Ohne den Kapitän und mit neuem Torwart

Fußball-Europameisterschaft Das Votum der B-Jugend-Fußballerinnen der SG Oppenweiler-Strümpfelbach mag angesichts des deutschen 5:1-Siegs gegen Schottland überraschen, aber es ist eindeutig. Sie würden Ilkay Gündoĝan und Manuel Neuer gegen Ungarn auf die Bank setzen.

Deutschland auf dem Höhenflug? Die SGOS-Fußballerinnen haben Hoffnung, zweifeln aber noch am Titelgewinn. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Deutschland auf dem Höhenflug? Die SGOS-Fußballerinnen haben Hoffnung, zweifeln aber noch am Titelgewinn. Foto: Alexander Becher

Von Steffen Grün

Dass es nicht nur elf Fußballerinnen sind, die am Montagabend auf dem Sportplatz im Rohrbachtal trainieren, sondern dass es sich bei den SGOS-Mädels um eine funktionierende Elf handelt, ist spürbar. Beispielsweise beim Fototermin, bei dem sie die riesige Deutschlandfahne in Schwingung versetzen und ihren Spaß dabei haben. Oder bei der Diskussion um die Aufstellung für Deutschlands heutiges zweites Spiel gegen Ungarn, die manchmal kontrovers geführt wird, aber am Ende stets zu Entscheidungen führt, die von allen mitgetragen werden. Und nicht zuletzt, wenn sich die zehn Spielerinnen in den deutschen Trikots und die eine Italienerin im Dress der Squadra Azzurra kleinere gegenseitige Frotzeleien einfallen lassen.

„Ihr habt das schnellste Tor der EM-Geschichte kassiert. Das würde mir stinken“, sagt Janina Streule zu Elisa Mencarelli und meint das 0:1, das sich Italien gegen Albanien schon nach 22 Sekunden einfing. Weil der Europameister von 2021 aber noch mit 2:1 gewonnen hat, nimmt es die Adressatin locker: „Die Leistung hätte besser sein können, aber zum Auftakt zählen nur die Punkte.“ Elisa Mencarelli ist überzeugt, dass Italien in der Gruppe B gemeinsam mit Spanien weiterkommt, „aber für den Titel haben andere Teams bessere Chancen“. Dass die Deutschen für sie nicht zu diesem Kreis gehört, nehmen ihr die Teamkolleginnen keineswegs übel, sondern sehen es ähnlich.

„Sollte es im Achtelfinale oder im Viertelfinale gegen Spanien gehen, ist es meiner Meinung nach vorbei. Das ist mein Favorit“, betont Anna Kraus. „Ich glaube, den Titel erwartet keiner so richtig“, meint auch Lilli Übele, schiebt aber hinterher: „Es wäre mal wieder schön.“ Die meisten B-Juniorinnen der SGOS sind 2007 oder 2008 geboren und damit alt genug, bereits Erinnerungen an den WM-Triumph 2014 in Brasilien zu haben. Ähnliches nun mit 16 oder 17 Jahren zu erleben, wäre aber schon noch einmal etwas anderes. Doch um daran zu glauben, braucht es mehr als den deutschen Kantersieg zum Auftakt. Zu präsent sind noch die Enttäuschungen bei den vergangenen drei Turnieren und die überwiegend schwachen Leistungen seit der Winter-WM in Katar.

Tipps für den Bundestrainer, die Julian Nagelsmann vermutlich ignoriert

„Schottland war schon schlecht“, ordnet Anna Kraus das anfängliche 5:1 ein, „aber man muss die Schwächen des Gegners auch erst einmal so ausnutzen.“ Die Zuversicht würde sicherlich weiter wachsen, wenn das Team von Julian Nagelsmann auch heute ab 18 Uhr in Stuttgart gegen Ungarn eine überzeugende Vorstellung abliefern sollte. Alles spricht dafür, dass der Bundestrainer in seiner Startelf keine Änderungen geplant hat – und damit die Tipps der SGOS-Fußballerinnen ignoriert. Hätten sie das Sagen, gäbe es den ersten Wechsel bereits im Tor. Dem gegen Schottland fast beschäftigungslosen Manuel Neuer hängen die Fehler der letzten Wochen immer noch nach. Einstimmig fällt die Entscheidung zugunsten von Marc-André ter Stegen, was Lilli Übele aus ihrer Sicht so begründet: „Ich fand es unfair, dass Julian Nagelsmann von vornherein so eindeutig auf Manuel Neuer gesetzt hat.“

