Baden-Württemberg
Nur alle paar Jahre? Streit um Kontrolle von Pflegeheimen
Immer wieder kursieren Horrorgeschichten aus Pflegeheimen. Deshalb gibt es regelmäßige Kontrollen und Mitbestimmung der Bewohner. Pläne des Landes für den Bürokratieabbau sorgen nun für Zoff.
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© dpa/Marijan Murat
Pläne der Landesregierung zum Abbau von Bürokratie in Pflegeheimen sind auf scharfen Widerstand des Landesseniorenrats gestoßen.
Von red/dpa/lsw
Gibt es bald wirklich weniger vorgeschriebene Kontrollen in Pflegeheimen und weniger Mitbestimmung ihrer Bewohner? Pläne der Landesregierung zum Abbau von Bürokratie stoßen auf scharfen Widerstand des Landesseniorenrats. In einem Brief an Landtagsabgeordnete, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, spricht der Verband von „radikalen Streichungen“ und einem „sozialpolitischen Dammbruch“. Das Sozialministerium gebe mit seinen Plänen den Schutz „einer der vulnerabelsten Gruppen unserer Gesellschaft“ auf. Zunächst hatte der SWR berichtet.
Konkret geht es um Überlegungen des Sozialministeriums, die vorgeschriebenen Regelkontrollen in Pflegeeinrichtungen deutlich zurückzufahren. Zudem soll die flächendeckende Bestellung von den sogenannten Heimbeiräten abgeschafft werden - also den Gremien, die die Heimbewohner vertreten. Außerdem sollen ambulant betreute Pflege-WGs nicht mehr von der Heimaufsicht kontrolliert werden.
Nur noch alle fünf Jahre?
Zuständig für die Kontrollen sind in den 44 Landkreisen des Südwestens die an den Landratsämtern angesiedelten Heimaufsichten sowie der Medizinische Dienst der Krankenkassen. Bereits in der Vergangenheit war immer wieder diskutiert worden, ob bestehende Kontrollen denn ausreichen. Immer wieder kursieren im Netz bundesweit Geschichten über angeblich schlechte Pflege, von Pflegebedürftigen, die in ihren Exkrementen liegen, die nicht genug zu trinken oder zu essen bekommen - oder von Pflegern, die alleine im Nachtdienst 30 Bewohner betreuen müssen und heillos überfordert sind.
Bislang werden Pflegeheime im Südwesten mindestens einmal im Jahr von der Heimaufsicht kontrolliert, die Prüfungen erfolgen in der Regel unangemeldet. Künftig sollen die Kontrollintervalle deutlich ausgedehnt werden - was unter Umständen dazu führen kann, dass ein Heim nur noch alle fünf Jahre kontrolliert wird.
Künftig soll nämlich nicht mehr jede, sondern nur noch knapp jede dritte Einrichtung jährlich kontrolliert werden. Bei Problemen könne aber häufiger geprüft werden, so das Sozialministerium. Und: Anlassbezogene Prüfungen bei Beschwerden von Angehörigen würden weiter durchgeführt. Man wolle mit der neuen Regelung schwarze Schafe sogar noch engmaschiger unter die Lupe nehmen, so ein Sprecher.
Bislang reine Vorüberlegungen
Das Sozialministerium betont, dass man sich in einem sehr frühen Stadium des Prozesses befinde und sich derzeit mit den Verbänden austausche. Es handle sich um Vorüberlegungen, nichts sei beschlossen. Das Ministerium befinde sich auch mit dem Landesseniorenrat in einem „guten und gewinnbringenden Austausch“. „Letztlich geht es hier um die Frage des Abbaus von bürokratischen Regelungen, ohne die positiven Aspekte der Heimmitwirkung zu konterkarieren“, betonte der Sprecher. Die Ideen sollen Heimaufsicht und Heimbetreiber entlasten, sie gehen auf die sogenannte Entlastungsallianz des Landes zurück. Man befinde sich in einem Spannungsfeld, so der Sprecher.
Zur Abschaffung der Heimbeiräte teilte das Ministerium mit, dass die Mitgestaltung der Bewohnerinnen und Bewohner weiter gefördert und die Bildung von Mitwirkungsgremien weiter unterstützt werden soll. Vielerorts ließen sich aber keine Personen mehr finden, die als Heimbeiräte wirken wollten.
Im „Würgegriff“ der Bürokratie?
Und dass ambulant betreute Pflege-WGs nicht mehr von der Heimaufsicht kontrolliert werden sollen, rechtfertigt das Ministerium damit, dass diese Wohnformen sowieso „durch den Einbezug der An- und Zugehörigen sowie Ehrenamtlichen einer sehr starken sozialen Kontrolle“ unterlägen. Die Leistungen der externen Pflegedienste in den WGs unterlägen zudem ohnehin schon seit jeher ausschließlich der Kontrolle durch den Medizinischen Dienst.
Die Evangelische Heimstiftung, die deutlich mehr als 100 Pflegeeinrichtungen im Land betreibt, stärkte Sozialminister Manne Lucha (Grüne) den Rücken. „Die Mission von Minister Lucha in der Entlastungsallianz kann ich nur unterstützen“, sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider dem SWR. „Die Pflegeheime und die Pflegedienste sind im Würgegriff der Bürokratie.“ Die Befürchtungen einzelner Interessenverbände seien unbegründet.
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Florian Wahl, war Lucha hingegen vor, die Schutz- und Beteiligungsrechte von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen schleifen zu wollen. „Minister Lucha wurde in sein Amt eingesetzt, um den Sozialbereich zu ordnen“, sagte Wahl. „Nicht um Schutzrechte abzuschaffen und schwarzen Schafen, die es leider auch im Bereich der Pflege gibt, die Möglichkeiten einer möglichst hohen Rendite zu erleichtern.“