Neu im Kino: „Mond“

„Sancta“-Regisseurin Florentina Holzinger als Martial-Arts-Kämpferin

In Stuttgart hat sie mit ihrer „Sancta“-Inszenierung im Opernhaus Furore gemacht. Nun brilliert die Performance-Künstlerin Florentina Holzinger in ihrer ersten Filmhauptrolle: als Martial-Arts-Kämpferin in dem Thriller „Mond“, der jetzt in die Kinos kommt.

Florentina Holzinger in „Mond“

© Ulrich Steidl Filmproduktion

Florentina Holzinger in „Mond“

Von Kathrin Horster

Nur einmal, ganz kurz, ist der titelgebende Himmelskörper in Kurdwin Ayubs unheimlich stillem Thriller „Mond“ über der Wüste Jordaniens zu sehen. Auf den ersten Blick scheinen Plot und Titel unverbunden; nur eines der Rätsel, die der Film aufgibt.

Es lohnt sich aber, für dieses beim Locarno Filmfestival 2024 mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichneten Werk den Kopf anzuwerfen und um die Ecke zu denken. „Mond“ erzählt in spröden, dokumentarisch anmutenden Alltagsszenen vom Leben der Ex-Martial-Arts-Kämpferin Sarah, brillant gespielt von der Tänzerin und Choreografin Florentina Holzinger, die das Opernpublikum in Stuttgart im vergangenen Jahr mit ihrer „Sancta“-Inszenierung schockierte. In „Mond“ wird dagegen Holzingers Sarah blutig in die Knie gezwungen. Dem unwürdigen Karriere-Aus im Ring entflieht die alleinstehende Frau Mitte Dreißig in eine Anstellung als Personal Trainer nach Jordanien. Dort soll sie mehrere Wochen lang drei Schwestern stählen, engagiert von deren älteren Bruder.

Das Genre bleibt im Vagen

Sarahs Arbeitsverhältnis wirkt feudal mit Einquartierung in einer Fünf-Sterne-Hotelsuite, privatem Fahrdienst und Ausflügen in ein Edel-Shopping-Center. Doch bald drängt sich das ungute Gefühl auf, etwas stimme nicht mit Sarahs Gastgeberfamilie. Nour (Andria Tayeh), Fatima (Celina Sarhan) und Shaima (Nagham Abu Baker) behandeln Sarah zwar oft mit zickiger Herablassung, wirken aber auch verängstigt. Sarah darf weder die obere Etage der Villa betreten noch Informationen über ihren Job in den Social Media teilen. Was ohnehin nicht möglich ist, weil im Haus das W-Lan streikt.

Kurdwin Ayub, die nach ihrem Debüt „Sonne“ (2022) mit „Mond“ ihren zweiten Langspielfilm heraus bringt, könnte den Plot in einen genretypischen Horrorfilm entgleisen lassen. Oder aber ein moralinsaures Drama über die Unterschiedlichkeit von Orient und Okzident konstruieren; von weiblicher Selbstbestimmung im Westen im Gegensatz zur Ohnmacht muslimischer Frauen im arabischen Raum erzählen. Doch Ayub hält die eigene Motivation im Vagen, das ist das Faszinierende an diesem mit bewusst angezogener Handbremse inszenierten Film.

Der Mond als Metapher

Wie ein Alien lebt Sarah schon in ihrer österreichischen Heimat, neben einer Schwester, die mit reichem Mann und Baby das große Los in Sachen bürgerlicher Existenz gezogen hat. Während Sarah sich noch im reiferen Alter auf die Turnmatte knallen lässt, bloß, um abends in ihre leere, vermüllte Ein-Zimmer-Bude zurück zu kehren.

In Jordanien stapft sie ungelenk neben den orientalischen Prinzessinnen durch die Luxus-Mall, fremd sowohl in dieser speziellen Kulisse als auch in dieser Kultur, wo sich die Mädchen zum Beten in Schleier hüllen und zur einzigen Ablenkung Hochglanz-Soaps im Fernsehen schauen.

Der Mond dient also als Metapher für Sarahs Fremdsein in der Welt, für das sie schlussendlich eine radikale Lösung findet. Eine leise verstörende Erfahrung, die lange nachwirkt.

Mond. Österreich 2024. Regie: Kurdwin Ayub. Mit Florentina Holzinger, Andria Tayeh, Celina Sarhan. 93 Minuten. Ab 16 Jahren.

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Erstellt:
27. März 2025, 13:42 Uhr

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