Soziale und kirchliche Perspektive vereint

Pastoralreferentin Martina Fuchs verabschiedet sich nach zehn Jahren von der Seelsorgeeinheit Oberes Murrtal. Für ihr vielfältiges Arbeitsgebiet war ihre Doppelqualifikation soziale Arbeit und Theologie wertvoll. Gleichzeitig sind die Grenzen für sie auch ein Stück weit fließend geworden.

Martina Fuchs in der katholischen Kirche St. Maria in Murrhardt, wo auch ihr erster Gottesdienst nach dem Arbeitsstart stattfand. Foto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Martina Fuchs in der katholischen Kirche St. Maria in Murrhardt, wo auch ihr erster Gottesdienst nach dem Arbeitsstart stattfand. Foto: Jörg Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. Als Martina Fuchs 2012 nach Ausbildungsabschluss von Tübingen in die Walterichstadt kam, konnte sie sich zwar erinnern, dass es mal einen Schulausflug in der vierten Klasse nach Murrhardt gegeben hatte. Trotzdem waren Stadt und Umgebung „landkartentechnisch völliges Neuland“. Nach einer Kinderfreizeit hieß es, fix den Umzug zu erledigen und „flupp gings los“. An ihren ersten Gottesdienst in St. Maria kann sie sich noch gut erinnern. Es stand die Taufe eines Mädchens an, das heute ihre Ministrantin ist. „Dann ging es erst mal darum, alles kennenzulernen“: Das Heinrich-von-Zügel-Gymnasium in Murrhardt, an dem sie Religion unterrichtete, die Seniorenheime, in denen sie Gottesdienste gestaltete, die Gremien wie den Arbeitskreis christlicher Kirchen, in dem die ökumenische Arbeit lief, genauso wie die Seelsorgeeinheit Oberes Murrtal, also die Kirchengemeinden Murrhardt und Sulzbach an der Murr mit ihren Mitgliedern inklusive Katholiken aus Großerlach und Spiegelberg.

Für sie als Jugendliche war es prägend,

ein Amt in der Kirche zu übernehmen

„Die Jugendarbeit lag mir besonders am Herzen“, sagt sie. Einen zentralen Part nimmt dabei die Begleitung der Ministrantinnen und Ministranten ein. Diese hat für sie den Vorzug, Kindern und Jugendlichen eine Aufgabe und Rolle in der Kirche anbieten zu können, über die sie Wertschätzung erfahren. „Das war auch für meine Berufswahl ganz entscheidend“, erzählt Martina Fuchs, die in Sachsenheim (Kreis Ludwigsburg) aufgewachsen ist und selbst Ministrantin war. Dabei hatte sie ein Theologiestudium zunächst nicht im Blick, auch wenn sie das Fach interessierte und der familiäre Hintergrund gut ins Bild passt – ihre Mutter war Religionslehrerin und ihr Vater lang im Kirchengemeinderat engagiert.

Im oberbayerischen Benediktbeuern startete sie mit sozialer Arbeit, doch als sie ihr Jahrespraktikum in einer kirchlichen Jugendbildungsstätte absolvierte, entschloss sie sich, zusätzlich Theologie zu studieren. Sie hat es nicht bereut und nimmt heute die Übergänge zwischen beiden Berufsfeldern als fließend wahr. Wichtig ist ihr, die soziale Seite von Kirche nicht aus dem Blick zu verlieren. Sie sieht die Gefahr, zu sagen: „Den Bereich deckt ja die Caritas ab.“ „Da geht mir bei Projekten wie dem Begegnungscafé in Murrhardt natürlich das Herz auf.“ Die sozialarbeiterische Perspektive bringt es mit sich, sich immer wieder zu überlegen, was den Menschen, die sie begleitet, guttun könnte, und hilft ihr bei der Arbeit mit Gruppen. Genauso erinnert sie sich an Zeiten als Jugendliche, in denen sie ihr Engagement in der Kirche auch verteidigen musste. Da wiederum kann das Erlebnis, mit 50000 anderen Gläubigen auf dem Platz vor dem Petersdom zu stehen, wertvoll und bestärkend sein, erzählt sie. „Es ist wichtig, Jugendlichen solche Erfahrungen zu ermöglichen.“ Auch bei Anlässen wie der 72-Stunden-Aktion gemeinsam mit jungen Menschen in den Kirchengemeinden ein konkretes Projekt wie den Barfußpfad oder den Pavillon am Römersee anzupacken und umzusetzen hat ihr viel Freude gemacht. Im Alltag verbanden sich das gegenseitige Kennenlernen und die Arbeit miteinander. „Das ist ein Begleiten von Jung und Alt, schon auch sprichwörtlich von der Wiege bis zur Bahre.“ Taufen gehören zum Job genauso wie Bestattungen. „Beerdigungen sind mir schwergefallen, wenn es um Menschen im Alter meiner Eltern ging, das macht schon was mit einem“, sagt die 41-Jährige. Aber ihr hilft die Überzeugung, dass nach dem Leben nicht alles vorbei ist, genauso wie die Chance, aus dem Schatz der biblischen Geschichten und Psalmen etwas zur Begleitung anbieten zu können.

