Spannende Einblicke ins klösterliche Leben
Über 20 Interessierte gehen auf Zeitreise ins Mittelalter bei der Kirchenführung mit Manfred Schurr. Sie erfahren viele Details über den Alltag der Mönche im einstigen Murrhardter Benediktinerkloster, das über sieben Jahrhunderte existierte.
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Eine Zeitreise in die mittelalterliche Benediktinerabtei unternahm Kirchenführer Manfred Schurr von der evangelischen Kirchengemeinde Murrhardt mit über 20 Interessierten. Bei der Kirchenführung zum Thema „Leben im Kloster“ erzählte er auf einem Rundgang durch das ehemalige Areal und die Gebäude der Klausur aus der Geschichte des Klosters und wie der Alltag der Mönche ablief.
Auf Basis wichtiger Erkenntnisse der archäologischen Ausgrabung 1973/74 in der Stadtkirche und der Forschungen von Historiker Professor Gerhard Fritz erläuterte Schurr, wie das Kloster, eines der ältesten Württembergs, entstand und sich entwickelte. Kaiser Ludwig der Fromme gründete es 816, ab etwa 820 baute man die erste kleine Saalkirche und später erweiterte Klausurgebäude, hinzu kamen Wirtschaftsgebäude im äußeren Klosterhof.
Von etwa 1000 bis 1050 folgte der Bau der großen romanischen dreischiffigen Kirche mit Vierung und Westchor, in dem
sich der liturgische Schwerpunkt mit dem Hauptaltar befand. Darunter existierte etwa 200 Jahre lang eine kleine Krypta als Gebetsraum.
Aufbahrung nach dem Tod
Um 1150 waren die beiden Türme errichtet, um 1230 war die Walterichskapelle vollendet, ein kunstvoll gestaltetes Kleinod spätromanischer Baukunst. Sie diente als Gebetsraum, Gedächtniskapelle für Walterich und Totenkapelle für verstorbene Mönche, die man dort aufbahrte und anschließend im Mönchsfriedhof nördlich der Kirche bestattete.
Anschließend errichtete man über dem Westchor mit dem Januariusaltar einen imposanten Turm. Anfang des 14. Jahrhunderts baute man den gotischen Ostchor und von 1400 bis 1450 die romanische zur gotischen Kirche um. Die Restaurierung von 1974/75 vermittelt einen Eindruck von deren Aussehen mit filigranen Blumenmalereien im Gewölbe.
Im Kloster lebten bis zu 40 Mönche
Während der Blütezeit der Abtei im Hochmittelalter umfasste die Klausur rund 40 Mönche, meist aus niederem Adel, die nach der Regel des Abts und Ordensgründers Benedikt von Nursia „Bete, arbeite und lies“ lebten. „Die Vorschriften waren nicht zu streng. Es gab kein Schweigegelübde, doch durften die Mönche nur in ihrer täglichen einstündigen Freizeit miteinander reden. Standesunterschiede existierten nicht, auch Nichtadelige konnten Mönch werden“, so der Kirchenführer. Der Abt leitete das Kloster, sein Stellvertreter war der Prior und der Cellerar war als Verwalter für alle wirtschaftlichen Belange zuständig.
Es gab Priestermönche, die teils an Universitäten studiert hatten und zum Priester geweiht waren, Diakon und Subdiakon, sogenannte Minderbrüder ohne Weihe und Laienbrüder. Letztere beherrschten meist kein Latein, waren zum Teil Analphabeten und arbeiteten als Handwerker oder in der Landwirtschaft. Jeder Tag war durch die sieben Stundengebete von frühmorgens bis abends strukturiert, hinzu kamen Messen an Sonn- und Feiertagen sowie Fürbitten an Gedenktagen.
Das Zentrum des Wissens
Jeder Mönch hatte neben den Gebeten und Studien theologischer Schriften bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehörten Tätigkeiten rund um die Liturgie in der Kirche, die Herstellung von Schriftstücken und das Kopieren von Büchern. „Das Kloster war ein Zentrum des Wissens“ mit großer Bibliothek. Leider gingen die wertvollsten Werke im Bauernkrieg 1525 verloren: Man hatte sie ins Kloster Lorch ausgelagert, wo sie mit diesem verbrannten. Der Novizenmeister bildete junge Männer zu Mönchen aus, einige Mönche waren für die Krankenpflege, Betreuung von Gästen sowie die Zubereitung von Arzneien aus Heilkräutern aus dem Klostergarten zuständig.
Der sogenannte Stundenmeister achtete darauf, dass die Mönche die Stundengebete zur richtigen Zeit einhielten, wobei sie zum Teil gregorianische Gesänge anstimmten. „Im Hochmittelalter gab es noch keine Uhren, deshalb maß der Stundenmeister die Zeit mit Stundenkerzen, die in einer Schablone mit Markierungen steckten. Nachts steckte er einen Stift in die Kerze mit einem Glöckchen, das herunterfiel, wenn die Kerze heruntergebrannt war“, erläuterte Schurr.
Die Mönche durften nur Fisch und Geflügel, Milchprodukte, Gemüse und Obst essen, dazu tranken sie Wein. In der Fastenzeit waren nur Fische aus den Seen im Stadtgarten und Bier erlaubt, das geliefert wurde: „Murrhardter Klosterbräu gab es nicht.“ Während den Mahlzeiten im Speisesaal (Refektorium) galt ein Schweigegebot, dazu lasen Mönche aus der Bibel vor.
Das Kloster war ein Wirtschaftsunternehmen mit umfangreichen Besitzungen: In Murrhardt gehörte ihm praktisch alles, auch die Pfarrkirche St. Maria, heute Walterichskirche, und die Einnahmen aus der Walterichswallfahrt. Es betrieb ein Spital für Kranke, das sich auf dem Areal des Totengräberhauses neben der Kirche befand. Die Ländereien reichten bis Jagsthausen, am wertvollsten waren Großbottwar – von dort kam der Wein – und die Pfarrei St. Katharina in der Haller Neustadt mit der Katharinenkirche. Darum unternahmen die Äbte jährliche Inspektionsreisen nach Hall, sie ritten oder fuhren in einem Wagen mit Klosterpferden.
Finanzkrise Ende des 15. Jahrhunderts
Wegen hoher Baukosten, Aufwendungen für häufige Jagdgesellschaften der württembergischen Herrscher und Verschwendung geriet das Kloster Ende des 15. Jahrhunderts in eine Finanzkrise, hinzu kam Anfang des 16. Jahrhunderts der geistliche Niedergang. Nach der Reformation löste sich die Klausur Mitte des 16. Jahrhunderts auf, im Dreißigjährigen Krieg gab es von 1635 bis 1648 nochmals ein katholisches Kloster. Danach bestand das evangelische Klosteramt bis 1806, als man alle einst geistlichen Besitzungen in weltliche umwandelte.