Seine Bilder sind wie gemalte Feuerwerke
40 Gemälde, die bisher noch nicht dem breiten Publikum gezeigt worden sind, umfasst die gestern eröffnete Sonderausstellung „Heiner Lucas – Malerei“ zum 80. Geburtstag des Kunstmalers in der städtischen Kunstsammlung Murrhardt.
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Eine überwältigend große Publikumsresonanz findet gestern Vormittag die Vernissage der Sonderausstellung „Heiner Lucas – Malerei“ zum 80. Geburtstag des Kunstmalers Heiner Lucas. Bei der Ausstellung war Kulturamtsleiter Uwe Matti erstmals als Kurator tätig. Der Heinrich-von-Zügel-Saal und die städtische Galerie sind so proppenvoll, dass zahlreiche Gäste keinen Sitzplatz mehr finden.
Überwältigend in ihrer Farbenpracht und Detailfülle sind die 40 Kunstwerke, von denen die meisten erstmals der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Als „ein auf den ersten Blick strahlend farbiges Gewimmel von gegenständlichen Motiven, die oft von Zeichengesten überzogen erscheinen“ beschreibt sie Thomas Milz in seiner Einführung. Das Herausfordernde an den Gemälden von Heiner Lucas sei ihre Undurchdringlichkeit: Auf ihnen „findet eine filigran-monumentale Gleichzeitigkeit statt von Geschichte, Kunstzitaten, Texten, Landschaften und Städten, häuslichen Interieurs und kosmisch strahlenden Ausblicken“, stellt der mit dem Künstler befreundete freie Journalist und Dramaturg aus Schorndorf fest. Allerdings haben diese Elemente bei Lucas keinen Raum und keinen Horizont, sondern bleiben „mit heroischem Realismus auf der Fläche gebannt“.
Immer wieder hat Heiner Lucas sich in seine Bildvisionen mit Selbstporträts eingeschrieben. Diese weisen jedoch eine auffällige Besonderheit auf: Sie sind fragmentiert und angeschnitten, meist ist nur ein Auge zu sehen, dazu die Nase und der geschlossene Mund. Dieses eine Auge markiert laut Milz den Blick des Zeitzeugen seiner Geschichte, das abwesende Auge stehe für ein Dahinter, die Rückseite des Sichtbaren. Die Gemälde erscheinen in ihrer stoffreichen Fülle wie bergende und schützende, aber auch abweisende Vorhänge. Auf ihnen streiten Erscheinen und Verschwinden, Erinnern und Vergessen miteinander erbittert um Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Aber hinter dieser sinnlichen Fülle ist zugleich eine transzendente Leere zu spüren.
Als „betörendes Spiel mit dem Sog des Unendlichen“ umschreibt Thomas Milz ein Bild, das vier Bilder in einem enthält, die „im Schlund der Geschichte“ immer kleiner und unsichtbarer werden. Es zeigt den angeschnittenen Kopf des Künstlers ohne Augen, in den ein Blumenstillleben ragt. In dieses scheint wiederum eine Schwarz-Weiß-Fotografie seines Vaters in dessen Atelier geheftet zu sein. Und in dem Atelier steht eine Staffelei mit einem Gemälde von dessen Frau.
In diesem Bild habe der Künstler einen dissonanten Zusammenklang komponiert aus „Wahrnehmungsscherben“ persönlicher Erinnerungen, politischer Geschichte und kontingenten Fluchterscheinungen. Aber beim Festhalten des Augenblicks könne bei Heiner Lucas auch „überirdische Schönheit“ und „harmonische Farbenmusik“ entstehen. So beispielsweise in einem weiteren Gemälde, das leuchtend rote Kirschen zeigt – pralle, süße Früchte, die paarweise auf einer Tafel angeordnet sind: „ein glutvolles Sommer- und Glücksversprechen“. Auf den Oberflächen aber leuchten uns magische Spiegelungen von gleißend weißem Licht an, gebrochen durch ein Fensterkreuz, umschreibt Thomas Milz die faszinierende künstlerische Kreativität von Heiner Lucas.
Seit mehr als vier Jahrzehnten lebt und arbeitet der Kunstmaler in Murrhardt. In seinen durchdachten Bildern, die wie farbenfrohe, ausdrucksstarke Feuerwerke wirken und eine Fülle liebevoll gestalteter Details zeigen, stellt er Zeitgeschichte und persönliche Erlebnisse dar. Von seinem Atelier aus blickt er auf die Stadt und das Murrtal: Dieser Ausblick ist ein häufig wiederkehrendes Bildmotiv, denn es biete dem Künstler ideale Voraussetzungen für immer neue Ideen, Impulse und Inspirationen, berichtet Bürgermeister Armin Mößner.
Mit fantasievollen Klang- und Jazzimprovisationen als „Geburtstagsständchen“ für Heiner Lucas umrahmen die mit ihm befreundeten Musiker Kurt Enßle am Klavier und Saxofonist Ekkehard Rössle die Vernissage am Sonntagvormittag.
Ausstellung Die Sonderausstellung ist bis 30. Juni an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Die meisten der gezeigten Werke sind verkäuflich. Der Eintritt beträgt drei Euro, ermäßigt 1,50 Euro für Schüler und Studenten.