Steuereinbruch: Schuldengipfel im Rathaus
Stuttgart erwartet deutlich niedrigere Gewerbesteuereinnahmen und kündigt „drastische Sparmaßnahmen und Leistungskürzungen“ an.
Von Konstantin Schwarz
Stuttgart - Die Landeshauptstadt steht vor großen Einsparzwängen. Der Gemeinderat muss dieses Jahr die lange Liste neuer Projekte zusammenstreichen, die sich in der Mittelfristplanung bis 2028 auf 3,1 Milliarden Euro neue Schulden summieren. Er muss auch Abschied nehmen von weiteren, noch nicht budgetierten Wünschen.
OB Frank Nopper (CDU) hat alle Fraktionsvorsitzenden und die haushaltspolitischen Sprecher einbestellt. Man trifft sich am Donnerstag, 20. März, um 12 Uhr zum Schuldengipfel im Rathaus – High Noon für den Haushalt. Stuttgart wird Ende 2025 erstmals seit mehr als 20 Jahren vermutlich mit einem negativen Haushaltsergebnis abschließen. An diesem Mittwoch bringt Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) den Nachtragsetat 2025 ein. Das bereits geplante Haushaltsloch in Höhe von 511 Millionen Euro weitet sich enorm aus, denn die Gewerbesteuer bricht ein. Das Steueramt veranschlagt 200 Millionen Euro weniger. Statt 1,2 Milliarden Euro soll 2025 eine Milliarde Euro eingenommen werden. Auch bei sonstigen Steuern und Erstattungen von Bund und Land steht ein Minus von 208 Millionen Euro. Die Mehraufwendungen liegen bei 13,8 Millionen Euro. Damit steigt das Defizit vermutlich auf 889,4 Millionen Euro. Der Kreditbedarf wird mit 650 Millionen Euro angegeben. 30 Millionen Euro Zusatzeinsparungen durch eine globale Minderausgabe können angesichts dieser Zahlen als Kosmetik gelten. Der Ausblick ist noch trüber. Insgesamt müssten bis Ende 2028 nun rund vier Milliarden Euro neue Kredite aufgenommen werden. Dazu wird es aber nicht kommen. „Darlehensaufnahmen in diesem Umfang verstoßen gegen die Kreditaufnahmevorschriften der Gemeindeordnung Baden-Württemberg“, so Finanzbürgermeister Fuhrmann. Städte können, anders als der Bund, kein „Sondervermögen“, also unendlich große neue Schuldentöpfe, bilden. Im Zweifelsfall würde das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) als Rechtsaufsicht die Notbremse ziehen. Bereits 2024 machte die Behörde klar, dass sie von der Stadt ein hartes Gegensteuern verlangt. Die Kommune solle auch ihre Einnahmeseite betrachten, also wenn nötig Steuern erhöhen. Eine Debatte darüber ist bisher unterblieben.
Die Finanzverwaltung warnt vor „unvermeidlichen drastischen Sparmaßnahmen und Leistungskürzungen“, falls es nicht zu Mehreinnahmen kommt oder die Ausgaben durch „Desinvestitionen“ gekappt werden können. Vor diesem Hintergrund erwarten die Fraktionen, dass Nopper und Fuhrmann am 20. März eine Prioritätenliste vorlegen. Sie soll alle Pflicht-, Soll- und freiwilligen Aufgaben samt Zeitschiene aufzeigen. Fuhrmann hatte im Juni und im November 2024 Horrorlisten mit Großinvestitionen in den Rat gebracht. Darin summierten sich für weitere Wünsche über die mittelfristige Planung hinaus weiter 3,5 Milliarden Schulden der Stadt.
Das gigantische Städtebauprojekt Rosenstein war bei diesen Zahlen ausgeklammert worden. Für Wohngebiete auf den alten, durch Stuttgart 21 frei werdenden Bahnflächen in der City sollen eine Milliarde Euro in die Infrastruktur und 650 Millionen Euro für Schulen investiert werden. Für das sicher mehr als zehn Jahre dauernde Projekt Rosenstein versprach die Verwaltung im November eine „separate Darstellung“.
Die bisherige Liste der Großinvestitionen wird von Stadträten teils als „völlig unbrauchbar“ kritisiert. In der Novemberliste tauchten plötzlich neue Bauvorhaben auf. Die Finanzierungslücke wuchs um weitere 300 Millionen Euro. Unter den Top Ten aus Verwaltungssicht fand sich auch eine neue Schleyerhalle für sparsam gerechnete 300 Millionen Euro. Dabei sind die Pläne für den Ersatz der alten Arena im Gemeinderat noch nicht einmal vorgestellt worden.
Die Beratungen für den Doppeletat 2026/2027 könnten sich, wenn früher beschlossene Vorhaben zurückgenommen werden müssten, zu einem „Albtraum“ entwickeln, befürchtet ein Teilnehmer der OB-Runde. Angesichts der enormen Finanzierungslücken wird es dazu kommen müssen.
Über Tafelsilber in Form rentierlicher Unternehmensbeteiligungen verfügt die Stadt kaum mehr. Von dem hatte man sich schon vor 20 Jahren in Form der Schlossgartenbau AG und der EnBW-Beteiligung getrennt. Mit den Erlösen wurden diverse Haushalte gepolstert, es wurden neue Stadtwerke gegründet, die Bahnflächen erworben, und zuletzt musste die Landesbank mit rund einer Milliarde Euro gerettet werden.