Olympia 2024
Springreiter Kukuk holt Gold – Was Thomas Müller damit zu tun hat
Springreiter Christian Kukuk hat im Einzel-Wettbewerb bei den Olympischen Spielen in Paris mit seinem Pferd "Checker" sensationell die Goldmedaille gewonnen – ein deutscher Fußball-Weltmeister hat daran einen Anteil. Warum?
Von Lotta Wellnitz/dpa
Die deutschen Reiterinnen und Reiter liefern reichlich Medaillen – so auch aktuell bei den diesjährigen Olympischen Spielen in Paris. Springreiter Christian Kukuk gewann an diesem Dienstag die Goldmedaille im Einzel. Es war das erste deutsche Springreiter-Gold seit 24 Jahren.
Der 34-Jährige aus dem westfälischen Riesenbeck setzte sich im Stechen mit seinem Pferd Checker gegen zwei Kontrahenten durch und holte in Paris das vierte Gold für die deutschen Reiterinnen und Reiter. Einen Anteil daran hat der deutscher Fußball-Weltmeister Thomas Müller. Warum das?
Zwei Kontrahenten patzen in Paris
Olympia-Teilnehmer Kukuk verbrachte nach seinem Gala-Auftritt im Schlossgarten von Versailles einige bange Minuten auf dem Abreiteplatz, ehe die insgesamt 100. deutsche Pferdesport-Medaille bei Olympia perfekt war. Der 34-Jährige hatte mit Checker bei strahlendem Sonnenschein einen fehlerfreien Ritt im Stechen vorgelegt. Dann patzte erst der Niederländer Maikel van der Vleuten – und auch Europameister Steve Guerdat blieb auf dem Parcours nicht ohne Fehler.
Kukuk ging nach seinem Sieg in die Knie und schlug völlig überwältigt beide Hände vor das Gesicht, dann rappelte er sich kopfschüttelnd auf und fiel seiner Schwester in die Arme: Gold, Olympiasieger, eine unfassbare Sensation. „Es ist überhaupt noch nicht bei mir angekommen“, sagte der Springreiter. Es sei einfach ein emotionaler Moment. „Goldmedaillengewinner zu sein, in die Geschichtsbücher einzugehen - das dauert noch ein bisschen, bis ich das realisiert habe.“
Erstaunlicherweise war er vor den Ritten „nullkommenull nervös“, berichtete er. Seine Taktik als erster Reiter des Stechens war: Er habe die beiden Konkurrenten mit einer flotten Runde „unter Druck gesetzt. Das ist den beiden zum Verhängnis geworden.“ Dabei half eine besondere Fähigkeit. Er könne sich „gut konzentrieren und meine Anspannung kanalisieren“, sagte Kukuk. „Ich bin nicht der Hibbelige. Ich bin sachlich und versuche, die Sachen so einzuordnen, wie sie sind.“ Jetzt ist es so, dass er die Jubiläums-Medaille für Deutschland gewonnen hat.
Thomas Müller ist Mitbesitzer von Checker
Beim ersten olympischen Einzel-Gold für Deutschlands Springreiter seit über 20 Jahren hatte Fußball-Weltmeister Thomas Müller seinen Anteil – und dieser war sogar „ganz groß“. Der Spieler des FC Bayern München ist nämlich einer der beiden Besitzer des Schimmel-Wallachs Checker. „Das dürfen wir nicht vergessen“, sagte Kukuk in der ARD mit Blick auf Müller und Mitbesitzerin Madeleine Winter-Schulze.
„Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, das Pferd weiter reiten zu können“, sagte Kukuk, „dass Checker nicht eines Tages verkauft wird. Ich bin unfassbar dankbar, dass sie das Vertrauen in mich gesetzt haben und ich das jetzt zurückzahlen konnte.“
Checker, 14 Jahre alt, sei „eine Art Spätzünder. Aber was er schon das ganze vergangene Jahr leistet – er ist in seiner eigenen Liga unterwegs, das hat er hier eindrucksvoll bewiesen. Ich bin einfach unfassbar glücklich und stolz, dass ich dieses Pferd reiten darf.“
Pferdesport ist Hobby des Fußballers
Für den langjährigen Fußball-Nationalspieler Müller, Weltmeister von 2014, ist der Pferdesport mittlerweile mehr als nur ein Hobby. Der 34-Jährige vom FC Bayern führt mit seiner Frau Lisa, die wettkampfmäßig Dressur reitet, das Gut Wettlkam in der Nähe von München. „Sie hat mich mit dem Pferde-Virus infiziert“, sagte Müller zuletzt dem Magazin Cavallo.
