Was geschah am . . . 20. März 1890?

Otto von Bismarck wird von Kaiser Wilhelm II. als Reichskanzler entlassen

Eine Epoche endet: Am 20. März 1890 wird Otto von Bismarck seinem Antrag gemäß als deutscher Reichskanzler entlassen, nachdem es zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen ihm und dem neuen Kaiser Wilhelm II. gekommen ist. Neuer Reichskanzler wird Leo von Caprivi.

Krönung Wilhelms II. am 25. Juni 1888 im Weißen Saal des Berliner Schlosses. Links unter ihm ist Reichskanzler Otto von Bismarck zu sehen (Gemälde von Otto von Werner aus dem Jahr 1893).

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Krönung Wilhelms II. am 25. Juni 1888 im Weißen Saal des Berliner Schlosses. Links unter ihm ist Reichskanzler Otto von Bismarck zu sehen (Gemälde von Otto von Werner aus dem Jahr 1893).

Von Markus Brauer/dpa

Reichseinigung, Sozialgesetze, Kulturkampf: Das wissen viele noch über Bismarck. Über viele Jahrzehnte aber war sein Wirken hochumstritten. Wer war Bismarck? „Eiserner Kanzler“ oder „Dämon der Deutschen“?

Mythos Bismarck

Meterhoch steht Bismarck auf seinem Sockel, in Bronze gegossen, in Sichtweite der Siegessäule in Berlin. Die rechte Hand auf der Urkunde der Reichsgründung, die linke am Säbel. 1901 ist dieses monumentale Denkmal entstanden, nur drei Jahre nach dem Tod des langjährigen Reichskanzlers.

Es steht für seine damals fast kultische Verehrung. Bismarck ist ein Mythos. Eine Schlüsselfigur deutscher Geschichte, ein Staatsmann von weltpolitischer Bedeutung. Schlachtschiffe und Heringe wurden nach ihm benannt, Schnäpse und Mineralwasser. Niemandem seien mehr Denkmäler errichtet worden, schreibt der Publizist Norbert F. Pötzl.

1862 schlägt Bismarcks Stunde

Geboren wird Otto von Bismarck am 1. April 1815 auf dem Gut Schönhausen im heutigen Sachsen-Anhalt als Spross eines alten Adelsgeschlechts. Er ist ehrgeizig, erzkonservativ und hat vor allem ein Ziel: Preußens Macht zu sichern und zu mehren.

„Als Politiker schreckte er vor keinem Winkelzug zurück und verfolgte seine Gegner mit abgrundtiefem Hass noch bis ins Grab“, schreibt der Historiker Christoph Nonn. Privat sei Bismarck „egozentrisch und cholerisch“ gewesen. Er neigte zur Hypochondrie.

Nach einer diplomatischen Karriere unter anderem als preußischer Gesandter in Sankt Petersburg und Paris schlägt im Jahr 1862 Bismarcks Stunde. Inmitten einer schweren Krise der Monarchie ernennt der preußische König und spätere deutsche Kaiser Wilhelm I. Bismarck trotz Bedenken zum Ministerpräsidenten.

Kleindeutsche Lösung nach drei Kriegen

Fast 30 Jahre lang soll Bismarck die Geschicke der in Kleinstaaten zersplitterten Nation lenken. Er schafft als kleindeutsche Lösung, also ohne Österreich, mit „Eisen und Blut“ den deutschen Nationalstaat – nach Siegen in den Kriegen gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71).

Mit einem komplizierten Bündnissystem sorgt er anschließend für ein Gleichgewicht der Kräfte in Europa – mit dem Hauptziel, Frankreich zu isolieren. Als „ehrlicher Makler“ verhindert er im Jahr 1878 auf dem Berliner Kongress einen neuen Krieg.

