Selbst genähte Masken als Zeichen der Wertschätzung
Dagmar Reuß möchte durch ihre private Aktion den Murrhardter Einzelhandel unterstützen und hat rund 100 Exemplare verteilt.

Farbenfroh und waschbar. Der Vorteil von Stoffmasken ist, dass sie sich auch länger verwenden lassen.
Von Christine Schick
MURRHARDT. Es hat klein angefangen, sich einfach entwickelt, war nicht geplant. Wie die meisten haben Dagmar Reuß Corona und der Lockdown kalt erwischt, die Zeit, als das soziale Leben auf Abstand zu gehen hatte. Dann kamen die ersten Anpassungsversuche und Überlegungen, wie der Alltag beziehungsweise ein neuer Alltag aussehen soll und Fragen des Schutzes am besten gelöst werden können – Maske, Plexiglasscheibe, Abstandsregeln. Dagmar Reuß musste während dieser Phase an ihre Reise nach Vietnam vor einigen Jahren denken. „Dort tragen die Menschen generell Masken, was vor allem mit dem Feinstaub zu tun hat“, erzählt sie, und sie erinnerte sich an den Schnitt der Masken, der bequem ist und gleichzeitig eine gute Passform hat. Sie setzte sich an die Nähmaschine und fertigte zunächst für sich und ihren Mann ein alltagstaugliches Modell an. Auch der Gedanke, keine Einwegmasken zu verwenden und Müll zu vermeiden, spielte eine Rolle.
Als der Lockdown zurückgenommen wurde und erste Lockerungen griffen, schauten die beiden im Landgasthof Krone in Fornsbach vorbei. Das Gespräch kam auf das neue Kleidungsstück, das nun zur Grundausstattung mit dazugehört. Weil das Modell dort Anklang fand, nähte Dagmar Reuß den Wirtsleuten Ursel und Rudi Pfitzer sowie der Bedienung eine Maske – nach dem bewährten, vietnamesischen Schnittmuster. „Sie wollten mir etwas dafür geben, aber ich hab gesagt, das geht überhaupt nicht“, erzählt sie und beschloss, auch dem Kollegen – dem Betreiber von Haus Herrmann, Ulrich Laubenberger, in Fornsbach – eine Maske vorbeizubringen.
Man ahnt es schon. Es bleibt nicht dabei. Auch Bäckerei und Metzgerei wurden bedacht und die abendlichen Sessions an der Nähmaschine länger. Dagmar Reuß schaute bei Einzelhändlern in Murrhardt vorbei, machte Besuche und verschenkte die selbst genähten Modelle an die Personen, die hinter der Ladentheke stehen. Es geht ihr vor allem um Wertschätzung. „Ob Mitarbeiter oder Inhaber, diese Menschen sind jeden Tag für uns da, um unsere Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen. Das ist wahrhaftig keine einfache Zeit“, sagt sie. Neben der Konkurrenz des Online-Handels, die sich noch verstärkt, kommen nun Auflagen, Mehrausgaben für Schutzmaßnahmen und rückläufige Einnahmen hinzu.
Dagmar Reuß – als Bilanzbuchhalterin hat sie nicht diesen direkten Kundenkontakt, wie sie berichtet – möchte mit ihrer Tour durch die Läden einfach ein kleines Zeichen setzen. Ihr ist klar, dass die Menschen im Einzelhandel dieser Tage (noch mehr) Geduld brauchen und einiges aushalten müssen. „Manche haben mich verwundert angeschaut“, sagt sie. Manche waren auch ein wenig skeptisch, Masken geschenkt zu bekommen. Die Fornsbacherin spürte eine gewisse Vorsicht, doch nach einem ersten Gespräch erzählten viele von ihren Sorgen und Nöten, berichtet sie. Das spornte sie auch in der Produktion noch mal an. Mit Abschluss ihrer Aktion zum Ende des Monats sind es nun 101 Masken, 40 Stunden Nähzeit, 50 Meter Gummiband, viele Meter Stoff und zahlreiche Fadenrollen. Einen Anspruch auf lückenlose Versorgung kann es allerdings nicht geben. Sie weiß, dass sie den einen oder anderen Dienstleister und Händler nicht berücksichtigen konnte. „Es ist mir bewusst, dass nicht jeder eine Maske bekommen hat. Man möge mir das nachsehen.“ Trotzdem ist ihr die Geste wichtig. „Ich finde, die Leute haben es verdient. Wir sollten es schätzen, bei ihnen einkaufen zu können.“ Mit ihrer Aktion will Dagmar Reuß auf die schwierige Situation des Einzelhandels aufmerksam machen und sich auf ihre persönliche Art bedanken.

Freitags, wenn Dagmar Reuß etwas früher Schluss hat, kann sie bei dem einen oder anderen Einzelhändler in der Stadt vorbeischauen. Hier bekommt Christian Lätzig (links) eine Maske. Fotos: C. Schick/privat