Stahlindustrie
Scholz will kriselnder Stahlindustrie helfen - aber wie?
Von besinnlicher vorweihnachtlicher Stimmung kann in der Stahlindustrie nicht die Rede sein. Die Lage ist angespannt. Die Branche fordert schnelle Entscheidungen.
Von Von Andreas Hoenig, dpa
Berlin - Globale Überkapazitäten, Dumpingpreise vor allem aus Fernost, hohe Energiekosten, schwierige "grüne" Transformation: Die Stahlindustrie steckt in schwierigen Zeiten. "Das Jahr 2025 entscheidet über das Schicksal der deutschen Stahlindustrie", sagte der Gesamtbetriebsrat von Deutschlands größtem Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte der Branche nach einem Stahlgipfel in Berlin Unterstützung zu. Er ist aber in einer schwachen Position, die rot-grüne Bundesregierung hat nach dem Scheitern der Ampel-Koalition keine Mehrheit mehr im Bundestag.
Stahlindustrie in der Krise
Scholz hob nach einem Treffen mit Branchenvertretern, Betriebsräten und Gewerkschaften im Kanzleramt die Bedeutung der Stahlindustrie hervor. "Der hier produzierte Stahl ist von höchster geostrategischer Bedeutung für die Industrieproduktion in Deutschland und damit für unser wirtschaftliches Wachstum."
Deutschland ist der größte Stahlhersteller in der EU. Wichtigste Abnehmer sind laut Branche die Bauindustrie, die Automobilindustrie und der Maschinenbau. Ende September waren in der Branche laut Statistischem Bundesamt rund 71.000 Menschen beschäftigt.
Doch die Unternehmen sind in einer schwierigen Lage. Thyssenkrupp Steel hat im November angekündigt, dass die Zahl der Arbeitsplätze im Stahlbereich innerhalb von sechs Jahren um 11.000 auf dann noch 16.000 Stellen schrumpfen soll. Arbeitnehmervertreter und die IG Metall drohen mit langanhaltendem Widerstand.
Die Gewerkschaft wehrt sich auch gegen eine mögliche Übernahme des Stahlkonzerns Salzgitter durch die Unternehmen GP Günter Papenburg und TSR Recycling. Die IG Metall befürchtet erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigung, sollte Salzgitter seine Unabhängigkeit verlieren.
Scholz sucht nach Lösungen
Konkrete Ergebnisse gab es beim Stahlgipfel wie erwartet nicht. Scholz bekräftigte Pläne der rot-grünen Bundesregierung, die Netzentgelte zu dämpfen und energieintensive Firmen damit bei den Stromkosten zu entlasten. Dafür braucht er aber Unterstützung aus der Opposition.
Die Union hat Plänen bereits eine Absage erteilt. Scholz schloss auch eine Staatsbeteiligung bei Thyssenkrupp Steel nicht aus. Er sagte der Funke Mediengruppe: "Ich nehme jetzt keine Option vom Tisch."
Auf EU-Ebene setzt sich Scholz für einen zeitnahen europäischen Stahlgipfel ein, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte. Wichtige Entlastungsinstrumente für die Stahlindustrie müssten bestehen bleiben oder verbessert werden. Die Kommission müsse entschlossen handeln, wenn es um Wettbewerbsverzerrungen durch Dumping und Subventionen gehe. Die EU-Behörde müsse weitere handelspolitische Schutzmaßnahmen prüfen. Auf EU-Ebene sind aber keine schnellen Ergebnisse zu erwarten.
Stahlindustrie erwartet Entlastungen
"Die Stahlindustrie in Deutschland ist akut bedroht durch unfairen Wettbewerb auf den Weltmärkten", sagte Gunnar Groebler, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. "Deshalb ist dringend ein wirksamer Außenhandelsschutz nötig, um staatlich subventionierten Exporten aus Drittstaaten einen europäischen Riegel vorzuschieben." Es sei höchste Zeit für einen europäischen Stahlgipfel, bei dem entsprechende Maßnahmen klar und verbindlich auf den Weg gebracht werden.
Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, sagte, die von der Bundesregierung geplante Deckelung der Stromnetzentgelte bei drei Cent dürfe nicht erst mit der nächsten Regierung umgesetzt werden. "Wir brauchen jetzt einen international wettbewerbsfähigen Strompreis."
Tekin Nasikkol, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Thyssenkrupp Steel Europe AG, forderte, gezielte industriepolitische Maßnahmen müssten sofort auf die Tagesordnung kommen und umgesetzt werden. "Sonst verlieren wir in unseren Schlüsselindustrien immer mehr an Wettbewerb und somit an Zukunft."
Grüner Umbau
Die Stahlindustrie ist einer der größten CO2-Emittenten. Die Bundesregierung fördert den "grünen" Umbau mit Milliardensummen. Die Stahlindustrie ist dafür auf große Mengen von Wasserstoff angewiesen. Beim Aufbau eines Versorgungsnetzes aber drohen Verzögerungen. Thyssenkrupp-Chef Miguel López hatte einen schnelleren Aufbau eines Wasserstoff-Pipelinenetzes in Europa gefordert.
Union spricht von "Show-Gipfel"
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner, sprach von einem "Show-Gipfel" im Kanzleramt. "Die Restampel hat keine Mehrheit mehr und kann nichts mehr aus eigener Kraft umsetzen."
Der Linke-Wirtschaftspolitiker Jörg Cezanne sagte, die Ampel habe in zwei zentralen Punkten versagt. Es sei kein Industriestrompreis umgesetzt worden, und es sei nicht für eine Streckung der Netzentgelte durch Kredite gesorgt worden: "Jetzt laufen viele Elektrostahlkocher akut Gefahr, durch diese Kostenexplosion pleitezugehen."