Selten gespielte Stücke, ausgefeilt serviert
Das Ensemble Ventustella hat sich der Barockmusik verschrieben. Beim Konzert in der Murrhardter Stadtkirche präsentiert das Quartett ein stimmiges Programm von Werken, die nicht oft zu hören sind. Die Darbietung überzeugt und nutzt den Kirchenraum auf besondere Weise.
Von Petra Neumann
Murrhardt. Passend zur einsetzenden Frühlingsblüte stand in der Stadtkirche ein ganz besonderes Konzert auf dem Programm, das „Musikalische Bilder aus der Natur“ zum Motto hatte. Den Abend präsentierte das Ensemble Ventustella, das den Wind und die Sterne gleichsam im Namen trägt, sich auf barocke Musik spezialisiert hat und hinter dem Anna-Maria Wilke (Sopran und Gambe), Isabel Röbstorf (Blockflöten und Barockoboe), Esther Esch (Blockflöten) und Peter Kranefoed (Cembalo) stehen. Die Mitglieder hatten ein sehr feines Programm zusammengestellt, mit Komponisten, die nicht auf jeder Programmliste stehen.
Die Königin des Vogelgesangs ist die Nachtigall und ihr widmete der Komponist Reinhard Keiser (1674 bis 1739) sein Stück „Du angenehme Nachtigall“. Virtuos imitierten die Flöten, aber auch die wunderschöne Sopranstimme Anna-Maria Wilkes die feinen Strophen des kleinen und unscheinbaren Vogels. Im Gegensatz zum wehmuts- und auch etwas vorwurfsvollen Text kreiselt die Melodie, hüpft wie ein munteres Vöglein, ahmt das Echo nach und gibt sich unbeschwert dem unverfälschten Sein hin.
Dem holländischen Glockenspieler und Blockflötenvirtuosen Jacob van Eyck (1590 bis 1657) wiederum hatte es eine schöne Schäferin angetan, nämlich „Philis schoone harderinne“. Phillis ist eigentlich eine Gestalt aus der griechischen Mythologie, die sich aus Liebeskummer selbst getötet hat. Das Thema der Pastorale war damals sehr beliebt. Geschickt nutzte die Flötistin Esther Esch den Murrhardter Kirchenraum aus, um die akustische Wirkung zu verändern. So wirkt der Klang der Flöte einsam, wie von Ferne und allein, als wäre um sie herum alles Stille geworden und sie gleichsam von allem isoliert, so wie es Trauernde oft sind. Doch in all ihrem Kummer drückt sich auch eine zarte, nahezu transzendente Schönheit aus.
Auch Philomela ist eine tragische Gestalt aus dem mythologischen Schatz der antiken Griechen. Sie wird verschleppt, missbraucht und ihrer Zunge beraubt. Gleichwohl wird in der Komposition „Philomelle revient“ von Thomas-Louis Borgeois (1676 bis 1750) die Geschichte verändert. Dort kommt sie zurück in den Wald und bezaubert mit ihrer wundervollen, göttlichen Stimme dessen Bewohner, die ihr ergriffen lauschen und sich von ihrer erhabenen und beseelten Ausdruckskraft, die sich über der kunstvollen Melodie erhebt, verzaubern lassen.
Ein schönes Liebeslied ist auch „Mein Freund komme in seinen Garten – Gelinder West, komm, komm zu mir“. Es wurde von verschiedenen Notensetzern vertont, darunter auch Johann Kuhnau (1660 bis 1722). Es erzählt, wie seine Schöne sehnsuchtsvoll dort auf den Angebeteten wartet. Erneut überzeugte Anna-Maria Wilke mit ihrer Interpretation – vielleicht nicht den Besungenen, aber das Publikum in der Kirche.
Von Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) hatte sich das Ensemble gleich drei Werke ausgesucht, unter ihnen die „Triosonate c-Moll“, die mit einem sehr nachdenklichen und elegischen Largo beginnt, das jedoch vergleichsweise schnell von einem beschwingten Vivace abgelöst wird. Es ist zwar lebhaft, doch nicht überschwänglich, gleichwohl heiter und hoffnungsfroh. Die fein ineinander verwobene Melodie ist dabei äußerst kunstvoll ausgearbeitet. Das Grave ist getragen, nicht frei von emotionalem Schmerz, doch gefasst und gereift. Die drei Sätze kumulieren in einem wunderbaren Allegro, das von äußerster Raffinesse ist. Die Kunst der höfischen Musik drückt sich in eleganten, flinken und spielerischen Notenakzenten aus und gewinnt so etwas Strahlendes.
Das Ensemble begeisterte die Zuhörerinnen und Zuhörer in der Stadtkirche mit seiner eindrucksvollen Darbietung. Da stimmte einfach alles – das Cembalo, das zurückhaltend den Klangteppich webte, aus dem der wunderschöne Gesang und das ausgefeilte Flötenspiel emporsteigen konnten und den Kirchenraum zum Klangkörper einer nahezu magischen Musik machten.