Lilli Übele schreibt die gemeinsam erarbeitete deutsche Aufstellung auf die Taktiktafel. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Lilli Übele schreibt die gemeinsam erarbeitete deutsche Aufstellung auf die Taktiktafel. Foto: Alexander Becher

Keinen Änderungsbedarf sehen die Fußballerinnen aus dem Rohrbachtal in der Abwehr, „die Viererkette war stabil“. Als es darum geht, wer vor Joshua Kimmich, Antonio Rüdiger, Jonathan Tah und Maximilian Mittelstädt die Doppelsechs bilden soll, gehen die Meinungen erstmals auseinander. „Kroos und Andrich oder Kroos und Groß“, bringt Anna Kraus die Gedankenspiele auf den Punkt. Kim Säuberlich plädiert für Robert Andrich, „weil er eine gesunde Grundaggressivität mitbringt und sich auch nicht scheut, mal eine Gelbe Karte abzuholen“. Dass er schon eine Verwarnung kassiert hat und ihm eine Sperre droht, ändert an ihrer Haltung nichts: „Er muss sich halt zusammenreißen und nur faire Fouls machen.“ Solche also, die weder grob sind noch einen Konter vorsätzlich unterbinden, denn in solchen Fällen wird Schiedsrichter Danny Makkelie mit ziemlicher Sicherheit den gelben Karton zücken. Mit 7:4 Stimmen folgen die Feldspielerinnen ihrer Torhüterin, damit hat Pascal Groß hier das Nachsehen.

Zwei Spielerinnen zieht es auf die Fanmeile nach Stuttgart

Allgemeines Nicken ist die Reaktion auf den Vorschlag, auf dem linken Flügel auf Chris Führich vom VfB Stuttgart zu setzen, der dann zusammen mit Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt ein eingespieltes Duo bildet. Dazu Florian Wirtz als Zehner und Jamal Musiala auf rechts – und schon ist der Kapitän raus, trotz Ilkay Gündoĝans guter Leistung gegen Schottland. Die Binde soll Toni Kroos oder Joshua Kimmich tragen. Bleibt der Sturm. Die Mehrheit ist für Kai Havertz, doch Mia Vetter hat eine andere Idee: „Ich fände Maximilian Beier eine Option. Er hatte im letzten Test einige starke Aktionen und brennt auf einen Einsatz.“ Niklas Füllkrug ist erste Wahl als Joker, alle Fragen sind geklärt. „Ich finde unsere Aufstellung top“, sagt Anna Kraus lachend. „Wir sollten Julian Nagelsmann anrufen.“

Was fehlt, ist die Nummer. Hoffentlich weiß der Bundestrainer auch so, was er tut. Und wo wird geguckt? Das ist wohl erneut unterschiedlich. Kim Säuberlich und Janina Streule waren gegen Schottland bei einer Freundin und Amy Welte schaute mit ihrer Familie, während Elisa Mencarelli und Valeria Zwetzich begeistert vom Public Viewing beim Wiesafeschd in Allmersbach im Tal waren. „Wir wollen mal nach Stuttgart zum Fanfest“, verkündet das Duo. Vielleicht sogar schon heute zum Spiel gegen Ungarn.

Serie Wir lassen vor den deutschen Spielen den Nachwuchs aus Vereinen der Region zu Wort kommen. Im Allgemeinen geht es um die Stimmung bei der Fußball-EM im eigenen Land und im Speziellen um das DFB-Team, dessen Leistungen und Titelchancen.

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Erstellt:
19. Juni 2024, 06:00 Uhr

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