Abstimmung im Bundestag
Plötzlich steht Friedrich Merz als der Verlierer da
Die Union will ihr Zustrombegrenzungsgesetz durch den Bundestag bringen – und nimmt dabei Stimmen der AfD in Kauf. Am Ende reicht es aber nicht. Kanzlerkandidat Friedrich Merz bringt das in Schwierigkeiten.
Von Rebekka Wiese und Tobias Peter
Es ist jetzt eine schwierige Stunde für Friedrich Merz, als er am Ende des Tages nach der Niederlage vor die Presse tritt. Man kann ihm ansehen, dass das anstrengende Minuten sind. Auch wenn er eine ganz andere Geschichte erzählt. Er sehe sich, sagt Merz, „sehr gestärkt, auch durch das, was wir in der Fraktion in dieser Woche entschieden haben“, sagt er. Jetzt würden die Fraktion und auch er selbstbewusst in den Wahlkampf gehen.
Die Botschaft ist das eine, die Probleme in der Realität sind das andere. Der Bundestag hat gerade gegen das Zustrombegrenzungsgesetz gestimmt, das Friedrich Merz für diesen Freitag auf die Tagesordnung gesetzt hatte – und bei dem absehbar war, dass es nur mit Stimmen der in weiten Teilen rechtsextremen AfD auf eine Mehrheit kommen könnte. Auch FDP und BSW hatten angekündigt, dafür zu stimmen. Deshalb war mit einer Mehrheit gerechnet worden. Doch es kam anders. 338 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 350 dagegen.
Ein turbulenter Tag
Es ist der überraschende Ausgang eines turbulenten Tags, ja einer außergewöhnlichen Woche im Deutschen Bundestag. Erst am Mittwoch hatte die Union erstmals im Bundestag einen Antrag beschlossen, der nur mit Stimmen der AfD auf eine Mehrheit kam. Und jetzt, an diesem Freitag, also die Abstimmung über das Gesetz.
Die Debatte war eigentlich für den Vormittag geplant. Doch kurz zuvor kündigt die FDP an, dass Gesetz in den Ausschuss zurücküberweisen zu wollen. Das würde bedeuten: Zeit für Verhandlungen, mit der Chance, dass Union, FDP, SPD und Grüne sich gegenseitig einigen. Grüne und FDP signalisieren, dass sie die Rücküberweisung für eine gute Idee halten. Die Union beantragt eine Sitzungsunterbrechung. Es dauert mehr als drei Stunden, bis es weitergeht.
In der Zwischenzeit sprechen die Fraktionsvorsitzenden erneut miteinander. ein gemeinsames Ergebnis gibt es nicht. SPD und Grüne betonen, sie wären zur Überweisung in den Ausschuss bereit gewesen. CDU und FDP werfen ihnen wiederum vor, keine echte Bereitschaft gezeigt zu haben.
Um dieses Gesetz geht es
In der Sache geht es eigentlich um das Zustrombegrenzungsgesetz. Es sieht unter anderem vor, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aufzuheben. Ziel ist auch, die Befugnisse der Bundespolizei zu erweitern, sodass sie vollziehbar Ausreisepflichtige auch ohne Genehmigung der Behörden in Abschiebehaft nehmen kann. SPD und Grüne dringen dagegen darauf, Union und FDP sollten ihr Sicherheitspaket mittragen. Und sie wollen eine schnelle Umsetzung der europäischen Asylrechtsreform.
Der Schlagabtausch ist hart. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der als Gentleman im Berliner Betrieb gilt, findet ungewöhnlich deutliche Töne. „Der Sündenfall wird Sie für immer begleiten“, ruft er der Union vom Rednerpult aus zu. „Aber das Tor zur Hölle können wir noch gemeinsam schließen.“ Gemeint ist: Noch könne die CDU vom Plan abrücken, in Kauf zu nehmen, ein Gesetz mit Stimmen der AfD zu beschließen.
Merz betont in seiner Antwort, dass seine Partei nicht mit der AfD zusammenarbeite. „Von meiner Partei aus reicht niemand der AfD die Hand“, sagt er. Es gibt Gelächter auf der linken Seite des Plenums. Die Diskussion dieser Tage seit Mittwoch gehe überhaupt nicht um den Inhalt, sagt Merz außerdem. „Sondern allein um die Bedingung, unter denen er zustande gekommen ist.“
Was die Kanzlerin gesagt hat
Er erwähnt nicht, dass es nicht nur SPD und Grüne sind, die diese Diskussion führen. Er ist im Vortag auch aus den eigenen Reihen scharf kritisiert worden. Allen voran von der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die erklärte hatte, sie halte es für falsch, „am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen“. Das alles erhöht den Druck auf die Abstimmung, die hier stattfindet. Und auf Merz persönlich.
Am Ende fehlen ihm die Stimmen von 12 Abgeordneten aus der eigenen Fraktion. Bei der FDP fehlen noch mehr Stimmen. Er gehe „all in“, hatte Merz vor einer Woche gesagt, als er sein Vorhaben ankündigte. Jetzt steht der Unionskanzlerkandidat als Verlierer da. Er sei, betont Merz aber, mit sich selbst im Reinen.