„Hart aber fair“

Rentnerin legt offen, wie viel sie zum Leben hat – „Bedrückend und traurig“

Im ARD-Talk geht es um die Generationengerechtigkeit der Rentenpolitik. Die Jungpolitiker Franziska Brandmann (FDP) und Philipp Türmer (SPD) beharken sich dabei heftig. Alle – auch der Finanzexperte Hermann-Josef Tenhagen – aber wollen eine Reform.

Der Finanzexperte Hermann-Josef Tenhagen

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Der Finanzexperte Hermann-Josef Tenhagen

Von Christoph Link

Gibt es einen Machtkampf um die Rente? Verlieren die jungen Leute bei der Rente gegen die alternde Generation der Babyboomer? Das waren bei „Hart aber fair“ am Montagabend in der ARD die Leitfragen von Moderator Louis Klamroth, der seine Sendung aber erst ausführlich mit dokumentierter Altersarmut begann. Erzählt von einer Rentnerin, die nur 709 Euro Rente erhält und eigentlich nur 280 Euro „zum Leben“ hat, gefilmt bei einer Essensausgabe der Tafel in Köln-Porz, denn ein Viertel aller Tafelbesucher sind Rentner. Aussagen von älteren Frauen, die ihr Leben lang gearbeitet hatten und jetzt „mit der Rente nicht hinkommen“, erzeugten Betroffenheit im Studio, und selbst zwei zum liberalen Spektrum gehörende Studiogäste, die die Eingangsfrage von Klamroth später bejahten, zeigten sich erschüttert. Das sei „bedrückend und traurig“, meinte der Unternehmer Georg Kofler (bekannt aus „Höhle der Löwen“). Aaber er wisse wie es sei, arm zu sein, er sei auch „von Null“ gekommen, in einem Bergdorf aufgewachsen. Und die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, gestand, diese Bilder „brechen mir das Herz“.

„Blödsinn!“ rief der Unternehmer

Nach den allgemeinen Mitleidsbekundungen war die Harmonie aber zu Ende, es entbrannte ein politischer Zweikampf zwischen Brandmann (30) und dem Juso-Vorsitzenden Philipp Türmer (28), der sich durch die Sendung zog und andere dazu brachte von „Kampfhähnen“ und „der Show der beiden“ zu sprechen. Wenn sie da Respekt vor den älteren Menschen zeige, so Türmer zu Brandmann: „Dann wäre es schön, Franziska, wenn ihr von der FDP auch mal dabei wäret etwas zu ändern.“ Man müsse den Mindestlohn erhöhen auf 15 Euro, wenn die Löhne stiegen, sei auch die Rente sicher. Es gehe nicht mehr an, dass vom Produktivitätswachstum der vergangenen Jahre nicht die Arbeitnehmer sondern die Unternehmer und Aktienbesitzer profitierten, so Türmer, der sich vom Zwischenruf „Blödsinn!“ des Unternehmers Kofler nicht unterbrechen ließ. Der Sozialdemokrat sparte überraschenderweise nicht mit Kritik an der eigenen Partei. Es gehe jetzt darum, eine gute Grundrente und Grundsicherung zu schaffen und prekäre Beschäftigungsverhältnisse zurück zu drängen, aber es sei leider die SPD gewesen, so Türmer, die mit der Agenda 2010 und den Hartz-4-Gesetzen erst „den großen Niedriglohnsektor“ geschaffen habe: „Daher sehe ich meine Partei in der Pflicht, das Problem zu lösen.“ Die beitragsfinanzierte gesetzliche Rente hält Türmer für gut, aber er will auch Kapitalerträge zur Finanzierung heranziehen, Beamte ins Rentensystem holen, Selbstständige zu Beiträgen verpflichten, und er will Rentnern mit höheren Einkommen geringere Auszahlungen gewähren zugunsten der niedrigsten Rentenbezieher.