Gegner der Arbeiterbewegung und katholischen Kirche

Innenpolitisch ist Bismarck ein gnadenloser Gegner der Arbeiterbewegung. Das „Sozialistengesetz“ von 1878 bedeutet de facto ein Verbot der Sozialdemokratie. Im Kulturkampf kämpft er gegen den Einfluss der katholischen Kirche.

Auf der anderen Seite schafft er eine moderne Sozialgesetzgebung und führte Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung ein – als Teil seiner Doppelstrategie gegen die Sozialdemokraten. Zuckerbrot und Peitsche.

1890: „Der Lotse geht von Bord“

Die für Bismarck bittere Entlassung durch den jungen Kaiser Wilhelm II. 1890 kommentiert das britische Magazin „Punch“ in einer berühmt gewordenen Karikatur mit den Worten: „Der Lotse geht von Bord.“

1898 stirbt Bismarck und die Heldenverehrung setzt ein

Am 30. Juli 1898 stirbt Bismarck, mit 83 Jahren. „Ein Schauern und ein Zittern ergreift einen, auch wenn man nicht will“, schreibt der Theaterkritiker Alfred Kerr. „Ein Stück von Deutschland ist es, das in die Fluten des Weltgeschehens für alle Ewigkeit versank.“

Die Heldenverehrung Bismarcks sollte in weiten Teilen der Bevölkerung andauern. Adolf Hitler stellte sich in eine Reihe mit Friedrich dem Großen und Bismarck. Spätestens ab den 1970er Jahren aber setzte eine Götterdämmerung ein. Bismarcks Wirken wurde nun teils äußerst kritisch bewertet.

Kein roter, „ein weißer Revolutionär“

Viele Historiker sahen ihn als Ahnherrn einer preußischen und deutschen Kriegs- und Gewaltpolitik, die in letzter Konsequenz zur Katastrophe geführt habe. Einen ausgewogenen Weg wählte der Historiker Lothar Gall: Bismarck habe in einer Zeit des grundlegenden Umbruchs gelebt, davon zeugten Kulturkampf und Kampf gegen die Sozialdemokratie, aber auch die fortschrittliche Sozialgesetzgebung. Kein roter, „ein weißer Revolutionär“.

Bismarck vereine Widersprüchliches in sich, sagt der Historiker Carsten Kretschmann. „Preuße und Reichsgründer, Christ und Kulturkämpfer, Landjunker und Shakespeare-Verehrer.“ Der Historiker Hans-Christof Kraus konstatiert: Er sei weder Übervater noch Dämon. Ein „Mann mit Begabungen und Fehlern, mit hoher Intelligenz und Charakterstärke, aber auch mit einer Neigung zu kleinlicher Rachsucht“.

Deutschlands „konservativen Erneuerer“

Von einem „widersprüchlichen Erbe“ spricht der Historiker Heinrich August Winkler. Außenpolitisch sorgte Bismarcks Bündnissystem zwar für einen langen Frieden, allerdings nicht dauerhaft. Pötzl: „Es war ein höchst riskanter Ausgangspunkt für die Außenpolitik unter seinen Nachfolgern, als das Kaiserreich nach Weltgeltung strebte.“

Innenpolitisch hinterließ Bismarck mit seiner „Revolution von oben“ ein zerrissenes Land. Kraus nennt Bismarck einen „konservativen Erneuerer“, der Deutschland modernisiert habe, aber nur so lange, wie bestehende Machtstrukturen nicht angetastet wurden. Zwar führte Bismarck auf Reichsebene das allgemeine Wahlrecht für Männer ein. Eine Parlamentarisierung des Regierungssystems aber folgte nicht – eine schwere Vorbelastung der Weimarer Republik.

„Es bedurfte der Katastrophe der Jahre 1933 bis 1945, um die deutschen Vorbehalte gegenüber der westlichen Demokratie, das fatalste Erbe der Bismarck-Zeit, zu überwinden“, resümiert Heinrich August Winkler.

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Erstellt:
17. März 2025, 16:00 Uhr

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