Weltklimakonferenz

Öl-Dynastie als Klimaretter? Aserbaidschan und der UN-Gipfel

Aserbaidschans Wirtschaft lebt vom lukrativen Verkauf von Öl und Gas. Kann das kleine und streng autoritär regierte Land glaubwürdig und erfolgreich eine UN-Klimakonferenz leiten? Viele hegen Zweifel.

Zumindest technisch bereit für die Klimakonferenz: das Tagungsgelände in Baku.

© Peter Dejong/AP

Zumindest technisch bereit für die Klimakonferenz: das Tagungsgelände in Baku.

Von Von Torsten Holtz, Ulf Mauder und Katharina Schröder, dpa

Baku/Berlin - Aserbaidschan verdient sein Geld mit Öl und Gas – und ist gleichzeitig Gastgeber der am Montag beginnenden Weltklimakonferenz. Wie passt das zusammen? Der mit eisenharter Hand regierende Staatschef Ilham Aliyev hofft auf einen Image-Gewinn. Doch Klimaschützer hegen Zweifel, ob die kleine Ex-Sowjetrepublik mit ihrem Fokus auf fossile Energie den Mammut-Gipfel glaubwürdig leiten kann. Die Wahl Bakus als Austragungsort für den Formel-1-Zirkus leuchte jedenfalls eher ein als für eine UN-Konferenz zur Rettung des Klimas, meinen die Umweltschützer von Greenpeace.

Für Irritationen sorgte schon vor Monaten, dass als Präsident der Konferenz, im UN-Jargon COP29 genannt, der aserbaidschanische Umweltminister Mukhtar Babayev vorgesehen ist - der aber früher lange für den staatlichen Ölkonzern Socar tätig war. Und: Nach Schätzungen der Organisation Global Witness will Aserbaidschan seine klimaschädliche Gas- und Ölproduktion noch stark ausbauen.

Vor wenigen Tagen nun der nächste Aufreger: Der Chef des aserbaidschanischen COP29-Teams scheint nach einem BBC-Bericht seine Rolle genutzt zu haben, um Treffen zu möglichen Abkommen über Gas- und Öl-Deals zu arrangieren. Laut dem Sender zeigt ein geheim aufgenommenes Video, wie Elnur Soltanov mit einem Mann, der sich als potenzieller Investor ausgibt, über Investitionsmöglichkeiten in den Socar-Konzern spricht. Auf eine BBC-Anfrage dazu gab das COP-29-Team zunächst keine Antwort. 

Von Greenpeace heißt es in einem Statement für die Deutsche Presse-Agentur, es sei nicht leicht, sich Redlichkeit und echte Ambitionen bei einem Staat vorzustellen, der seinen Reichtum fossilen Energieträgern verdanke. "Der Verdacht liegt nahe, dass sich Aserbaidschan mit einer internationalen High-Level-Konferenz in erster Linie schmücken und das eigene Image innerhalb der Weltgemeinschaft aufpolieren will." 

Song Contest und Formel 1 in der schillernden Hauptstadt

Schon jetzt gibt es in der schillernden Hauptstadt Baku regelmäßig Formel-1-Rennen, zudem war man Gastgeber des Eurovision Song Contest (ESC) und Spielort der Fußball-EM. Während Andersdenkende in dem Land am Kaspischen Meer als politische Gefangene inhaftiert sind, setzt der 62-jährige Machthaber mit seiner Frau Mehriban Aliyeva nun auf die Bilder als Gastgeber für Dutzende Staats- und Regierungschefs aus aller Welt.

Aliyev, der engste Verbindungen nach Russland und zum Bruderstaat Türkei hat, führt das Land im Südkaukasus mit den rund zehn Millionen Einwohnern inzwischen seit mehr als 20 Jahren mit harter Hand - als Nachfolger seines Vaters Heydar Aliyev, der zu Sowjetzeiten das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei in Aserbaidschan leitete. Wahlen gelten in dem wie eine Dynastie geführten Staat als weder fair noch frei. Bei einer Wahl im Februar hat sich Ilham Aliyev mit 92 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. 

Schon wieder keine Proteste in der Stadt möglich

Menschenrechtler kritisieren seit Jahrzehnten die Lage in der ehemaligen Sowjetrepublik. Zuletzt sprach die Organisation Human Rights Watch (HRW) von einer Verschärfung des Vorgehens gegen Andersdenkende. In den vergangenen beiden Jahren habe die Regierung härter gegen Kritiker durchgegriffen und Dutzende verhaften lassen, hieß es. HRW beklagte auch, dass es dadurch kaum noch unabhängige Organisationen und Medien in Aserbaidschan gebe. Unter den Inhaftierten ist dem Bericht zufolge auch der Menschenrechtler Anar Mammadli. Er habe vor seiner Festnahme eine Initiative für Klimagerechtigkeit mitgegründet. 

Darya Sotoodeh von der Klimabewegung Fridays for Future stuft dies alles als höchst problematisch ein. Die Klimakonferenz in Baku sei nach der in Ägypten und in Dubai die Dritte in Folge in einem autoritär regierten Staat. "In Baku ist schon wieder kein zivilgesellschaftlicher Protest in der Stadt möglich. Proteste können nur auf dem Konferenzgelände stattfinden, das man überhaupt nur mit einer Akkreditierung der Vereinten Nationen betreten darf", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Und auch die Agenda der Gastgeber sei ihr unklar: "Wir hinterfragen, inwiefern diese Präsidentschaft wirklich das Ziel hat, den alternativlosen Ausstieg aus allen fossilen Energien auf dieser Klimakonferenz fortzusetzen."

Auch das Europaparlament prangerte Menschenrechtsverletzungen an: Wegen der Unterdrückung von Journalisten, Aktivistinnen und Oppositionellen müsse die EU ihre Gasabhängigkeit von Aserbaidschan beenden, forderten die Abgeordneten in einer rechtlich nicht bindenden Resolution.

Unter den korruptesten Staaten der Welt

Aserbaidschan, das immer wieder auch in Deutschland wegen Gefälligkeiten für Amtsträger in der Kritik stand, gehört weiter zu den korruptesten Staaten der Welt. Die Organisation Transparency International listet das Land auf Platz 154 von 180 in seinem Korruptionswahrnehmungsindex.

Aber: Aliyev sitzt fester im Sattel denn je, seit er sich im vorigen Jahr nach dem mit türkischer Hilfe gewonnen Krieg gegen das kleine Nachbarland Armenien für die Rückeroberung der Konfliktregion Berg-Karabach feiern ließ. Der Triumph sollte auch die Unzufriedenheit in der Gesellschaft über Probleme wie die hohe soziale Ungleichheit übertünchen. Jahrzehntelang war Karabach umkämpft, inzwischen verhandeln die beiden verfeindeten Nachbarn unter getrennter Vermittlung der EU und Russlands über einen Friedensvertrag.

Durch die Angriffe der aserbaidschanischen Armee flohen mehr als 100.000 Karabach-Armenier. Armenien warf Aserbaidschan Vertreibung und "ethnische Säuberung" vor. Genau dort soll nun nach Angaben einer dem Energieministerium unterstellten Agentur eine "grüne Energiezone" entstehen. Ziel sei, das Gebiet mit umweltfreundlicher Energie zu versorgen.

Botschaft von Klimaaktivisten aus London nach Baku: Die COP20 dürfe nicht scheitern.

© Lee Mills/ FOR GREEN NEW DEAL RISING/AP/dpa

Botschaft von Klimaaktivisten aus London nach Baku: Die COP20 dürfe nicht scheitern.

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Erstellt:
10. November 2024, 08:46 Uhr

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