Hendrik Wüst (CDU) bei Caren Miosga

„Niemand wird Kinder inhaftieren“

Der CDU-Ministerpräsident aus NRW signalisiert in der ARD minimale Gesprächsbereitschaft über das Migrationspaket  - und widerspricht damit CDU-Chef Friedrich Merz.

Hendrik Wüst war am Sonntag zu Gast bei Caren Miosga.

© IMAGO/HMB-Media/IMAGO/Uwe Koch

Hendrik Wüst war am Sonntag zu Gast bei Caren Miosga.

Von Christoph Link

Wenn der Merkel-Vertraute Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, bei Caren Miosga in der ARD zu Gast ist, dann versucht die Moderatorin jedes mal, einen möglichen Dissens von Wüst zu seinem Parteichef Friedrich Merz zu finden. Am Sonntagabend, die fünf Punkte von Merz für eine Verschärfung des Migrationsrechtes nach den Morden von Aschaffenburg waren das Thema, ist es ihr immerhin gelungen einen kleinen Spalt zwischen die beiden zu treiben. Das Maßnahmenpaket von Merz reicht von dauerhaften Grenzkontrollen, über Abschiebehaft für Ausreisepflichtige bis hin zur Ausweisung von straffälligen Asylbewerbern - und der CDU-Kanzlerkandidat hatte öffentlich klar gestellt, dass für ihn Kompromisse zu diesem Thema „nicht mehr möglich“ seien. Da nun hakte Caren Miosga bei Wüst mehrfach nach mit dem Hinweis, dass die Union, wenn sie denn eines Tages mit der SPD oder den Grünen koalieren wolle, doch Gesprächsbereitschaft zeigen müsse. Und der CDU-Mann aus Düsseldorf gab da schließlich tatsächlich etwas nach.

„Wollen keine AfD-Stimmen“

Man werbe im Bundestag um die politische Mitte für das Sicherheitspaket, sagte Hendrik Wüst, „wir wollen nicht die Stimmen der AfD.“ Bislang sei es aber so, dass Rot-Grün in der Sache nicht sprechfähig seien, sie versuchten die Union „mundtot“ zu machen. Wenn die Reaktion es aber erfordere, „dann reden wir. Der Kern des Parlamentarismus ist die Debatte.“ Auch allgemein – bei der Frage nach der Verantwortung für die irreguläre Migration – setzte Wüst andere Akzente als Merz, der von einer verfehlten deutschen Migrationspolitik der vergangenen neun Jahre gesprochen hatte, was die Politik der damaligen Kanzlerin Angela Merkel also mit einschließt. Merkel habe das Land durch große Krisen geführt, betonte hingegen Wüst, sie habe mit dem EU-Türkei-Abkommen die Migrantenzahlen erheblich reduziert, nur sei es in den letzten dreieinhalb Jahren unter der Ampel-Regierung „schlimmer“ geworden. Von Caren Miosga zu Details der CDU-Vorschläge gefragt, gab Wüst eher vage Antworten. „Wollen Sie jetzt überall Haftanstalten bauen für die Ausreisepflichtigen“, fragte Miosga, angeblich müssten das 40.000 Plätze sein, es gebe aber nur knapp 800. Und was mit Familien mit Kindern passiere, die ausreisepflichtig seien: „Niemand wird Kinder inhaftieren“, stellte der NRW-Ministerpräsident da fest. Zur Frage, ob die geplante Ausreisepflicht oder Ausweisung von zweifach straffällig gewordenen Asylbewerbern auch für Schwarzfahrer und Ladendiebe gelten werde, antwortete Wüst doppeldeutig. Es gelte nach wie vor die Verhältnismäßigkeit der Mittel im Rechtsstaat, andererseits „müssen wir in Europa dahin kommen, dass sich alle an Regeln halten.“

Journalisten widersprechen Wüst

Apropos Europa. Dass – wie die SPD behauptet – die Grenzschließung und Zurückweisung von Migranten ohne gültige Einreisepapiere nicht mit dem EU-Recht vereinbar sei, das wies Wüst zurück. Das Dubliner-Rücknahme-Abkommen funktioniere in der EU nicht, und wenn eine EU-Regel nicht anwendbar sei, gelte wieder das deutsche Recht. Die Migranten, die Deutschland auf dem Landweg erreichten, kämen übrigens alle aus sicheren EU-Ländern oder der sicheren Schweiz.

