Artenschutz in Baden-Württemberg
Riesig und gefräßig – wer hält den Ochsenfrosch noch auf?
Seit rund 30 Jahren breitet sich das riesige Tier in den Rheinauen bei Karlsruhe aus. Taucher und Jäger spüren ihm nach. Das sei nicht genug, sagen Naturschützer. Sie sind in Sorge um die heimischen Amphibien.
Von Thomas Faltin
Man kann schon etwas erschrecken, wenn man dem Nordamerikanischen Ochsenfrosch beim Baden in einem Baggersee begegnet, so riesig ist er. Mit Hinterbeinen kann er mehr als einen halben Meter lang werden, auf die Waage bringt er mehr als ein Pfund. Zudem ist sein Leumund äußerst schlecht, denn er frisst neben Insekten, Schnecken und Muscheln auch viele stark bedrohte Frösche und Lurche und manchmal sogar Entenküken. Der Ochsenfrosch-Experte Ralph Schill von der Universität Stuttgart hält aber nichts davon, das Tier zu dämonisieren. Er formuliert es so: „Der Ochsenfrosch kann nichts dafür – bei der Größe muss er einfach einiges fressen.“
Aber für das Ökosystem hat diese invasive Art verheerende Folgen, da sind sich selbst die Naturschützer weitgehend einig. Denn viele Ochsenfrösche fressen nicht nur viel. Offenbar können dessen Kaulquappen sogar Stoffe ins Wasser absetzen, die das Wachstum anderer Amphibienlarven hemmen. Und die Art verbreitet den Chydridpilz, gegen den sie selbst immun ist, der andere Amphibien aber tötet; bisher wurde der Pilz im Südwesten aber noch nicht nachgewiesen. Auch Hubert Laufer, der vermutlich bekannteste Frosch- und Schlangenschützer Baden-Württembergs, ist deshalb zum Ochsenfrosch-Jäger mutiert: „Eine Ausrottung im Südwesten wäre noch möglich, aber die Zeit wird knapp.“
Wurde der Ochsenfrosch in den 90er Jahren bewusst ausgesetzt?
Lange Zeit wurde der Ochsenfrosch nur in einigen Baggerseen und Altarmen des Rheins nördlich von Karlsruhe gesichtet. Man vermutet, dass er in den 1990er Jahren, als man Kaulquappen noch in Zoofachgeschäften kaufen konnte, aktiv ausgesetzt wurde. Ein Gerücht hält sich in der Gegend hartnäckig, dass es ein Fachhändler war, der seinen Laden aufgab. Schon vor fünf Jahren ist die Art aber im benachbarten Rheinland-Pfalz entdeckt worden, und im vergangenen Jahr wurde er erstmals auch in einem Gartenteich im Landkreis Rastatt festgestellt. Unklar ist, ob Tiere so weit gewandert oder ob Exemplare erneut freigelassen worden sind. Das Umweltministerium sprach im vergangenen Jahr noch davon, dass die Eindämmung des Lebensraumes bisher geglückt sei. Für Rheinland-Pfalz ist sich Hubert Laufer aber sicher, dass der Ochsenfrosch den Sprung über den großen Fluss geschafft hat.
Wie auch immer, der Ochsenfrosch zählt zu den 100 problematischsten invasiven Arten der Welt und wird deshalb vom Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) aktiv bekämpft. So sind tatsächlich speziell geschulte Jäger in Booten unterwegs, die die Frösche nachts, ausgestattet mit Handleuchten, Schalldämpfern und Zielfernrohren, mit kleinkalibrigen Waffen mit speziell entwickeltem Schrot abschießen. 2022 tötete man knapp 1000 Tiere, vergangenes Jahr waren es 630, teilt Charlotte Erdmann, die Sprecherin des RP, mit. Im Mai war sogar ein Teich bei Ötigheim (Landkreis Rastatt) vom Technischen Hilfswerk leergepumpt worden, weil dort Kaulquappen entdeckt worden sind.
Bereits die Kaulquappen sind bis zu 15 Zentimeter lang
Daneben suchen Männer und Frauen des Badischen Tauchsportverbands in einigen Baggerseen bei Karlsruhe nach den bis zu 15 Zentimeter langen Kaulquappen. Diese entwickeln sich oft sehr langsam und brauchen zwei oder drei Jahre bis zum Frosch – im Winter, wenn das Wasser kalt und die Tiere langsam sind, kann man sie ganz gut mit dem Kescher fangen. Präsidentin Hannelore Brandt erzählt, dass ganzjährig etwa alle zwei Wochen eine Fangaktion mit rund zehn Leuten anstehe. Bis zu 10 000 Kaulquappen pro Jahr würden eingesammelt. Sie fügt aber selbstkritisch hinzu: „Eigentlich müssten wir mehr tun, aber mehr geht im Ehrenamt nicht.“
Hubert Laufer schätzt die Bemühungen der Taucher, hält sie aber für einen Tropfen auf dem heißen Stein – denn ein einziges Weibchen könne bis zu 25 000 Eier ablegen. Er ist deshalb sicher, dass sich der Ochsenfrosch in der Rheinebene immer weiter ausbreitet und sagt: „Das RP macht deutlich zu wenig.“ Er glaubt, wenn man fünfmal so viel Geld wie derzeit ausgeben würde, könnte man das Problem noch lösen. Mit den derzeit rund 120 000 Euro pro Jahr könne man dagegen nur die Verbreitung verlangsamen, aber nicht aufhalten. Unterm Strich sei die derzeitige Taktik deshalb teurer. Auch Charlotte Erdmann räumt ein: „In der Rheinebene mit sehr vielen Baggerseen, Verbindungskanälen und Überschwemmungsflächen kann eine Ausbreitung nicht gänzlich ausgeschlossen werden.“
Jägerteams sind jeden Tag unterwegs und gehen jedem Quaken nach
Laufer leitet seit drei Jahren selbst das Bekämpfungsprojekt in Rheinland-Pfalz. Sieben Gewässer sind dort mit Zäunen eingehegt, sodass die Frösche nicht wandern können. Manche Seen sind mit Fangeimern ausgestattet. Und vier Jägerteams seien fast jeden Tag unterwegs und würden jeder Sichtung und jedem Quaken nachgehen. Der durchdringende Ruf des Ochsenfrosches erinnert an das Brüllen eines Ochsen – daher stammt der Name.
Ralph Schill ist dagegen der Meinung, dass allein die Bejagung nicht ausreicht. Er bereitet deshalb in der von ihm gegründeten Stiftung Aquatil ein Forschungsprojekt vor – dabei soll untersucht werden, wo eigentlich die Weibchen überwintern und wie man sie finden könnte: „Wenn man ein Weibchen im Winter erwischt, spart man 25 000 Kaulquappen, die man nicht mehr fangen muss“, sagt er. Schill will deshalb Ochsenfrösche mit Sendern ausstatten, und Spürhunde sollen auf diese Tierart hin ausgebildet werden. Vermutlich buddeln sich die Frösche wie in ihrer Heimat Nordamerika in Flachwasser oder im Boden ein. In diesem Winter soll es losgehen, in zwei Jahren sollen Ergebnisse vorliegen.
Anderswo versucht man ebenfalls neue Ansätze. In Belgien etwa werden sterilisierte Frösche ausgesetzt, damit kein Nachwuchs entsteht. Aber allen Bemühungen zum Trotz: Der Ochsenfrosch, dessen Schenkel übrigens als Delikatesse gelten und der deshalb auch gezüchtet wurde, ist mittlerweile in rund 60 Ländern der Erde, und zwar auf allen Kontinenten außer Australien, nachgewiesen worden.