Schafft Olympia den Freischwimmer? den

Mit den Spielen in Paris will das IOC beweisen, dass ihre Megaveranstaltung nachhaltig funktionieren kann.

Von Eidos Import

Wenn Politiker baden gehen, ist das immer eine Nachricht wert. Bei Anne Hidalgo schaute sogar die ganze Welt zu. Die Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt kletterte vor einer Woche in die Seine, jenen Fluss, der lange als „Toilette von Paris“ verspottet worden ist – und in dem 100 Jahre lang das Schwimmen verboten war. Nun also machte Anne Hidalgo ein paar Kraulzüge, lächelte nach dem Auftauchen und rief ihrem Publikum zu: „Super! C’est géniale!“

Doch ist wirklich alles großartig? 1,4 Milliarden Euro wurden investiert, um bei den Olympischen Spielen Wettkämpfe in einem Fluss zu ermöglichen, der durch Fäkalien und Abfälle völlig verdreckt war. Sauber ist die Seine immer noch nicht, als Symbol soll sie trotzdem herhalten. Paris 2024, so die Agenda, wird nachhaltiger, umweltfreundlicher, ressourcenschonender und grüner als alle Spiele vorher. Es ist genau die Erzählung, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) braucht. Schließlich liegen harte Zeiten hinter Präsident Thomas Bach und seiner weltumspannenden Organisation.

Der Herr der Ringe, ein früherer Fechter aus Tauberbischofsheim, ist seit 2013 im Amt. Es war der Beginn einer Dekade von Olympischen Spielen, mit denen das IOC zwar Milliarden verdient hat, die aber sonst keine bleibenden Werte schufen. 2014 in Sotschi lebte Wladimir Putin seinen Hang zum naturzerstörenden Gigantismus aus, kurz nach der Schlussfeier marschierten russische Truppen auf der Krim ein. Es folgten 2016 die Korruptionsspiele von Rio, dann ging es 2018 in die südkoreanischen Berge, auch dort wurden viele Sportstätten gebaut, die seither nie wieder benutzt worden sind. Tokio 2021 fand ohne Zuschauer statt und Peking 2022 stand ebenfalls im Zeichen von Corona – wichtig war allen Beteiligten vor allem, nicht in irgendeinem Quarantänehotel zu landen. Wird Paris 2024 nun zu einer Befreiung für die olympische Bewegung? Gut möglich – wenn die passenden Maßstäbe angelegt werden.

Von seiner Vision, die Welt besser zu machen, kann sich das IOC getrost verabschieden. Kein Despot, der Krieg führen will, lässt sich durch eine Sportorganisation und deren Sanktionen davon abhalten. Dem IOC bleibt nichts anderes übrig, als mit den Folgen umzugehen. Diesmal scheint das, aller vorangegangener Kritik zum Trotz, besser gelungen zu sein als erwartet: Die Überprüfung, wie russische Athletinnen und Athleten zum Angriffskrieg in der Ukraine stehen, hat funktioniert: Nur 15 von ihnen werden in Paris starten – als neutrales Team ohne Hymne oder Flagge. Damit kann Thomas Bach weitaus besser leben als Wladimir Putin, ohne dass sich dadurch etwas zum Positiven verändert. Wegweisend könnten die Spiele in Frankreich trotzdem werden.

Schließlich haben die Organisatoren nicht nur versprochen, mit Umwelt und Klima verantwortlich umzugehen. Es gibt auch kaum Neubauten von Sportstätten, die meisten existierten bereits oder sind temporär errichtet worden. Zehn Prozent der Tickets wurden zum Schnäppchenpreis verkauft, insgesamt knapp neun Millionen Eintrittskarten abgesetzt – so viele wie nie zuvor in der Olympia-Geschichte. Zudem starten erstmals ebenso viele Athletinnen wie Athleten. Womit einige Ziele, die Bach vor zehn Jahren ausgegeben hat, erreicht sind.

Paris könnten endlich mal wieder emotionale und höchst stimmungsvolle Spiele vor begeisterungsfähigen Fans werden. Und damit eine Art olympischer Neuanfang, mit dem das IOC zeigen will, dass selbst eine derartige Sport-Megaveranstaltung eine Zukunft haben kann. Ob dieses Freischwimmen gelingt? Werden die zwei nächsten Wochen zeigen. Vielleicht geht am Ende ja auch Thomas Bach in der Seine baden.

Zum Artikel

Erstellt:
25. Juli 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
26. Juli 2024, 21:45 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen