Ukraine-Debatte bei Caren Miosga

„Syrien ist eine Niederlage für Putin“

Der Umsturz in Syrien zeigt, dass Moskau nicht allmächtig ist. Trotzdem laufe es in der Ukraine für Putin gerade gut, sagen Experten im ARD-Talk.

Caren Miosga  sprach am Sonntagabend in ihrer Sendung mit Experten über den Ukraine-Krieg.

© NDR/obs

Caren Miosga sprach am Sonntagabend in ihrer Sendung mit Experten über den Ukraine-Krieg.

Von Christoph Link

Das Thema des Tages war der Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad und seine Flucht nach Moskau. Caren Miosga aber änderte ihr Programm am Sonntagabend nicht, sondern blieb beim geplanten Thema „1000 Tage Krieg gegen die Ukraine – wird jetzt verhandelt?“ Aber natürlich spielt Syrien in die Weltpolitik hinein und kam bei Miosga prominent zur Sprache.

Die Machtergreifung der islamischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) in Damaskus hat offenbar auch Russland überrascht, das Assad militärisch unterstützt hatte, am Ende aber nicht mehr engagiert. Viele russische Militärblogger auf „Telegram“ äußerten sich jetzt „völlig konsterniert“ über die neue Lage, so berichtete der Osteuropa-Reporter Moritz Gathmann bei Miosga, sie befürchten, dass Russland nun seine beiden Militärbasen in Syrien verliert.

Russische Basis in Tadschikistan halbleer

„Die Entwicklung ist ein gutes Zeichen, wenn man Frieden will“, meinte Gathmann. Es sei nun erwiesen, dass der 145-Millionen-Einwohner Staat Russland sich mit seinen Einsätzen „überdehnt“ habe angesichts seiner begrenzten wirtschaftlichen und militärischen Stärke. Überall habe Moskau mitmischen wollen, in Afrika und Zentralasien und natürlich in der Ukraine. Das gehe über seine Kräfte, im völkerrechtlich zu Georgien gehörenden Südossetien seien nur noch wenige russische Soldaten zu sehen, und in Tadschikistan stehe die russische Militärbasis halb leer.

Als eine „Freude“, die mit Sorge verbunden sei, beschrieb der außenpolitische Experte der CDU, Armin Laschet, sein Gefühl zu Syrien und zum Ende der Diktatur. „Da steht jetzt aber vieles auf der Kippe.“ Ob die neuen Kräfte einen Staat schafften, der Frauenrechte gewähre und den Menschen Freiheit anbiete, das bleibe abzuwarten. Wenn die neuen Machthaber aber signalisierten, dass sie gewisse Standards einhielten und in der Region kooperierten, könne die EU auch ihre Hilfe beim Wiederaufbau des Landes anbieten.

Stärkere Angriffe?

Ähnlich wie Gathmann sieht die Sicherheitsexpertin Claudia Major im Falle Syrien eine Beschneidung der russischen Macht und seines Einflusses. „Syrien ist eine Niederlage für Putin.“ Nachdem Putin seinen Verbündeten Assad hatten fallen lassen, stelle sich auch für andere Regime die Frage, „wie belastbar ist die Unterstützung durch Russland?“

Russland sei „vorübergehend geschwächt“, dass bedeute aber kein Nachlassen im Krieg gegen die Ukraine, im Gegenteil, sie erwarte da jetzt „ein stärkeres Engagement“. Bis zum 20. Januar, dem Tag der Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident, werde Putin versuchen eine gute Verhandlungsposition zu erreichen – durch Gewinne an der Front.

Ukraine-Krieg: Mehrheit wünscht sich Verhandlungen

Dabei stehen die Zeichen längst auf Verhandlungen und einem Waffenstillstand. Donald Trump hatte einen „sofortigen Waffenstillstand“ nach seinem Pariser Treffen mit den Präsidenten Emmanuel Macron (Frankreich) und Wolodymyr Selenskyj (Ukraine) gefordert. Auch Selenskyj habe seine Rhetorik längst geändert, rede seit langem nicht mehr vom Sieg, sondern nur noch vom Erreichen eines „gerechten und dauerhaften Friedens“. In einer aktuellen Umfrage sprechen sich 52 Prozent der Ukrainer für „möglichst zeitnahe Verhandlungen mit Russland“ aus. Die Ukrainer seien kriegsmüde, den Glauben an den Sieg hätten nur noch wenige, vor allem nicht die Soldaten an der Front, bemerkte Gathmann.

