Sorgenkind und schützenswerter Kosmos
Kreisforstamtsleiterin Dagmar Wulfes sowie die Revierförster Dieter Seitz und Philipp Dölker berichten im Gemeinderat darüber, wie die Lage des Murrhardter Stadtwalds ist. Der Holzerlös fällt geringer aus, die Schutzfunktion der Wälder ist aber allgemein von großer Bedeutung.
Von Christine Schick
Murrhardt. Murrhardt hat im Vergleich zu anderen Kommunen im Kreis einen vergleichsweisen großen Stadtwald. So ist der Holzeinschlag und -verkauf mit entsprechendem Betriebsplan und der Frage, wie viel der Erlös zum städtischen Haushalt beitragen kann, auch seither Thema im Gemeinderat. Allerdings kommt dem Wald mit Blick auf den Klimawandel auch eine wichtige Schutzfunktion zu. Zwar ist er genauso Opfer zunehmender Hitze, Trockenheit und der Folgen wie Borkenkäferbefall, gleichzeitig gilt es, ihn als Lebensraum und somit auch seine Funktion als lebendiger Kohlenstoff- sowie Wasserspeicher zu erhalten. Dies machten Kreisforstamtsleiterin Dagmar Wulfes und die Revierförster Dieter Seitz sowie Philipp Dölker bei ihrem Besuch im Murrhardter Gemeinderat anlässlich des Forstbetriebsplans für 2024 deutlich.
Strategien der Forstfachleute mit Blick auf den Wald als Wasserspeicher
Dagmar Wulfes warf einen Blick darauf, wie sich der Holzpreis über die Jahrzehnte entwickelt hat. Am Verlauf zeigt sich, wie er bei Sturm- und Hitzeereignissen regelmäßig einbricht. Fürs kommende Jahr rechne man nur noch mit einem moderaten Plus – rund 27900 Euro. Klar ist aber auch, dass der Wald ein schützenswertes Gut ist. Das Kreisforstamt beschäftigt sich dabei zurzeit vor allem mit dem Thema, wie sich der Wald als Wasserspeicher erhalten und unterstützen lässt. Nach Wulfes spielt dabei eine moderate Durchforstung, wie die Fachleute sagen, eine Rolle. Diese sieht einen Abstand zwischen den Bäumen vor, der auch Niederschlag bis zum Boden durchdringen, aber gleichzeitig nicht zu viel Wärme eindringen lässt, sodass die Verdunstung wieder steigt. Zu den Maßnahmen gehöre auch, kleine Stillgewässer anzulegen und beispielsweise Furchen, die auf Waldwegen beim Holzrücken entstehen und sich mit Wasser füllen, nicht wieder einzuebnen. „Wir lassen das bewusst stehen, weil das beispielsweise für Gelbbauchunken ein idealer Ort ist“, sagte Dagmar Wulfes. Das, was dann wie ein unordentlich hinterlassenes Waldstück wirke, sei vielmehr eine Entscheidung für den Naturschutz. Die falle umso mehr ins Gewicht, weil die Waldbrandgefahr durch Hitze und Trockenheit steige. Auch im Stadtwald habe es in letzter Zeit einige Brände gegeben. „Wir vermuten, dass es sich bei den Fällen um Brandstiftung handelt, einen Beweis dafür haben wir allerdings nicht“, so die Kreisforstamtsleiterin. Generell sei die Freiwillige Feuerwehr Murrhardt mit Unterstützung der Landwirte in Bezug auf die Brandbekämpfung gut aufgestellt.
