Planer stellen sich Bürgerfragen

Für das Wohnquartiersprojekt auf dem „Schweizer-Areal-Süd“ läuft zurzeit ein Bebauungsplanverfahren. Nun haben die Verantwortlichen eingeladen, um zu informieren. Im Anschluss werden Aspekte zum Hochwasserschutz, Fragen zur Zielgruppe und Umsetzungsdetails diskutiert.

Bei der Infoveranstaltung zum Projekt auf dem „Schweizer-Areal-Süd“ ist der Betreuungsschlüssel hoch – Baurechtsamtsleiterin Simone Sauer und Bürgermeister Armin Mößner (von links) sowie Planer und Investoren (mit im Publikum) stehen einer überschaubaren Anzahl an Interessierten gegenüber. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Bei der Infoveranstaltung zum Projekt auf dem „Schweizer-Areal-Süd“ ist der Betreuungsschlüssel hoch – Baurechtsamtsleiterin Simone Sauer und Bürgermeister Armin Mößner (von links) sowie Planer und Investoren (mit im Publikum) stehen einer überschaubaren Anzahl an Interessierten gegenüber. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Der Einladung, sich über das Wohnbauprojekt auf dem „Schweizer-Areal-Süd“ in Murrhardt zu informieren und über die Pläne ins Gespräch zu kommen, sind am Dienstagabend eine Reihe von Gemeinderatsmitgliedern und eine überschaubare Anzahl an Bürgerinnen und Bürgern gefolgt. Das Publikum wird zunächst einmal mit den Grundzügen und Eckdaten vertraut gemacht. Bürgermeister Armin Mößner, Julian Gärtner und Robert Schneider von der Architektenpartnerschaft Stuttgart (ARP), die sich um die Bauleitplanung kümmert, sowie Albert Schlegel von der Schlegel GmbH, die auf dem Areal ein Quartier mit rund 70 Wohnungen realisieren will, und Architekt Uwe Hermann tragen das Wesentliche zum Planungsstand zusammen beziehungsweise gehen später in die Diskussion mit dem Publikum.

Mößner beschreibt das Vorhaben, bei dem er auch die Neugestaltung des nördlichen Areals miteinbezieht, als historische Chance, spannende Aufgabe und umfangreiches Arbeitspaket. Als die Lederfabrik sich dort im vergangenen Jahrhundert etablierte, hatte der Umfang der Innenstadt noch nicht die heutigen Ausmaße, das Gebäude lag sozusagen weiter außerhalb der Kernstadt, erläutert er. Nun biete sich die Gelegenheit, ein durchgrüntes Quartier in der Nähe des Zentrums zu entwickeln.

„Nach einer Studie fehlen aktuell in Deutschland 700000 Wohnungen“, sagt der Bürgermeister. Und dass alle Kommunen aufgefordert seien, Wohnraum zu schaffen. Die Pluspunkte aus seiner Sicht: die bisher noch versiegelte Fläche teils wieder zu begrünen, ein ansprechendes Wohnquartier nahe der Murr umzusetzen, die an einer Stelle auch zugänglich gemacht werden soll ähnlich wie in der Postgasse.

Voraussetzung und Rahmen für das Projekt ist der Bebauungsplan, der nun neu aufgestellt wird. Dieses Verfahren ist auch notwendig, da die bisherige gewerbliche Nutzung der Flächen entsprechend geändert werden soll, und es ist gleichzeitig Bedingung dafür, dass es im angrenzenden nördlichen Areal weitergeht. Dort ist ebenfalls ein Vorhaben mit Wohngebäuden sowie einem Mischgebietsstreifen für handwerkliche Betriebe oder Dienstleistungen geplant, was im Moment aber aus Behördensicht aufgrund der angrenzenden Noch-Gewerbefläche nicht möglich ist.

Julian Gärtner macht klar, dass die Nähe zu Innenstadt, Nahversorgung und Bahnhof aus Sicht von ARP gute Voraussetzungen für das Vorhaben auf der Fläche seien, die von Theodor-Heuss-Straße, Obermühlenweg und Murr umschlossen wird. Mit dem Projekt könne man gleichzeitig eine Nachverdichtung umsetzen, sprich die Flächen innerhalb der Stadt zum Wohnbau nutzen und nicht die grüne Wiese. Ganz konkret sind auf den rund 8120 Quadratmetern fünf mehrgeschossige Gebäude und ein Kindergarten geplant. Sieht das Team an der Theodor-Heuss-Straße höhere Bauten mit vier Geschossen und zudem Schallschutz vor, sind es beim Kindergarten nur noch zwei Geschosse und die weiteren Häuser werden je nach Lage hin zur Murr abgestuft. Mit den Gebäuden soll der Innenhof vom Straßenlärm abgeschottet werden. Vorgesehen sind zudem eine Spielfläche für den Kindergarten, Dachbegrünung und Fotovoltaikanlagen. Zur Planung gehören weiter eine Tiefgarage mit 123 Stellplätzen, etwa 15 oberirdische Stellplätze sowie eine Wegeverbindung zum nördlichen Areal über die Murr.