Claudia Major wollte dem nicht widersprechen, wies aber darauf hin, dass die meisten Ukrainer nicht auf Russlands Bedingungen eingehen wollten. Vor dem 20. Januar, wenn Putin wisse, was Trump wolle, werde es aber auf keinen Fall einen Waffenstillstand oder Verhandlungen geben: „Russland macht derzeit unter hohen Verlusten Landgewinne. Die Ukraine verliert gerade.“ Putin habe in dieser Situation kein Interesse an einem Waffenstillstand, er habe die Erwartung, dass aus der Frontlinie einmal die Waffenstillstandslinie werde.

Für Kiew die „Stachelschweintheorie“

Relativ ratlos oder mutlos blieb die Runde in ihren Antworten auf die Frage von Miosga, was denn nun vom Friedensplan des designierten US-Sonderbeauftragten für die Ukraine, Keith Kellog, zu halten sei. Da müsse man die Ukrainer mal fragen, antwortete Major. Kellogs Plan sieht eine starke Militärunterstützung von Kiew, eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland bei Verhandlungsbereitschaft, einen Waffenstillstand an der Frontlinie und einen Verbleib der besetzten Gebiete „vorerst“ unter russischer Herrschaft vor. Bis auf weiteres soll es auch keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine geben und langfristig sollten bilaterale Sicherheitsgarantien für Kiew abgegeben werden.

Nur zum Punkt Sicherheitsgarantie äußerte sich die Runde, wer sorgt dafür, dass nach einem Frieden die Ukraine nicht erneut von Russland angegriffen wird? Gathmann befürwortete nach der „Stachelschweintheorie“ eine langfristige, starke Militärunterstützung der Ukraine, damit Russland nicht erneut einen Angriff wage. Für das sogenannte „Israel-Format“ sprach sich Laschet aus, eine Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine sei völlig ausgeschlossen, aber so wie die USA eine Garantie für Israel gegeben habe, könne sie auch der Ukraine die Zusage - „Wir werden deine Sicherheit auf Dauer sichern“ - geben.

Das sah Claudia Major skeptisch, Laschets Beispiel sei nicht hilfreich, Israel sei militärisch allein schon stark und eine Atommacht. Major sieht in einer Nato-Mitgliedschaft eine Art Lebensversicherung, alles was darunter sei, das sei Partnerschaft aber nicht Bündnisbeistand.

Kritik am „Friedenswahlkampf“

Ganz ohne innenpolitische Seitenhiebe geht es nicht, wenn ein prominenter CDU-Politiker im Studio sitzt und so nutzte Armin Laschet die Gelegenheit, die Politik von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu kritisieren. Der habe „eine Chance vertan“, weil er nicht zur Wiedereröffnung der Kathedrale von Notre Dame nach Paris gefahren sei, um dort Trump, Macron und Selenskyj zu treffen, überhaupt habe er den Eindruck, dass Scholz am deutsch-französischen Verhältnis nicht besonders interessiert sei. Auch andere Einzelaktionen – Reise nach Kiew, Telefonat mit Putin – hätte Scholz besser gemeinsam mit Macron machen sollen.

Erbost ist Laschet auch über den „Friedenswahlkampf“ von Scholz. Parteiübergreifend solle man klar machen, dass Deutschland mehr für seine Sicherheit tun müsse, stattdessen stürze sich Scholz ins politische „Klein-Klein“ und behaupte, „der andere ist der Kriegsmensch und ich nicht“. Immerhin einmal äußerte Laschet auch Kritik am eigenen Parteivorsitzenden, Friedrich Merz. Dessen Wort, die Ukraine müsse gewinnen, Russland müsse verlieren, tat Moritz Gathmann als „Floskel“ ab, was Laschet auf Nachfrage von Miosga teilte: „Ich hätte es anders formuliert.“

Allgemein stellte Laschet fest, dass man in Deutschland mit einer Forderung nach Verhandlungen noch vor vier Wochen in die Ecke des „Putin-Treuen“ oder „Putin-Abhängigen“ abgedrängt worden wäre, und zwar quer durch alle Parteien. Wer nicht der Überzeugung war, dass der Krieg für die Ukraine militärisch zu gewinnen sei, der sei „unter Verdacht“ geraten. Heute sei das anders. Heute sei der Grüne Robert Habeck im übrigen bei der Lieferung von Waffen an Kiew noch „konsequenter“ als Merz.

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Erstellt:
9. Dezember 2024, 06:26 Uhr
Aktualisiert:
9. Dezember 2024, 06:31 Uhr

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