Mehr Rentner, weniger Einzahler

„Der Vorschlag ist Scheiße“, entgegnete die FDP-Frau Brandmann bei der Idee, Beamte zu gesetzlichen Rentnern zu machen. Das bringe nur kurzfristig einen Vorteil, die demografische Welle mache ja bei Beamten nicht Halt und irgendwann seien die nicht mehr Einzahler, sondern Empfänger. Im übrigen: „Wollen wir alle den Beamten die Pensionen kürzen?“ Dem Juso-Chef warf Brandmann vor, das Äquivalenzprinzip zu missachten, wonach ein Rentner später nur das bekommt, was er auch eingezahlt hat. Für das Rentenpaket der Ampel-Regierung – Einführung einer Aktienkomponente ins Rentensystem, Festschreibung von 48 Prozent Rentenniveau bis 2030 – fordert die Juli-Vorsitzende „massive Nachverhandlungen“. Die Beschlüsse – mit denen die Beitragssätze von heute 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent in 2035 steigen werden - gingen „eindeutig auf Kosten der jungen Generation, sie ist der Lastenträger bei der Rentenreform“. Und wenn Brandmann das nicht sehe, „lebst du in einer anderen Welt“. Bei immer mehr Rentnern und immer weniger Beitragszahlern funktioniere die einlagenfinanzierte Rente nicht mehr, meinte die Liberale. Viele junge Leute fragten sich, ob sie eines Tages überhaupt einmal eine Rente erhalten. Laut einer eingespielten Statistik kamen 1962 noch sechs Beitragszahler auf einen Rentner, 1990 war das Verhältnis drei zu eins und im Jahr 2030 werden es anderthalb Beitragszahler auf einen Empfänger sein. Über das von der Ampel auf Wunsch der FDP beschlossene Garantiekapital – der Staat leiht sich Geld, um es für die gesetzliche Rentenkasse in Aktien anzulegen und später auszuschütten – will Brandmann hinausgehen. Nach schwedischem Vorbild sollten auch Beitragsanteile in Aktien fließen und zur Vorsorge beitragen. Das Veto von Sozialdemokrat Türmer folgte sofort: „Ich will nicht, dass mit der Beitragsrente spekuliert wird.“

Arme Rentner sterben früher

In der Rolle des neutralen Vermittlers trat Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Internetseite „Finanztip“, auf. Er wies daraufhin, dass die Finanzierung der gesetzlichen Rente – die Ausgaben sollen von heute fast 400 Milliarden Euro jährlich auf 800 Milliarden in 20 Jahren steigen – nur gesichert sei, wenn die Regierung auch „ihre Hausaufgaben“ mache. Dazu gehöre, 400.000 Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren und die Frauenerwerbsarbeit zu steigern. Derzeit arbeiteten Frauen im Durchschnitt nur 120 Stunden im Monat, Männer aber 155. Wenn man auf die Sicherung des Lebensstandards der Babyboomer durch die Rente hinweise, müsse man auch feststellen, dass Rentner heute 15 Prozent weniger erhielten als im Jahr 2000. „Die Rentner haben schon abgespeckt.“ Auf ein anderes Gerechtigkeitsproblem wies Tenhagen auch hin. Die beim Rentenniveau im unteren Fünftel angesiedelten Ruhegeldbezieher sterben im Durchschnitt fünf Jahre früher als die Gruppe derjenigen mit den höchsten Renten. Auf diese Weise subventionierten Arme die Reichen: „Es ist eine dringende Aufgabe, da was zu machen.“

Arbeiten bis zum Umfallen

Das Thema Lebenslänge spielte auch die Liberale Brandmann an, aber unter einem anderen Blickwinkel: Wenn die durchschnittliche Lebenserwartung steige, müssten die Menschen auch länger arbeiten. Louis Klamroth wollte das Thema am Ende noch abhandeln, kam aber nicht weit. Gefragt, wie lange er noch arbeiten wolle, sagte der 67-Jährige Kofler, sein Leben kenne das Wort Ruhestand gar nicht, er werde arbeiten bis er ein ärztliches Attest bekomme, dass er nächste Woche sterben werde. So lange arbeiten zu können sei „ein Privileg“, meinte daraufhin die Geschäftsführerin des Vereins Tafel Deutschland, Sirrka Jendis: „Viele unserer älteren Tafel-Besucher waren ihr Leben lang als Pflegekraft tätig oder im Reinigungsdient – die können einfach nicht mehr.“

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Erstellt:
22. Oktober 2024, 06:22 Uhr
Aktualisiert:
22. Oktober 2024, 14:42 Uhr

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