Albert Schlegel unterstrich, dass dem Unternehmen nachhaltiges Bauen wichtig sei. Dazu gehöre, nur dort Beton einzusetzen, wo es gründungstechnisch oder statisch notwendig sei, ansonsten für die Gebäude aber Massiv-, also Sperrholz zu verwenden, um eine gute CO2-Bilanz zu erreichen. Erklärtes Ziel ist zudem, ans städtische Nahwärmenetz anzuschließen. Die Wohnungen seien teils auch größer geplant – bis zu 140 Quadratmeter –, um Familien mit mehreren Kindern ein Angebot zu machen, die möglicherweise kein Einfamilienhaus mehr realisieren könnten. Die Spanne der Wohnungsgrößen reicht von 36 bis 140 Quadratmeter.

Als die Runde für Fragen und einen Austausch geöffnet wird, meldet sich ein Murrhardter Bürger zu Wort, der die Nähe zum Murrufer äußerst kritisch sieht. Im Moment zeige sich der schmale Fluss von seiner harmlosen Seite, dies könne sich aber schnell als Trugschluss erweisen. „Wie haben Sie sich das geologisch und statisch überlegt?“, erkundigt er sich und erinnert daran, dass das Areal früher ein sumpfiges Gelände gewesen sei. Infrage stellt er die Gleichbehandlung mit anderen baulichen Vorhaben in Flussnähe, die teils wegen kleinster Dinge Probleme bekämen. Als weiteren Punkt merkt er an, dass 140-Quadratmeter-Wohnungen seiner Einschätzung nach eher etwas für Interessenten von außerhalb seien, sich diese also nur vergleichsweise Besserverdienende leisten könnten.

Bürgermeister Mößner erläutert, dass laut der Hochwassergefahrenkarte nur ein kleinerer Teil in Bezug auf ein 100-jährliches Hochwasser betroffen sei und er das Problem für lösbar, nichtsdestotrotz den Hochwasserschutz für wichtig halte. Der Murrhardter Bürger lässt durchblicken, dass er zudem das überörtliche Gesamtkonzept mit zwei Hochwasserrückhaltebecken in der Nähe von Fornsbach für problematisch hält, mit denen die Anwohner dort zurecht kommen müssten und die auch entstünden, um in Murrhardt entsprechend bauen zu können. In Bezug auf die Hochwasserthematik merkt Julian Gärtner an, dass im Verfahren auch Behörden wie das Landratsamt beteiligt seien, das bei Regeln und kritischen Lagen entsprechende Planungen einfordere beziehungsweise kontrolliere, was tragbar sei. „Die Behörden wie das Landratsamt sind fürs Thema sensibilisiert“, sagt Robert Schneider.

Ein anderer Zuhörer stellt fest, dass er im besagten Gebiet bisher noch kein Hochwasser erlebt, man die Schutzmaßnahmen aber schon lange geplant habe. Weniger gerechnet habe man dabei freilich mit Starkregen wie beim jüngsten Ereignis in Murrhardt, bei dem auch Gebiete wie der hoch gelegene Wolkenhof betroffen waren. Zum Wohnprojekt sagt er: „Ich finde das sehr gut. Ich bin 81 Jahre alt, lebe mit meiner Frau auf dem Linderst und überlege, wohin wir perspektivisch ziehen können.“ Insofern sehe er das Projekt für sich als Chance. Die liegt für Robert Schneider auch darin, mit einem barrierefreien Wohnquartier für verschiedene Generationen mehr Leben in die Innenstadt zu bringen, was insbesondere in Bezug auf die Zukunft des Einzelhandels ein wichtiger Aspekt sei.

Die Planer gehen auch auf weitere Detailfragen ein wie Stellplatzanzahl, barrierefreie Erschließung mit Aufzügen und den Fahrradunterstand im Innenhof, der aus ihrer Sicht ebenerdig erreichbar sein sollte. Stadtrat Wolfgang Hess gibt in puncto Stellplätze zu bedenken, dass der Kindergarten seiner Einschätzung nach vor allem von Eltern genutzt werden wird, die nicht in der Anlage wohnen, und für das Bringen der Knirpse ausreichend Parkplätze einkalkuliert werden müssten, um das übliche Chaos in dieser Hinsicht einzudämmen.

Pluspunkte sind die Nähe zu Innenstadt und Bahnhof sowie ein Projekt, das eine versiegelte Fläche des Bestands nutzt. Ein Murrhardter Bürger spricht das nahe Bauen am Murrufer und Fragen zum Hochwasserschutz sowie zur Zielgruppe an.

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Erstellt:
15. Juni 2023, 06:00 Uhr

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