Natur und Gemeinschaft als Schätze

Angela Kachel ist die neue Leiterin der Jugendherberge Murrhardt. Mit ihrem Mann Jonas, der für die Küche verantwortlich zeichnet, richtet sie den Betrieb stärker im Sinne einer biologischen Verpflegung und eines sozialen Miteinanders aus. Es gibt schon einige Kooperationspartner vor Ort.

Die Eugen-Nägele-Jugendherberge mit ihrem freundlichen Rot gehört zu den traditionsreichen Häusern, empfängt seit 66 Jahren Gäste.

© Stefan Bossow

Die Eugen-Nägele-Jugendherberge mit ihrem freundlichen Rot gehört zu den traditionsreichen Häusern, empfängt seit 66 Jahren Gäste.

Von Christine Schick

Murrhardt. Es war nicht wirklich geplant, dass Angela Kachel Murrhardt zu ihrem neuen Arbeits- und Lebensmittelpunkt macht. Trotzdem hat sich dieser Schritt auch logisch, man möchte fast sagen natürlich entwickelt. Die Hotelfachfrau und Hotelbetriebswirtin arbeitete zunächst in der Schweiz in der gehobenen Gastronomie. „Ich habe gemerkt, dass ich nur mehr eine Rolle spiele und aus dem Hotelmilieu raus wollte in einen Bereich, in dem ich wirklich ich sein durfte“, erzählt sie. Bei ihrer Suche stieß sie auf eine ganz andere Art von Häusern, in denen Kinder, Jugendliche und Familien zu Gast sind: Jugendherbergen.

Die Idee, dass die Unterschiede und Hintergründe dabei eben weniger eine Rolle spielen, es eher um die Gemeinschaft geht, gefiel ihr außerordentlich gut. Der Wechsel klappte: Ihre erste Station war die Jugendherberge in Altenahr (Rheinland-Pfalz), deren Einbettung in die Natur sie außerordentlich schätzte. Drei Jahre vor der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal wollte sie aus privaten Gründen zurück nach Baden-Württemberg und fing 2019 in einem ganz neu gebauten Haus auf dem ehemaligen Bundesgartenschaugelände an – der Jugendherberge Heilbronn. Eigentlich war alles perfekt – ein tolles Team und ein modern eingerichtetes Haus mit vielen Möglichkeiten für die Gäste. „Aber mir haben das Ländliche und die Natur gefehlt“, sagt die 43-Jährige. Als sie zufällig mitbekam, dass in der Jugendherberge Murrhardt – Leiter Thomas Märkle war auf dem Sprung in den Ruhestand – ein Wechsel anstand, fuhr sie vor Ort. „Ich bin erst mal ums Haus rumgeschlichen.“ Der Wunsch, aber auch der Zwiespalt wurden größer, wollte sie die Heilbronner Jugendherberge doch nicht einfach verlassen.

Angebot, beide Häuser zu betreuen

Als der Geschäftsführer ihr anbot, die Leitung beider Häuser zu übernehmen, ergriff sie die Chance. „Es war ein Gefühl von Nachhausekommen“, sagt Angela Kachel mit Blick auf ihr neues Arbeitsumfeld. Auch ihre drei Hunde Lisa, Luna und Lenn, die sie über den Tierschutz aus verschiedenen Ländern zu sich geholt hat und die relativ vorsichtig unterwegs sind, signalisierten ihr, dass sie sich in der Murrhardter Jugendherberge sehr wohlfühlen. Unterstützung bekommt sie außerdem von ihrem Mann: Jonas Kachel, der das Geschäftsfeld Verpflegung der Jugendherbergen in Baden-Württemberg betreut, übernimmt die Küche. Der Schwerpunkt der Arbeit und Präsenz liegt nun erst mal in Murrhardt. An einem Tag fährt Angela Kachel ins Heilbronner Haus. „Ich mach’ auch einiges über Video“, sagt sie und dass sie bei ihrem Team das Glück habe, über kompetente Vertretungskräfte zu verfügen, die die Aufgaben entsprechend mittragen können.

