Selbstverteidigung der Ukraine
Schlechte Nachrichten im Drohnenland
Tech-Milliardär Elon Musk gilt nicht als Freund der Ukraine. Die Verteidiger aber benötigen dessen Satelliten zum Überleben. Endet mit US-Präsident Donald Trump die Nutzung von Starlink, wären die Folgen für die Ukraine katastrophal – wie ein Besuch bei Drohnen-Soldaten an der Front zeigt.
Von Till Mayer
Der zweite Anlauf ist ein Erfolg. Die Kamikaze-Drohne steht noch kurz in der Luft, bevor sie in den Bunkereingang einer russischen Stellung fliegt. Die Explosion ist nicht zu sehen, stattdessen Rauschen vom Bildschirm. Vorm Bunker einer ukrainischen Stellung haben Drohnen-Piloten einen Pad als Monitor aufgestellt, auf dem in Grauton die Aufnahmen der Drohnen zu sehen sind. Es sind traurige Bilder. Endlose Felder, die von hunderten Einschlägen berichten, deren Trichter sich wie Pockennarben über das Gelände ziehen. Eine Bauernkate, die nur noch Ruine ist, das Dach weggesprengt, die Mauern zusammengebrochen.
Das Pad der Drohnen-Soldaten steht gleich neben den ins Erdreich gehauenen Stufen, die hinunter in den Waldboden führen. Der Bildschirm zeigt, was der Drohnen-Pilot mit seiner VR-Brille sieht. „Treffer“, ruft der 23-jährige Soldat, mit Kampfnamen Rakhmon. Sergej blickt zufrieden. Auf sein Smartphone hat ihm die Aufklärung Aufnahmen geschickt, auf denen die russischen Stellungen mit Farbe eingezeichnet sind. Als Co-Pilot hilft er, Rakhmon das Ziel zu finden.
Mit hellem Surren in Richtung Feind
Vitali steht fünf Meter entfernt und nickt den beiden zu. Der 38-Jährige hat seine Sturmmaske über Wangen und Kinn gezogen. Es ist kalt, Schneeflocken wirbeln durch die Luft. Wie ein Ritter wirkt der Soldat mit Helm, Schutzweste und Gefechtsjacke. Er steuert mit dem Joystick eine wuchtige Drohne zum nahen Landeplatz, einem Stück Wiese. Die Stellung liegt wenige Kilometer vom schwer umkämpften und völlig zerstörten Tschassiw Jar entfernt. Die große Drohne geht in die Luft, um die Leitsignale des Drohnenpiloten an die kleinen und wendigen Kamikaze-Drohnen zu verstärken. Die mit hellem Surren in Richtung Feind fliegen. Eine davon hat gerade zwei Kilometer entfernt den russischen Erdbunker gesprengt.
Das Trio hält sich nur kurz außerhalb des Bunkers auf. Es könnte selbst Ziel werden. Dumpfe, grollende Einschläge sind zu hören, der permanente der Klang des Kriegs. Oft genug haben die drei Soldaten das Beben der Erde gespürt. Sie steigen die Stufen hinab in den Bunker. Knapp drei auf 2,5 Meter dürfte er messen. Zwei Hochbetten aus groben Brettern lehnen an den Wänden. Schwere Baumstämme sichern die Decke. Zwischen den Betten ein Tisch. Sergej zurrt die Granate einer Panzerfaust mit Kabelbindern auf eine der Drohnen, schließt sie an den Zünder an. Bald startet ihr nächster Angriff.
Seine Kameraden lesen die Nachrichten auf ihren Smartphones. Trumps Sieg in den Präsidentschaftswahlen ist dominierendes Thema. Eine niederschmetternde Nachricht. Trump, der klar gemacht hat, dass er die Unterstützung der Ukraine herunterfahren wird. Der den Nutzen der Nato für sein eigenes Land anzweifelt. Der wohl Druck machen wird, dass der Krieg „eingefroren“ wird. Doch das „Einfrieren“ des Kriegs hat schon ab 2014 nicht funktioniert, als Russland das Töten in den Donbass trug. Die Invasion vom 24. Februar 2022 ist der Beweis.
Ein wankelmütiger Freund
Für die Ukraine ist klar: Putin würde einen Waffenstillstand bloß nutzen, um die russische Rüstung weiter hochzufahren. Der große Krieg würde dann erst kommen. Mit einem erneuten Angriff auf die Ukraine, dann auf die baltischen Staaten und Polen. Putin hat bereits fundamentale Verträge gebrochen. 1994 war die Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die drittgrößte Nuklearmacht der Welt. Im Rahmen des Budapester Memorandums übergab sie ihre Atomwaffen an Russland, das zusammen mit den USA und Großbritannien im Gegenzug weitreichende Sicherheitsgarantien gab. 2014 marschierten russische Truppen in die Ukraine ein, auf die Krim und in den Donbass.