Von den geladenen Journalisten – Ronen Steinke („Süddeutsche Zeitung“) und Vanessa Vu („Zeit“) wurde das anders gesehen. Steinke bezweifelte, dass sich Deutschlands 4000 Kilometer lange Grenze überhaupt sichern lasse, da brauche man 40.000 bis 50.000 Polizisten, soviel, wie ganz NRW hat. Friedrich Merz wecke da Erwartungen, die später enttäuscht werden könnten. Auch das mit dem Zurückschicken an der Grenze sei nicht so einfach, stoße sich am Rechtsstaat. Es sei vorgekommen, dass zurückgeschickte Flüchtlinge in Bulgarien gefoltert und in Italien in die Obdachlosigkeit geschickt worden sind. „Das geht ganz klar nicht“, so Steinke und in dem Sinne werden europäische Richter auch entscheiden.

Täter sind junge Männer

Die ganze Richtung der Debatte hielt Vanessa Vu für falsch. Bei den jüngsten Mordfällen sei den Behörden bekannt gewesen, dass es sich um psychisch kranke Menschen handele, die eine Gefahr für andere darstellten. „Was haben die Hunderttausenden an unseren Grenzen, die Schutz vor Krieg, Elend und Verfolgung suchen, mit diesen Messerstechern zu tun?“ Vu wies auch daraufhin, dass die Bluttaten – von Mannheim, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg war in der Sendung die Rede – meist von jungen Männern verübt werden, oft seien die in einer verzweifelten Lage. Von ukrainischen Frauen – die nach Deutschland kommen und bessere Umstände für sich vorfinden – seien solche Phänomene nicht bekannt. Von ihrer eigenen Familiengeschichte – Vus Eltern stammen aus Vietnam – konnte die Journalistin über die Spannungen, den unerträglichen Schwebestatus und den hohen Druck eines Asylverfahrens berichten. Nur vier Prozent der Flüchtlinge, die psychische Hilfe brauchten, bekämen auch eine Behandlung. An dieser Stelle warf Hendrik Wüst ein, dass es auch ein Ressourcenproblem gebe, auch deutsche Teenager mit psychischen Problemen warteten lange auf einen Therapieplatz.

Auf die Empörung der Bevölkerung nach Aschaffenburg – auch der Migranten in seiner Stadt, die 41 Prozent der Einwohner ausmachten – machte der Oberbürgermeister von Fürth, Thomas Jung (SPD), aufmerksam: „Es ist entsetzlich. Wie kann man ein Kind umbringen?“ Täglich werde er auch von Ausländern deswegen angesprochen, eine Migrantin habe ihm gesagt, es gehe nicht um einen Therapieplatz für solche Täter, man solle sie hinrichten. Jung verlangte ein Umdenken der „ganzen deutschen Politik“ hinsichtlich der Migration. So habe die Stadt Fürth für zehn Millionen Euro ein neues Obdachlosenheim gebaut – das eine neue Klientel haben wird. Es gebe derzeit einen Asylbewerber, der in einer Wohngemeinschaft lebe, und jetzt seine Familie mit sieben bis zehn Personen nach Fürth nachholen wolle. Der Mann habe weder ein Arbeitseinkommen noch eine Wohnung: „Wir holen solche Menschen bewusst in die Obdachlosigkeit. So eine Art von Familiennachzug ist unerträglich.“ Und wenn dies auch europäisches Recht darstelle, dann sei es falsch.

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Erstellt:
27. Januar 2025, 06:26 Uhr
Aktualisiert:
27. Januar 2025, 09:56 Uhr

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