Wie möchte sie die Jugendherberge in Murrhardt ausrichten? Angela Kachel ist bewusst, dass das Haus in die Jahre gekommen ist. „Die Duschen sind nicht auf dem neusten Stand, aber das lässt sich im Moment nicht ändern.“ Punkten möchten sie und ihr Mann aber auch auf anderem Gebiet. Es ist ihr Wunsch, auf speziellere Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen einzugehen, beispielsweise wenn Unverträglichkeiten oder andere Einschränkungen bestehen. „Die Eltern vertrauen uns ihr Wertvollstes an“, sagt sie in Bezug auf die Verantwortung. Dabei auf die Youngsters auch mal zuzugehen, wenn grundsätzliche Regeln nicht eingehalten werden, gehört für Jonas Kachel umgekehrt genauso dazu. „Ich hab’ in anderem Zusammenhang relativ viele Schulprojekte gemacht“, sagt er und lässt durchblicken, dass es auch in seiner Jugend wichtig war, Menschen an der Seite gehabt zu haben, die ihm als Jugendlichen das Gefühl vermittelt haben, wertvoll zu sein. Als gelernter Koch, der auch schon ein eigenes Restaurant betrieben hat, setzt er außerdem eine fast 100-prozentige Verpflegung mit Biolebensmitteln in der Jugendherberge um. „Das heißt, es gibt auch mal Spaghetti Bolognese, aber mit Biofleisch vom Wacholderhof“, erzählt Angela Kachel. Dass das nicht jeden Tag oder auch nicht in jeder Form wie beispielsweise als Salami möglich ist, müsse man den Kindern erklären. Dazu gehöre beispielsweise auch, Fleisch bewusst zu essen, vor dem Hintergrund, dass es von einem Lebewesen stammt, das letztlich genauso Eltern habe. „Wir hoffen aber, dass die Leute zu uns finden, die das verstehen und da mitgehen.“

Kooperationspartner und Ausbildung

Jonas Kachel hat Kooperationen mit lokalen Anbietern und Produzenten wie dem Wacholderhof und weiteren landwirtschaftlichen Betrieben geknüpft. Das Ehepaar möchte mit positivem Beispiel vorangehen und sich einen Blick auf das Ganze bewahren. Dazu gehört auch, dass Jonas Kachel nun eine geflüchtete Syrerin als Köchin vor Ort ausbilden wird. Auch hat die neue Leiterin eine Reihe von Kooperationen geschlossen, um ihren Gästen in der Umgebung verschiedene Angebote machen zu können. Im Schulterschluss mit dem Naturparkzentrum und den Naturparkführerinnen und -führen gibt es Ganz- und Halbtagesprogramme. Weitere Partner sind der Bezirksimkerverein und das Carl-Schweizer-Museum. Zudem gibt es Seminarangebote für Erwachsene in Bezug auf Achtsamkeit und Meditation.

Brücken bauen zu den (jungen) Gästen

„Die Umgebung ist wunderschön, der richtige Ort, um runterzukommen“, sagt die neue Jugendherbergsleiterin. Wenn sie selbst einmal durchschnaufen muss, hilft es ihr, hinterm Haus innezuhalten. „Wenn ich Glück habe, schwebt ein Rotmilan durch die Luft.“ Sie freut sich sehr darauf, ihren kommenden Gästen Haus und Umgebung nahezubringen, im Blick hat sie dabei vor allem jüngere Kinder bis zur fünften Klasse. Dass ein lebendiges Miteinander in einem älteren, traditionsreichen Haus funktionieren kann, davon ist sie überzeugt. Brücken lassen sich beispielsweise über ihre Präsenz an der Rezeption schlagen. „Selbst wenn es nur drei Tage sind, lernt man sich kennen. Wenn die Kinder die Hunde sehen, nehmen sie Kontakt auf, erzählen beispielsweise von ihrem Hamster zu Hause.“ Dass ihr das an ihrem Geburtstag vor ein paar Wochen ein spontanes Ständchen vor dem Haus eingebracht hat, freut sie ungemein – und zeigt, es funktioniert.

Angela Kachel vor dem Eingang der Eugen-Nägele-Jugendherberge Murrhardt mit ihren beiden Vierbeinern Lenn und Lisa. Fotos: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Angela Kachel vor dem Eingang der Eugen-Nägele-Jugendherberge Murrhardt mit ihren beiden Vierbeinern Lenn und Lisa. Fotos: Stefan Bossow

2027 ist eine Sanierung geplant

Hintergrund Die Jugendherberge in Murrhardt besteht seit 66 Jahren und ist nach Eugen Nägele (1856 bis 1937) benannt. Der Murrhardter war Sohn von Ferdinand Nägele, Naturschützer, Pädagoge, Heimatforscher und Mitbegründer des Schwäbischen Jugendherbergswerks, eines Vorläufers des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH).

Zauber Das DJH plant, das Haus 2027 zu sanieren. Angela Kachel, die mit ihrem Mann und den Hunden im Haus lebt, ist es wichtig, dass dabei der Zauber der Jugendherberge erhalten bleibt. Die Verpflegung erfolgt zu 98 Prozent mit Biolebensmitteln. Die Ausnahmen: Wenn es Döner gibt, wird das Fladenbrot von einem lokalen Team geliefert und ab und zu wird eine Zuckerwatte aus der hauseigenen Maschine serviert.

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Erstellt:
1. Juni 2024, 06:00 Uhr

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