Stuttgart will Fritz Bauer bekannter machen
Dem aus Stuttgart stammenden Nazi-Jäger und leidenschaftlichen Demokraten Fritz Bauer ist bis zum27. April eine Ausstellung im Stadtpalais gewidmet. Gleichzeitig ist eine frühe Personalakte aufgetaucht.
![Stuttgart will Fritz Bauer bekannter machen Fritz-Bauer-Ausstellung im Erdgeschoss des Stadtpalais.](/bilder/fritz-bauer-ausstellung-im-erdgeschoss-des-stadtpalais-871537.jpg)
© Jan Sellner
Fritz-Bauer-Ausstellung im Erdgeschoss des Stadtpalais.
Von Jan Sellner
Stuttgart - Bald 57 Jahre nach seinem Tod entdeckt Stuttgart mehr und mehr, dass es sich bei dem als Nazi-Jäger berühmt gewordenen Fritz Bauer um einen Sohn der Stadt handelt – sogar um einen besonders großen.
Nachdem Fritz Bauer auf Betreiben von Schülerinnen des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums, seiner früheren Schule, im vergangenen Jahr eine Gedenktafel im Stuttgarter Norden gewidmet wurde, erinnert nun das Stadtmuseum auf Initiative von Bürgermeister Fabian Mayer mit einer Ausstellung an den am 16. Juli 1903 in Stuttgart geborenen langjährigen hessischen Generalstaatsanwalt, dem es unter anderem zu verdanken ist, dass von 1963 bis 1965 der erste Auschwitz-Prozess in Frankfurt zustande kamen, und damit eine ernsthafte Aufarbeitung des Holocaust in Deutschland einsetzte.
Die jetzt eröffnete Ausstellung im Stadtpalais trägt den Titel „Fritz Bauer – Die Prozesse“ und ist in Kooperation mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg entstanden. Kurator Zino Preis will darin „das Prozesshafte“ im Leben Fritz Bauers nachzeichnen. Beginnend in Stuttgart, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte – zuerst in der Seestraße 59 und dann in der Wiederholdstraße 10 im Stuttgarter Norden. Hier machte er sein Abitur, entwickelte sich zum überzeugten Demokraten und engagierte sich früh im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, einer großen Vereinigung zur Verteidigung der jungen Weimarer Republik.
Hier, in Stuttgart, begann auch Bauers juristische Karriere. Nach dem Jura-Studium in Heidelberg, München und Tübingen trat er 1928 eine Stelle als Hilfsstaatsanwalt an. Zwei Jahre später wurde er Strafrichter und damit einer der jüngsten Amtsrichter der Weimarer Republik. Die Ausstellung wirft auch ein Schlaglicht auf den Prozess gegen den früherer Chefredakteur des Stuttgarter „NS-Kuriers“, Adolf Gerlach, der Bauer verleumdet hatte.
1933 erfolgte – ebenfalls in Stuttgart – der brutale Bruch: Die Nazis ließen Bauer in seinem Büro im Amtsgericht Stuttgart verhaften und steckten ihn für sechs Monate in die Konzentrationslager Heuberg und Oberer Kuhberg. Grund war seine frühere entschiedene Opposition gegen den Faschismus, weniger die Tatsache, dass er Jude war. Nach seiner Entlassung rettete er sich ins Exil – zuerst nach Dänemark, dann nach Schweden.
Nach dieser skizzenhaften Darstellung von Bauers Wirken in Stuttgart macht die Ausstellung einen Sprung – in den von Bühnenbildnerin Katharina Schlipf stilisierten Gerichtssaal im Frankfurter Haus Gallus, dem Schauplatz des 183 Verhandlungstage dauernden ersten Auschwitz-Prozesses. Besucher können sich hier mit Hörproben ein Bild des Prozessverlaufs machen. Die noch bis 27. April dauernde Ausstellung ist nach Auskunft des Stadtpalais als „Hybrid aus klassischer Ausstellung und Lernraum“ angelegt und richtet sich gezielt auch an junge Menschen, die sich in Workshops interaktiv mit der Person Fritz Bauer und dem Thema Demokratie beschäftigen können.
Unabhängig von der Ausstellung im Stadtpalais ist dem benachbarten Hauptstaatsarchiv Stuttgart jetzt ein Fund zu Fritz Bauer gelungen. Unter mehr als 13 000 Akten des Justizministeriums, die das Landesarchiv gegenwärtig sichtet und bewertet, kam eine schmale Personalakte über Fritz Bauer zum Vorschein, die in Stuttgart verblieben war. Darin findet sich ein Dienstzeugnis, angefertigt von Oberstaatsanwalt Alois Frank. Es hat die Zerstörung des Prinzenbaus am Schillerplatz im Zweiten Weltkrieg überstanden. In dem Zeugnis heißt es: „Gerichtsassessor Dr. Bauer war vom 16. Januar bis 1. Juni 1929 bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart beschäftigt. Er ist ein pünktlicher, fleißiger, rascher und ergiebiger Arbeiter. Seine Kenntnisse und Fähigkeiten sind gute. In der strafrechtlichen Literatur und Rechtsprechung kennt er sich gut aus. Bauer ist erhöhten Anforderungen voll gewachsen. Sein dienstliches Verhalten gab zu einem Tadel keinen Anlass. Über sein außerdienstliches Verhalten ist Nachteiliges nicht bekannt.“ Danach wurde Bauer zuerst stellvertretender Amtsrichter, dann, wie beschrieben, Richter am Amtsgericht. Die Akte enthält auch ein späteres Schreiben des Bundesjustizministeriums vom 29. Februar 1952. Auf die Bitte des Stuttgarter Justizministeriums, das Bauers Akten zur Bearbeitung seines Wiedergutmachungsverfahrens benötigte, antworteten die Bonner Kollegen: „Die Personalakten (...) sind hier im Augenblick nicht entbehrlich. Sie werden bei den z. Zt. laufenden Nachwahlen für ausgeschiedene Richter des Bundesverfassungsgerichts benötigt. Bauer ist zur Wahl als Richter beim Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen.“
Wie es dazu kam, warum nichts daraus wurde, ist bis dato unbekannt.