Oft bleibt das Karzinom unentdeckt
Markus Golling, Chirurgiechefarzt der Diakoneo-Diak-Kliniken Schwäbisch Hall, zeigt in seinem Vortrag beim Krankenpflegeverein Murrhardt neue Wege und Therapiemöglichkeiten bei diversen Bauchspeicheldrüsenkrebsarten auf. Trotzdem ist die Diagnose meist ein Todesurteil.

Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. „Ich sage, wie es ist: Bauchspeicheldrüsenkrebs ist das Schlimmste, was man bekommen kann“, redet Markus Golling Klartext im medizinischen Vortrag auf Einladung des Krankenpflegevereins Murrhardt. Es gibt verschiedene Arten von Pankreaskarzinomen, so der Fachbegriff, die meist lange ruhig, schmerzlos und daher unentdeckt bleiben. „Wenn man etwas bemerkt, ist es meist zu spät, da sich bereits Metastasen, also Tochtergeschwüre, in anderen Organen gebildet haben“, verdeutlicht der Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie der Diakoneo-Diak-Kliniken Schwäbisch Hall vor vielen Zuhörerinnen und Zuhörern im Heinrich-von-Zügel-Saal.
Erschwerend kommt hinzu, dass die kleine und längliche, einer Tilde ähnlich geformte Bauchspeicheldrüse „versteckt“ zwischen den übrigen Verdauungsorganen liegt, die nur jeweils etwa einen Millimeter voneinander entfernt sind. Sie produziert Hormone wie Insulin, um Traubenzucker aus dem Blut in die Zellen zu schleusen, sowie extrem aggressive, laugenähnliche Verdauungssäfte. Meist bilden sich dort Tumoren im „Kopf“ oder „Schwanz“ erst in höherem Alter: Typische Symptome sind plötzlich auftretender Diabetes, gelbe Augen, dunkler Urin, heller Stuhlgang, Appetitlosigkeit und Müdigkeit sowie Verdauungsprobleme. Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs sei leider oft ein Todesurteil, aber: „Je früher der Krebs erkannt und operiert wird, desto besser“, betont der Experte und stellt neue Wege zur Diagnose und Therapie vor. Bei Blutuntersuchungen können Entzündungen und Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse festgestellt werden. Mit Kernspin- und Magnetresonanztomografien sind vier Typen von Zysten als Vorstufen bösartiger Tumoren erkennbar, die laut Golling sofort entfernt werden sollten, wie Polypen bei Darmuntersuchungen.
Heute können Operationen computergesteuert geplant und mithilfe von genauen Bildern oder dreidimensionalen, farbigen Rekonstruktionen der Gefäße und Organe vorgenommen werden. „Wir wollen so viel wie möglich operieren, nur so besteht die Chance, die Tumoren loszuwerden.“ Doch seien Operationen im Bereich der Verdauungsorgane sehr aufwendig und schwierig, auch bestehe das Risiko, dass sich ein neuer Tumor wieder an derselben Stelle bildet, weil er zuvor nicht komplett entfernt werden konnte, räumt der Chirurg ein.
Für solche Fälle gibt es die innovative, sogenannte Triangel- oder Dreiecksoperation. Dabei wird das Gefäßgeflecht in der Region, in der der Tumor sitzt, radikal „freigeputzt“, was bis zu neuneinhalb Stunden dauert. Bei nicht mehr operablen Tumoren erhalten Erkrankte eine Chemotherapie. Deren Wirkungen kontrollieren die Fachärzte mit bildgebenden Verfahren und Laboruntersuchungen. Verkleinern sich die Tumoren, kann operiert werden. Allerdings sterben in Deutschland zwischen sieben und zehn Patienten von 100 an einer Bauchspeicheldrüsenkrebsoperation.
Ob die Therapien erfolgreich sind, hänge auch stark vom Willen der Patienten ab: „Es macht einen Riesenunterschied, ob jemand selbst sagt: ‚ich will jetzt operiert werden‘, oder ob man unsicher ist“, betont der Referent. Entscheidend für die anschließende Lebenserwartung, die leider oft nur kurz ist, sind auch das Alter, der körperliche Gesamtzustand, ob weitere Erkrankungen bestehen und die Fitness. Muss die Bauchspeicheldrüse komplett entfernt werden, wird man Diabetiker, darum sind alle Hormone und Verdauungssäfte durch Spritzen und Medikamente zu ersetzen.
„Man kann ohne Bauchspeicheldrüse leben und medikamentös viel machen“, indes sei die Lebensqualität sehr individuell und für jede und jeden anders, stellt der Chefarzt klar. Spezielle Empfehlungen zur Vorbeugung gebe es nicht, da auch die Veranlagung und andere individuelle Faktoren dazu beitragen, ob jemand Bauchspeicheldrüsenkrebs bekommt. Indes seien eine gesunde Lebensweise und mediterrane Ernährung mit möglichst wenig giftig wirkenden Genussmitteln wie Alkohol und Zigaretten hilfreich, erklärt Markus Golling auf Nachfrage.
Abschließend geht er noch kurz auf die Zukunft der Patientenversorgung in Krankenhäusern ein. Die Konzentration auf wenige große Klinikzentren wird sich noch weiter verstärken: Nur sie können und dürfen alle Operationen und Therapien sowie spezielle Eingriffe vornehmen. Denn dafür sind Qualitätsnachweise erforderlich. Auch müssen genügend Fachärzte und Pflegepersonal vorhanden sein, wobei der akute Fachkräftemangel im Gesundheitswesen aktuell ein großes Problem ist.