Pferde, meinte Müller, seien „sehr freundliche Wesen, sie sind Partner und Wegbegleiter, sie strahlen Ruhe aus – und gleichzeitig Kraft und Eleganz“. Selbst regelmäßig zu reiten ist Müller als Profi-Fußballer zu riskant. Unterstützt wird er bei seiner Nebenbeschäftigung von einem Zuchthof im niederbayerischen Rottenburg-Pattendorf.
Vierter Olympiasieg der deutschen Reiter
Mit dem Sieg von Kukuk sind die deutschen Reiter-Festspiele in Paris perfekt. Der 34-Jährige sorgte bereits für den vierten Olympiasieg der deutschen Reiter bei den Sommerspielen. Das ist die Hälfte der bisherigen Goldmedaillen für das deutsche Team in Paris. Zuvor hatte Michael Jung in der Vielseitigkeit triumphiert, ehe es in der Dressur sowohl in der Mannschaft als auch im Einzel durch Jessica von Bredow-Werndl Gold gab.
Für die Springreiter ging eine lange Durststrecke zu Ende: 2000 in Sydney gab es das letzte Gold in der Mannschaft, im Einzel liegt der letzte Olympiasieg durch Ulrich Kirchhoff gar 28 Jahre zurück. Es war zudem das 100. deutsche Pferdesport-Gold bei Olympia, wie der Weltverband FEI errechnete.
„Die Performance, die wir hier abgeliefert haben, war einfach genial“, sagte Kukuk. In der Tat zeigte er als einziger Reiter sowohl im ersten Umlauf als auch im Stechen einen fehlerfreien Ritt. Entsprechend groß war der Jubel im deutschen Team. Und Kukuk hatte reichlich Unterstützung dabei, seine ganze Familie und viele Freunde waren vor Ort. „Die einzige, die nicht da ist, ist meine Oma„, sagte Kukuk. „Aber die sitzt vor dem Fernseher und ist - glaube ich - am Heulen.“
Weishaupt von Teamkollegen begeistert
Es war ein extrem schwieriges Springen, nur drei Reiter hatten es überhaupt ins Stechen geschafft. „Ich habe noch nie so einen Parcours gesehen“, kommentierte Kukuk den schweren ersten Umlauf. Dort sicherte er sich schon vor dem Stechen Edelmetall. „Das ist echt irre“, sagte der Medaillengewinner. Weltmeister und Topfavorit Henrik von Eckermann, früher Kukuks Kollege, stürzte mit seinem Pferd King Edward und schied aus.
Sein Teamkollege Philipp Weishaupt schwärmte über Kukuk: „Der ist unheimlich fokussiert, immer sehr konzentriert und immer 100 Prozent vorbereitet. Der überlässt nichts zum Zufall. Der plant seinen Tag von morgens bis abends, gibt alles für den Sport - und der Erfolg gibt ihm recht.“
„Abnormal“, sagte Weishaupt nach der ersten Runde über seinen Kollegen, mit dem seit Jahren zusammen im Sport- und Handelsstall des viermaligen Olympiasiegers Ludger Beerbaum arbeitet. „Beide haben gekämpft“, sagte Weishaupt, der selber ausgeschieden war. „Er ist mega geritten, Checker ist mega gesprungen.“
Kukuk habe „die Ehre der Springreiter gerettet“, so Weishaupt. Er habe Kukuk vor dessen erster Runde „noch mal ein bisschen meine Eindrücke gesagt, wo er ein bisschen drauf achten muss“. Aber daran habe es nicht gelegen. Den Sieg musste er schließlich selbst nach Hause bringen.
Bereits in der ersten Runde war Weishaupt ausgeschieden. Der 39-Jährige, der ebenfalls in Riesenbeck bei Ludger Beerbaum arbeitet, kassierte mit Zineday fünf Strafpunkte. „Die Olympischen Spielen haben wir uns ein bisschen anders vorgestellt“, sagte der Reiter. „Wir sind super in das Turnier gestartet. Leider habe ich ein bisschen abgebaut.“
Vize-Europameister hat keine Erklärung
Er könne es „nicht erklären, es war ein dummer Fehler, der normalerweise nicht passiert“, sagte der Vize-Europameister. Er hatte nach dem enttäuschenden fünften Platz mit der Mannschaft angekündigt, sich im Einzel eine Medaille zu holen - doch er scheiterte deutlich. „Ja das war hoch gegriffen. Deshalb war es diese Woche für mich sehr bitter“, sagte der Reiter: „Ich habe absolut mehr erwartet. Es ist aber so.“ Die Woche in Versailles sei „okay, aber nicht extra“.
Bereits in der Qualifikation war am Vortag Richard Vogel ausgeschieden. Der 27-Jährige aus Marburg sammelte mit United Touch zwölf Strafpunkte und verfehlte das Finale deutlich.