Schlimmer Verdacht

Schädigt Mikroplastik das Gehirn?

Wenn Mikroplastik ins Gehirn gelangt, könnte dies die Durchblutung und Hirnfunktion stören, wie nun eine Studie mit Mäusen nahelegt. Bei diesen nahmen Immunzellen des Gehirns die Plastikpartikel auf und verursachten anschließend Mikrothrombosen in den Hirngefäßen.

Mikro- und Nanoplastik können wir nicht entgehen. Wir nehmen es beim Trinken, Essen und Atmen auf.

© Imago/Steinach

Mikro- und Nanoplastik können wir nicht entgehen. Wir nehmen es beim Trinken, Essen und Atmen auf.

Von Markus Brauer

Mikroplastik ist überall: auf dem Mount Everest, in der Tiefsee und sogar in der Arktis. So sind Forscher in einem Tiefseegraben im Pazifischen Ozean in 8250 Metern Tiefe massenhaft auf Mikroplastik gestoßen.

Mit Regen und Schnee rieseln die Mikro- und Nanoplastik-Teilchen aus der Luft auf die Erdoberfläche. Die winzigen Partikel werden in der Atmosphäre transportiert und können so über weite Strecken verteilt werden.

Mikroplastik ist allgegenwärtig

Die weltweite Produktion von Plastik hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren verdoppelt. Millionen Tonnen Plastik landen in der Umwelt - auf dem Land und im Meer, oft in Form von mikroskopisch kleinen Partikeln. Diese finden auch ihren Weg in den menschlichen Organismus – in den Verdauungstrakt, den Blutkreislauf und die Atemwege.

Ein Beispiel: Babyflaschen aus Kunststoff sind praktisch, leicht und stabil. Doch handelsübliche Produkte aus Polypropylen (PP) setzen beim Erhitzen und Schütteln große Mengen Mikroplastik frei. Beim Einsatz solcher Produkte nehmen Flaschen-Babys in den ersten zwölf Monaten pro Tag durchschnittlich knapp 1,6 Millionen Partikel auf.

Mikro- und Nanoplastik können wir nicht entgehen. Wir nehmen es beim Trinken, Essen und Atmen auf. Forscher schätzen, dass es bei jedem Menschen je nach Lebensumständen 0,1 bis 5 Gramm Mikroplastik pro Woche sind. Fünf Gramm entspricht dem Gewicht einer EC-Karte. Die Forscher gehen von einem Größenbereich der Teilchen bis zu einem Millimeter aus.

Wie wirkt sich Mikroplastik im Gehirn aus?

Für einige Arten von Mikroplastik wurde sogar schon nachgewiesen, dass es die Blut-Hirn-Schranke durchdringen kann und so ins Gehirn gelangt.

Doch auf welche Weise wirkt sich Mikroplastik im Gehirn aus? Um diese Frage zu klären, hat ein Team um Haipeng Huang von der Chinesischen Forschungsakademie für Umweltwissenschaften in Peking Mäusen hohe Mengen an Mikroplastik verabreicht – entweder mit dem Trinkwasser oder per Injektion.

Die Studie ist im Fachmagazin „Science“ erschienen.

How microplastics can lead to reduced blood flow and blood clots in the brainhttps://t.co/zGbx5uLVGR@ScienceAdvances as shown in mouse experimental model pic.twitter.com/KwBQQu9BKE — Eric Topol (@EricTopol) January 22, 2025

Fluoreszierendes Mikroplastik

Um den Weg der Partikel im Körper nachzuverfolgen, markierten die Forscher das Mikroplastik mit einem Fluoreszenzfarbstoff. Anschließend betrachteten sie die Blutgefäße der lebenden Mäuse unter dem Mikroskop.

Wenige Stunden, nachdem die Mäuse das Mikroplastik mit dem Trinkwasser aufgenommen oder injiziert bekommen hatten, begann es in den Blutgefäßen des Gehirns verräterisch zu leuchten. Das fluoreszierende Mikroplastik hatte die Blut-Hirn-Schranke überwunden und das Gehirn erreicht.

Fresszellen nehmen Plastikpartikel auf

Das Mikroplastik zirkulierte nicht frei im Blutstrom der Hirngefäße, sondern wurde von Fresszellen des Immunsystems aufgenommen. Diese sogenannten Neutrophilen und Makrophagen nehmen Fremdkörper wie Krankheitserreger auf, um sie zu zerstören und den Körper auf diese Weise zu schützen. Im Falle des Mikroplastiks könnte sich dieser Mechanismus allerdings verhängnisvoll auswirken.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Immunzellen, die Mikroplastik aufgenommen haben, zu Verstopfungen der Kapillaren führen“, schreiben die Wissenschaftler. Denn während die Makrophagen üblicherweise die von ihnen aufgenommenen Fremdkörper zerstören, sind sie bei Mikroplastik dazu nicht in der Lage.

Stattdessen werden die Zellen durch die Plastikpartikel unflexibler und können sich nicht mehr durch feine Blutgefäße zwängen. Einige dieser plastikbedingten Verstopfungen blieben mehr als eine Woche lang bestehen.

Auswirkungen auf Gedächtnis und Verhalten

In ihren Experimenten stellten die Forscher fest, dass die mit Mikroplastik belasteten Mäuse schlechtere Leistungen in Gedächtnistests aufwiesen und zudem motorische Störungen zeigten. Auch Symptome, die als Anzeichen für Depressionen gelten, stellten die Forschenden fest.

Welchs Resümee ziehen Experten aus diesen Erkenntnissen? „Akut würde ich für einen Menschen aufgrund dieser Studie keine Bedrohung sehen, da die applizierten Dosen sehr hoch sind und direkt ins Blut appliziert wurden“, erklärt die Pathologin Verena Kopatz von der Medizinischen Universität Wien. Die untersuchten Konzentrationen waren zudem deutlich höher als die meisten Studien beim Menschen gefunden haben.

Karsten Grote vom Universitätsklinikum Gießen zufolge ist der Mechanismus zwar auch beim Menschen denkbar. „Die Studie zeigt einen plausiblen Zusammenhang zwischen der Gabe von Mikroplastik, deren Aufnahme durch Immunzellen und einer verschlechterten Hirndurchblutung“, erläutert der Gefäßmediziner. Allerdings seien die Bedingungen beim Menschen andere.

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Erstellt:
23. Januar 2025, 09:20 Uhr

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