gibt es kaum einen Unterschied, wie sie und Biden gegen Trump abschneiden. In einer Sammelauswertung von elf Umfragen der „Washington Post“ nach dem Desaster des TV-Duells von Biden und Trump lag Trump um 1,9 Prozent vor Biden. Der Republikaner lag 1,5 Prozent vor Harris. Und das, obwohl Bidens Vize von Trumps Team bisher noch nicht sonderlich hart angegangen worden ist.

Was geschieht mit Bidens Wahlkampf-Millionen?

Anwälte der Demokraten sind der Auffassung, dass Biden die Kontrolle über seine Wahlkampfspenden nahtlos an seine Vize übertragen kann, da ihr Name der Bundeswahlkommission bereits gemeldet ist. Republikanische Anwälte argumentieren indes, dass dafür erst eine offizielle Entscheidung der Demokraten zu ihren Kandidaten nötig ist.

Einige Beobachter erwarten, dass Bidens Entscheidung, eine jüngere Generation von Demokraten ans Ruder kommen zu lassen, dem Spendensammeln der Demokraten neues Leben einhauchen könnte. Zur rechten Zeit, denn nach der neusten Statistik konnte Trump in den vergangenen drei Monaten 50 Millionen US-Dollar mehr an Spenden einsammeln als Biden. Bidens ursprünglicher Vorsprung beim Cash ist also dahin. Die „Washington Post“ berichtet, dass viele Spitzen-Spender in Kalifornien bisher von Harris enttäuscht sind. Sie hofften darauf, dass sie nun auf einen Mitte-Kurs einschwenkt, anstatt nach links zu ziehen – vor allem in ihrer Technologie- und Regulierungspolitik.

Was bedeutet das für den Parteitag der Demokraten in Chicago?

Wenn sich die Partei hinter einem neuen Kandidaten versammelt und niemand gegen diese Person kandidiert, stimmen die Delegierten wahrscheinlich für diesen ausgewählten Kandidaten. Gibt es mehrere Kandidaten, können die Delegierten auf dem offenen Parteitag stimmen, für wen sie mögen. In einer ersten Abstimmungsrunde kommen nur die zugesagten Delegierten – rund 3900 – zum Zug. Sollte kein Kandidat eine Mehrheit erreichen, können in allen weiteren Wahlrunden die sogenannten Superdelegierten, Parteiführer und gewählte Demokraten, mit abstimmen, bis ein Kandidat gefunden ist.

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Erstellt:
22. Juli 2024, 14:02 Uhr
Aktualisiert:
22. Juli 2024, 20:04 Uhr

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