Die ukrainische Armee ist auf die Satellitenunterstützung von Starlink angewiesen. Und Starlink gehört Elon Musk. Der reichste Mann der Welt ist ein Fan von Trump und hat Lügen des Kremls mit eigenen Posts wiederholt und verbreitet. Während der ukrainischen Offensive im Oblast Charkiw klagten 2022 ukrainische Drohnenpiloten an der Front über die plötzliche Begrenzung des Datenflusses von Starlink. Elon Musk erwies sich schon da als wankelmütiger Freund. Beendet oder begrenzt Trump die Unterstützung der Ukraine, dürfte Starlink komplett und ersatzlos ausfallen: der Horror für die ukrainischen Verteidiger.
Im Bunker des Trios beispielsweise läuft das Internet schnell und zuverlässig über Starlink. Die Drohnen selbst werden über Radiowellen gesteuert, aber Starlink ist unerlässlich für die Kommunikation zum Beispiel zwischen Feuerleitstelle, kämpfenden Einheiten und Drohnenpiloten: Neben Kamikaze-Drohnen spielen Aufklärungsdrohnen als Augen der Artillerie eine entscheidende Rolle. Ihre Daten laufen über Starlink. Ohne sie könnte sich die ukrainische Front nicht lange halten.
Politik – diese dreckige Sache
Der Einsatz von Drohnen ist kriegsentscheidend geworden. Über den Köpfen der Soldaten an der Front ist ein grausamer Wettlauf entstanden. Drohnen mit Nachtsichtkameras, künstlicher Intelligenz - der fliegende Tod wird immer ausgereifter. Derweil läuft am Boden der Wettlauf mit Radiowellen, die Drohnen abzufangen. Wer in der Entwicklung am schnellsten vorankommt, triumphiert auf dem Schlachtfeld.
„Politik ist meist eine dreckige Sache“, sagt Vitali leise. Mehr will er zu Trumps Wahlsieg nicht sagen. Statt der Sturmmaske sieht man jetzt ein freundliches Gesicht. Der 38-Jährige erzählt, wie er elf Jahre lang in Tschechien hart auf dem Bau gearbeitet hat, um seiner Familie, seiner Frau und seinem Sohn, in Transkarpatien ein gutes Leben zu sichern. Vitali wollte eine eigene kleine Spedition gründen. Auf seinem Smartphone zeigt er Angebote von gebrauchten Trucks. In der Enge des Bunkers berichtet er von der Weite des Unterwegs-Seins, von einem grenzenlosen Truckerleben, von Freiheit. „Mein Vater war schon Lkw-Fahrer. Ich hatte auf einen Laster gespart. Es kam zu keinem Kauf. Kaum einen Monat zurück, da begann die Invasion der Russen“, berichtet Vitali. Er meldet sich freiwillig zur Armee.
„Ein Leben ohne Freiheit, was ist das wert? Darum kämpfe ich“, sagt der Soldat. Dann zieht er wieder seinen Sturmhaube über dem Helm auf. Sergej bringt die Kamikaze-Drohne an die Erdoberfläche, Vitali startet die Unterstützungsdrohne. Rakhmon steuert die Kamikaze-Drohne, die pfeilschnell in den grauen Himmel verschwindet. Drei weitere Drohnen werden die Soldaten später im Laufe des Tages starten. Sie haben an diesem Tag keinen Treffer mehr. Russische Störsender sind erfolgreich. Auf dem Monitor verschwinden in Zielnähe die Bilder des Flugs in grauen Flächen und im Bildrauschen.
„Der Krieg lehrt Geduld. Und wir hatten einen Treffer“, sagt Vitali. Im Schutz der Dunkelheit werden die Soldaten abgeholt. Ein Geländewagen brettert mit großer Geschwindigkeit heran. Es muss schnell gehen. Drei Kämpfer der nächsten Schicht springen aus dem Auto und marschieren mit schnellen Schritten in den Bunker. Sergej, Rakhmon und Vitali klettern in das Fahrzeug. Das braust über schlammige Fahrrillen durch die Dunkelheit. In drei Tagen wird das Trio wieder zurückkehren. „Wir können alles schaffen, wenn wir alle ohne Streit zusammenhalten. Als Ukrainer und als Europäer“, sagt der 38-Jährige zum Abschied.