Private Studien für das Gedächtnis der Stadt

Das Ehepaar Reber und Constanze Obenland haben eine Reihe von Bildern des Murrhardter Malers Carl Obenland (1908 bis 2008) an die städtische Galerie übergeben. Sie sind in unterschiedlichen Zeiten und Kontexten entstanden und Zeugnisse seiner Kunst.

Blick ins Atelier in der Lutzensägmühle, das Constanze Obenland nach ihrem Umzug 2021 auflösen musste – unten steht eine gerahmte Fotografie von Carl Obenland. Archivbild: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Blick ins Atelier in der Lutzensägmühle, das Constanze Obenland nach ihrem Umzug 2021 auflösen musste – unten steht eine gerahmte Fotografie von Carl Obenland. Archivbild: Jörg Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. Auf einem der Porträts ist Erhard Albert Reber, den Blick zur Seite und auch nach innen gerichtet, zu sehen. Carl Obenland hat ihn 1973 in einer Studie mit Pastellkreide festgehalten. Sein Sohn Thomas Erhard Reber erinnert sich noch gut an die Entstehungsgeschichte. Als direkte Nachbarn der Familie Obenland in der Murrhardter Lutzensägmühle im Ortsteil Alm teilte man den Alltag im Flecken, bekam einiges voneinander mit. So wusste Carl Obenland, dass für den jungen Thomas Reber damals die Konfirmation ins Haus stand, und schlug vor, ihm als Geschenk ein Porträt seines Vaters zu malen. Somit hieß es für Erhard Reber, immer mal wieder vorstellig zu werden. „Ich denke, er hat schon einige Stunden gesessen“, sagt Thomas Reber und schätzt, dass sein Herr Papa ein paar Wochen investiert hat.

Reber ist von der Porträtkunst und Detailgenauigkeit Obenlands fasziniert. „Die Vorstudien gingen schon etwas schneller“, ergänzt Constanze Obenland. Die Tochter des Malers weiß sehr genau um die Anforderungen für die Modelle. Damit die Rahmenbedingungen immer die gleichen waren, hieß es, nicht nur in exakt derselben Garderobe zu erscheinen, sondern möglichst auch zur selben Uhrzeit wie zuvor. „Es ging ja auch ums Licht und oft waren die Haare das Problem“, erzählt Constanze Obenland. Ein Kniff ihres Vaters: Er hat die Position der Stuhlbeine mit Kreide angezeichnet, also ähnlich wie bei Dreharbeiten agiert. Das Thema Licht bringt Thomas Reber zu einer weiteren Geschichte – die des großen Nussbaums seiner Familie, der im Garten stand. Als der das Zeitliche gesegnet habe, hatte Carl Obenland wieder mehr Licht in seinem Atelier. Auf einem Ölbild der Rebers ist die Lutzensägmühle im Jahr 1947 zu sehen. „Es gab eine Riesenlinde, unter der die Weilergemeinschaft saß und das eine oder andere Krügle Most getrunken wurde“, sagt Thomas Reber. Die Szenerie des Elternhauses, das Porträt des Vaters sowie eine weitere Studie der väterlichen Hand übergibt er mit seiner Frau Margit nun der Stadt Murrhardt. „Die Bilder sind zu wertvoll für ein privates Umfeld“, sagt er, möchte sie in der Kunstsammlung aufgehoben wissen, wo sie für Murrhardterinnen und Murrhardter sowie Kunstinteressierte zugänglich gemacht werden können.

Zunächst hatten sie den Weg ins Haus des Murrhardter Künstlers gemacht, doch als Constanze Obenland im vergangenen Jahr beschloss, an den Bodensee zu ziehen, und das Atelier auflösen musste, kam das Thema wieder auf die Agenda. Und auch sie hat Bilder ausgesucht, die sie in die Obhut der städtischen Kunstsammlung gibt. Unter ihnen ist ein ungewöhnliches Selbstporträt des Malers: In einer Rötelzeichnung hat sich Carl Obenland in der Kostümierung des alten Fritz’ festgehalten („Der Alte geht um“) und zwar in amerikanischer Kriegsgefangenschaft im September 1943. „Sie konnten im Lager Theater spielen“, erzählt Constanze Obenland und davon, dass die Amerikaner ihren Vater, als sie um seine Gabe wussten, auch mit Malutensilien versorgt haben.

Hinzu kommen die Ölbilder ihrer Großmutter mütterlicherseits – Frida Lina Barth – sowie des Großvaters Fritz Barth. Das Porträt von Mariechen Heiske aus dem Jahr 1957 ist ebenfalls in privatem Kontext entstanden. Die junge Dame lebte mit ihrer Mutter und den Geschwistern im Haus der Familie Obenland, sie wurden damals als Flüchtlinge dort einquartiert. Eine Vorstudie für das Porträt des Unternehmers Erich Schumm schlägt die Brücke zu den Auftragsarbeiten, die für Carl Obenland wichtig waren, einen nicht unerheblichen Teil seiner Arbeit ausmachten und seine Kunst genauso widerspiegeln. Prominente aus Wirtschaft und Politik fanden sich zu ihren Sitzungen im Atelier in der Lutzensägmühle ein. „Dann kamen Jaguars und Porsche vorgefahren“, erinnert sich Constanze Obenland, „das war für die Jugend damals schon spannend.“ Und Thomas Reber ergänzt: „Er war ein wahrer Künstler und ein so freundlicher Mensch.“ Bürgermeister Armin Mößner und Kulturamtsleiter Uwe Matti freuen sich darüber, dass das Ehepaar Reber und Constanze Obenland es so ermöglichen, an Werk und Maler zu erinnern.

Zeigen einen Teil der Bilder von Carl Obenland, die in die Obhut der Kunstsammlung gegangen sind (von links): Bürgermeister Armin Mößner mit dem Selbstporträt des Künstlers, Margit Reber mit dem Landschaftsbild Lutzensägmühle, Thomas Reber mit dem Porträt seines Vaters und Constanze Obenland mit dem Bild ihrer Großmutter. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Zeigen einen Teil der Bilder von Carl Obenland, die in die Obhut der Kunstsammlung gegangen sind (von links): Bürgermeister Armin Mößner mit dem Selbstporträt des Künstlers, Margit Reber mit dem Landschaftsbild Lutzensägmühle, Thomas Reber mit dem Porträt seines Vaters und Constanze Obenland mit dem Bild ihrer Großmutter. Foto: Stefan Bossow

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Erstellt:
14. Dezember 2022, 06:00 Uhr

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