Nopper kritisiert „kollektive Verirrung“

Die Berliner Ampel-Koalition hat mit der Verschärfung des Eisenbahnrechts den Bau von Wohnungen auf den Gleisflächen zunächst verhindert.

Von Christian Milankovic

Stuttgart - In Stuttgart ist die Verärgerung über die Ampel-Koalition groß. Das Berliner Regierungsbündnis hat mit einer Änderung des Paragraf 23 Allgemeines Eisenbahngesetz die Wohnungspläne der Landeshauptstadt im Zuge von Stuttgart 21 durchkreuzt. Die Neuregelung erschwert die sogenannte Freistellung von Gleisflächen, die nicht mehr benötigt werden. Die aber ist Voraussetzung dafür, dass eine Stadt überhaupt für ehemaliges Bahngelände neue Pläne aufstellen kann.

Während die Fraktionen im Gemeinderat – mit Ausnahme der Linksfraktion – diese Entwicklung bislang unkommentiert lassen, zeigt sich Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) sehr verstimmt über das Vorgehen der Berliner Parlamentarier. „Ganz offensichtlich war sich der Bundesgesetzgeber bei der Novellierung des Paragraf 23 Allgemeines Eisenbahngesetz der Tragweite seiner Entscheidung nicht bewusst oder er befand sich jedenfalls mehrheitlich in einem Zustand kollektiver legislativer Verirrung“.

Der Rathaus-Chef erneuert die Einschätzung der Verwaltung, die neue Rechtslage stelle „einen schwerwiegenden Eingriff in die kommunale Planungshoheit dar und ist deswegen verfassungswidrig“. Beim Eisenbahn-Bundesamt, der Behörde, die Freistellungsanträge bearbeitet, hält man die neue gesetzliche Regelung für eindeutig, die festlege, „dass der Bahnbetriebszweck eines Grundstücks, das Betriebsanlage einer Eisenbahn ist oder auf dem sich eine Betriebsanlage einer Eisenbahn befindet, im überragenden öffentlichen Interesse liegt. Zusätzliche Voraussetzung für eine Freistellung ist daher, dass das Interesse des Antragstellers an der Freistellung dieses überragende öffentliche Interesse überwiegt“, wie ein Behördensprecher mitteilt. Diesem hohen Anspruch genügen die Stuttgarter Städtebaupläne nicht.

Frank Nopper geißelt die Entscheidung in Berlin in scharfen Worten: „Diese Gesetzesänderung mutet an wie ein Treppenwitz der Gesetzgebungsgeschichte. Sie würde in Zeiten größter Wohnungsnot den Bau von bis zu 5800 innerstädtischen Wohnungen für rund 10 000 Menschen blockieren“, sagt er.

Tatsächlich hatte die Wohnungspolitik in in Erwartung der Bahngrundstücke auf die Bebauung der grünen Ränder der Stadt verzichtet. Nopper fürchtet, dass die „städtebauliche Jahrhundertchance“ ungenutzt bleibt. „Deswegen muss der Bundesgesetzgeber § 23 Allgemeines Eisenbahngesetz unverzüglich wieder ändern.“

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Erstellt:
31. Juli 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
1. August 2024, 22:05 Uhr

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