Stadt will Bahndirektion doch nicht kaufen

Der Verwaltungsausschuss ist über hohe Kosten und zeitliche Probleme des Projekts für ein Verwaltungszentrum informiert worden. Das Kaufhofgebäude samt Parkhausfläche wurden als Alternativen genannt. Neue Mieter solle es auch im Treffpunkt Rotebühlplatz geben.

Die Stadt will das ehemalige Kaufhof-Gebäude und das Parkhaus an der Steinstraße für ihre Mitarbeiter umbauen.

© Lichtgut/Leif Piechowski

Die Stadt will das ehemalige Kaufhof-Gebäude und das Parkhaus an der Steinstraße für ihre Mitarbeiter umbauen.

Von Jörg Nauke

Stuttgart - Die Stuttgarter Stadtverwaltung geht auf Distanz zu ihrem Vorhaben, auf dem Grundstück an der alten Bahndirektion in bester Innenstadtlage mehrere Verwaltungsgebäude für alle Dienstleistungen mit Bürgerkontakt  zu erstellen. Das teilte Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) dem Verwaltungsausschuss hinter verschlossenen Türen mit. Das hat Auswirkungen auf weitere Großprojekte – auf das Galeria-Kaufhof-Gebäude, das angrenzende Parkhaus, den Treffpunkt Rotebühlplatz und das Uhland-Carée am Charlottenplatz.

Die Rathausspitze und die P + B Group, Eigentümerin des Areals zwischen der Heilbronner Straße, Kriegsberg-, Ossietzky- und Jägerstraße hatten in einem „Letter of Intent“ den Bau eines „Front Office Hub“ (FOH) verabredet und damit einen Befreiungsschlag wegen akuten Mangels an Büroflächen für die in den vergangenen drei Jahren hinzugekommenen rund 2000 Beschäftigten zu erreichen.

Das Projekt am Kurt-Georg-Kiesinger-Platz sieht momentan noch die Sanierung und den Umbau der sechsstöckigen Bahndirektion (8000 Quadratmeter Nutzfläche) vor. An der Heilbronner Straße ist ein Neubau mit sechs bis zehn Etagen (14 500 Quadratmeter) geplant. Ein zweiter Neubau mit sieben Geschossen ist an der Jägerstraße vorgesehen (11 500 Quadratmeter). Optional kann ein Wohn- und Geschäftsgebäude realisiert werden (13 500 Quadratmeter).

Ein Grund für das von Teilnehmern als sehr wahrscheinlich bezeichnete Scheitern sei die Differenz beim Kaufpreis. Inzwischen bewegt man sich wohl bei einer Investitionssumme für das Projekt von einer halben Milliarde Euro, die aber noch steigen könnte. Nach Informationen unserer Zeitung liegen die Preisvorstellungen um einen dreistelligen Millionenbetrag auseinander.

Außerdem würde sich die Fertigstellung des Komplexes wohl bis ins Jahr 2032 oder 2033 hinziehen, also sechs bis sieben Jahre mehr, als man sich bisher vorgestellt hat. Der Bebauungsplan für dieses Gebiet befindet sich zwar kurz vor dem Auslegungsbeschluss. Nun heißt es aber, das Eisenbahnbundesamt lege sich mit Verweis auf das Allgemeine Eisenbahngesetz quer und fordere wegen des Basa-Gebäudes an der Jägerstraße, in dem Schienenleittechnik der Bahn für den süddeutschen Raum untergebracht ist, und wegen einer Straßenzufahrt eine Änderung der Planfeststellung für das Gebiet.

Die CDU hatte nach dem Aufkommen der Gerüchte über die unterschiedlichen Preisvorstellungen im dreistelligen Millionenbereich die Verwaltung aufgefordert, Alternativen zu suchen. Die Stadt hat nun das Kaufhofgebäude an der Eberhardstraße nebst dem in der Steinstraße befindlichen Parkhaus ins Auge gefasst. Neben Kauf- und Parkhaus plant die Stadt zudem, ein bisher für Interimsnutzungen vorgehaltenes Gebäude in der Schmale Straße zu sanieren.

Es ist allerdings so, dass eine Gemeinderatsmehrheit im vergangenen Jahr beschlossen hat, im ehemaligen Kaufhofgebäude das Haus der Kulturen sowie Räume für die Freie Tanz- und Theaterszene unterzubringen. Es ist aber wahrscheinlich, dass der Rat die Interessen der städtischen Belegschaft nach modernen und attraktiven Arbeitsplätzen sowie die Forderungen der Bürger nach einem zentralen Serviceangebot Vorrang vor der kulturellen Nutzung des städtischen Gebäudes gibt – auch deshalb, weil dafür Ersatz ins Auge gefasst ist: der Treffpunkt Rotebühlplatz. Dort könnte die Freie Tanz- und Theaterszene unterkommen – und warum nicht auch ein „Schaufenster der Bauinnovation“? Bekanntlich sucht die Architektenkammer Baden-Württemberg seit Jahren einen öffentlichen Ort, an dem zukunftsfähige und innovative Architekturlösungen gezeigt und diskutiert werden können. Das gilt auch für ein „Haus des bürgerschaftlichen Engagements“ der Bürgerstiftung.

Der Treffpunkt Rotebühlplatz muss allerdings erst saniert werden. Das dauert mindestens fünf Jahre. Die dort heimische Volkshochschule und die Musikschule hätten deshalb weichen müssen. Als Interimsstandort wurde das Uhland Carré, ehemaliger Standort der Allianz-Versicherung, gehandelt. Daran ändert sich jetzt nur, dass die Institutionen dort – ebenfalls nach einem aufwendigen Umbau – bleiben sollen.

Deutlich früher erhalten die Beschäftigten des Stadtplanungsamts, des Sozialamts und der Ausländerbehörde neue Büros. Sie ziehen 2026 ins Bollwerk am Rotebühlplatz. Die KfZ-Zulassungsstelle und die Führerscheinstelle eröffnen im nächsten Jahr im Löwentorbogen 11 in Bad Cannstatt.

Ursprünglich sollte der große Wurf für die Stadt mit einem Verwaltungsneubau im Möhringer Synergiepark gelingen. Dort hätten bis zu 2100 Mitarbeiter moderne Büroarbeitsplätze erhalten können. Vom Umzug betroffene Beamte liefen wegen des Standorts an der Peripherie Sturm. Verwaltungsspitze und Gemeinderat knickten daraufhin ein und setzten trotz Zeitdrucks, enormer Kosten und unvollständiger Bauleitplanung auf das Areal an der Bahndirektion.

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Erstellt:
13. März 2025, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
14. März 2025, 00:02 Uhr

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