Blick über den Tellerrand hinaus

und Erlebnisse mit Flüchtlingen

Nicht missen möchte sie auch die gemeinsamen Erlebnisse auf den Israelreisen mit Gemeindemitgliedern. Es sei faszinierend gewesen, die historischen Stätten zu besuchen und die vielen Konfessionen auf so engem Raum zu erleben, wobei zum Bild ebenso die Konfliktherde gehörten.

Die letzten Jahre waren auch durch krisenhafte Ereignisse geprägt. Als in Murrhardt zahlreiche Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan ankamen, hat Martina Fuchs im Asylkreis Ehrenamtliche unterstützt und hätte sich gern selbst noch mehr privat in dieser Hinsicht engagiert. Sie erinnert sich noch gern daran, wie sie Flüchtlingsfrauen aus Oberneustetten, die ein großes Dankesessen mit ihren landestypischen Speisen in der Unterkunft ausgerichtet hatten, daraufhin einluden. „Es sollte Kässpätzle geben und ich bin mit der Spätzlespresse meiner Oma bewaffnet angerückt.“ Als sich unter den schwäbischen Köchinnen eine heiße Diskussion darüber entspann, ob die geschabte oder die gedrückte Variante die wirklich legitime ist, habe sich das selbst über die Sprachbarrieren hinweg transportiert und für schöne, entspannte Momente miteinander gesorgt. Die andere Seite: die Begleitung von Flüchtlingen bei Behördengängen und Fragen nach dem Besitz, die betroffene Syrer nur mit „alles zerbombt“ beantworten konnten.

Mit der Coronapandemie waren Martina Fuchs und das Team wieder auf ganz neue Weise gefordert. „Wir mussten die Gemeindearbeit völlig umstellen, beispielsweise Gottesdienste auf Video aufnehmen und Seniorenheimen DVDs schicken“, erzählt sie. Der Kinderkreuzweg in Sulzbach mit verteilten Stationen und in seiner neuen, individuell begehbaren Form kam richtig gut an, so die Pastoralreferentin.

Auch die Kirche selbst ist in der Krise, wobei der Missbrauchsskandal eine zentrale, wenn auch nicht die alleinige Rolle gespielt hat. Martina Fuchs ist bewusst, dass dies zu einem Ringen um Bleiben oder Austritt führt, das in der Mitte der Gemeinden angekommen sei. Sie hofft, dass sich die katholische Kirche den aktuellen sozialen und strukturellen Fragen ehrlich stellt und dabei auch die Vielfalt der Menschen in den Blick nimmt. Bleibt die Frage, wie es für sie jetzt beruflich weitergeht. Nach zehn Jahren wollte Martina Fuchs die Fühler nach einem neuen Aufgabenfeld ausstrecken.

Von der vielfältigen Gemeinde- zur konzeptionellen Arbeit fürs Fachreferat

Nun hat sie die Möglichkeit, im Fachbereich „Ehe und Familie“ der Diözese Rottenburg/Stuttgart als Referentin tätig zu werden. Das bedeutet, „weniger wie bisher am Endkunden dran zu sein, sondern eine vor allem konzeptionelle Arbeit“, wie sie mit einem Schmunzeln feststellt. Beispielsweise wird es darum gehen, Konzepte rund um Themen wie Ehevorbereitung und Familienspiritualität zu entwickeln. Die 41-Jährige ist sehr gespannt auf das Arbeitsfeld und den Neuanfang in Stuttgart, gibt aber auch zu, dass ihr der Abschied nicht ganz leicht fällt angesichts der vielen Bande, die während ihrer Arbeit im oberen Murrtal entstanden sind. Zeit, um eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger einzuarbeiten, wird nicht mehr sein, aber Martina Fuchs versichert, dass die Stelle wieder ausgeschrieben wird.

Gottesdienst in St. Maria

Abschied Im Gottesdienst der katholischen Kirche St. Maria in Murrhardt am kommenden Sonntag, 17. Juli, um 15 Uhr wird Martina Fuchs verabschiedet. Alle Interessierten sind eingeladen, dabei zu sein. Damit auch Kolleginnen und Kollegen aus dem kirchlichen Kontext teilnehmen können, findet die Feier am Nachmittag statt.

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Erstellt:
13. Juli 2022, 06:00 Uhr

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