Als Sorgenkind bezeichnete Wulfes die Tanne, die neben der Hitze und Trockenheit auch mit der Tannenmistel zu kämpfen hat. Gegen solch einen Befall, der dem Baum das Wasser nimmt, können die Forstleute aufgrund der Höhe nichts ausrichten. Dagmar Wulfes wies zudem auf den neuen Wildtierbeauftragten und die bevorstehende Forsteinrichtung hin, bei der die Planung für die kommenden zehn Jahre festgelegt wird. Dieter Seitz ließ das Jahr Revue passieren. Die erste Wertholzsubmission in Murrhardt, bei der Stämme aus städtischen und privaten Wäldern angeboten wurden, war für ihn angesichts des Durchschnittserlöses von 150 Euro pro Festmeter ein klarer Erfolg. Neben einer Pflanzaktion bei Siegelsberg, bei der 150 Eichen und Elsbeeren gesetzt wurden, berichtete er von einem Training mit einem Sicherheitscoach, um den zunehmenden Gefahren bei Holzfällarbeiten wegen trockener und brechender Stämme und Kronen zu begegnen.
Der Borkenkäfer hat sich Zeit gelassen, dann aber im August zugeschlagen
Auch Seitz ging auf die steigende Waldbrandgefahr ein, wobei er Glasscherben als Auslöser im Gegensatz zu weggeworfenen Zigarettenkippen oder einem Hitze ausstrahlenden Auto für so gut wie ausgeschlossen hält. Starke Niederschläge im Frühjahr könnten in Kombination mit Laub Dolen verstopfen und auch schon mal zur Ausspülung von Wegen führen. „Der Borkenkäfer ist schon länger unser Begleiter, dieses Jahr hat er sich etwas Zeit gelassen, uns im August dann aber, wenn auch spät, eingeholt und überrollt“, sagte Seitz. Vor allem im Revier des Kollegen Dölker seien umfangreiche Schäden zu beklagen gewesen. Dank der Naturverjüngung seien Neupflanzungen aber überschaubar (rund 1000 Setzlinge).
Philipp Dölker ging in seinem Ausblick darauf ein, dass 2024 ein Einschlag von rund 7000 Festmetern geplant sei. Natürlich wünsche man sich, dass dieser nicht zwangsweise aufgrund von Schäden erfolgen muss. Dass der Erlös mittlerweile nicht mehr so hoch ist – das betrifft auch den für den Stadtwald im kommenden Jahr prognostizierten –, liege auch an den gestiegenen Personalkosten sowie höheren Preisen für Diesel und Ersatzteile eingesetzter Maschinen, erläuterte Dölker.
In den Beiträgen der Fraktionen spiegelte sich auch die Frage wider, wie diese neue Balance zwischen Wertschöpfung und Schutzfunktion gefunden werden kann. Mario Brenner (CDU/FWV) erinnerte sich an die Zeit, in der der Wald noch so etwas wie das Sparkässle der Stadt war. „Das ist heute leider etwas anders“, sagte er. Die Gründe dafür seien vielschichtig. So wünschenswert ein gewisser Erlös auch sei, so spiele der Wald als Wasserspeicher und Erholungsort auch für Touristen ebenso eine wichtige Rolle. Ähnlich fiel die Einschätzung von Brigitte Kübler (UL) aus. Die Arbeit überwiege mittlerweile das Ergebnis, wichtig sei es aber, den Wald als besagten Wasserspeicher zu erhalten.
Sonja Allinger-Helbig (SPD) dankte vor allem dem Forstteam für seine Arbeit und den vorausschauenden, achtsamen Umgang mit dem Wald trotz der immer schwieriger werdenden Bedingungen. „Ich fürchte der Wald war längste Zeit das Sparkässle der Stadt, er entwickelt sich vielmehr zum Sorgenkind“, sagte Hartmann Widmaier (MDAL/Die Grünen). Auch er würdigte das Engagement des Teams im Sinne des Erhalts von lebenswichtigen Quellen und letztlich auch Boden. Die Ansprüche hätten sich geändert, Einschläge würden oft sehr kritisch gesehen. Dabei plädierte Widmaier aber dafür, auch zu bedenken, dass Holz als umweltfreundlicher Baustoff zu sehen und der CO2-Ausstoß beim Einsatz von Beton und Stahl ungleich höher sei.
Der Murrhardter Gemeinderat segnete den Forstbetriebsplan für 2024 im Anschluss einstimmig ab.