Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst

Tarifverhandlungen gescheitert – nun soll der Schlichter eingreifen

Die Arbeitgeber von Bund und Kommunen können sich nach viertägigem Verhandlungspoker nicht mit den Gewerkschaften Verdi und Beamtenbund einigen – dann lassen sie die Gespräche scheitern. Nun soll der Schlichter eingreifen.

Da ist die Stimmung noch gut: Verdi-Vorsitzender Frank Werneke (links) begrüßt Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

© dpa/Christophe Gateau

Da ist die Stimmung noch gut: Verdi-Vorsitzender Frank Werneke (links) begrüßt Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Von Matthias Schiermeyer

Die Tarifverhandlungen für die mehr als 2,5 Millionen Beschäftigen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind gescheitert – jetzt müssen unabhängige Schlichter zu Hilfe kommen. Das hat die Verhandlungsführerin des Bundes, Innenministerin Nancy Faeser (SPD), am Montagabend in Potsdam angekündigt. Die Gewerkschaft Verdi bedauerte dies. „Wir haben uns bis an die Schmerzgrenze bewegt“, sagte der Vorsitzende Franz Werneke. „Die Arbeitgeber haben unsere Einigungsvorschläge abgelehnt.“

„Egal, ob bei einer ausreichenden linearen Erhöhung oder einem Mindestbetrag als soziale Komponente, Altersteilzeit oder einem zeitgemäßen Arbeitszeitkonto – die Arbeitgeber haben sich vielen für die Beschäftigten wichtigen Forderungen weitgehend verweigert“, rügte Werneke. Die Arbeitnehmerseite sei bereit gewesen, die ganze Nacht zu verhandeln und habe auch eine vierte Verhandlungsrunde angeboten. „Bis kurz vor dem Erklären des Scheiterns der Verhandlungen durch die Arbeitgeber hat es immer neue Lösungsvorschläge durch Verdi gegeben, von daher bedaure ich es sehr, dass sich Bund und Kommunen in die Schlichtung flüchten.“

Faeser und die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge, konterten, die Gewerkschaften hätten sich zu wenig bewegt. „Ich erwarte auch von den Gewerkschaften Kompromissbereitschaft, damit wir am Ende einen guten Abschluss im Sinne der Beschäftigten haben werden“, sagte Faeser. Zuletzt ist es laut Welge um ein Volumen von 15 Milliarden Euro für zwei Jahre gegangen. Das sei für die Kommunen in dieser Dimension nicht leistbar. „Es war nicht realisierbar, einen Gesamtabschluss zu erzielen, der für uns auch nur ansatzweise zu vertreten gewesen ist“, sagte die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen.

Koch und Lühr als Schlichter nominiert

Die Schlichtung soll Faeser zufolge bereits innerhalb der nächsten drei Tage beginnen und Anfang April abgeschlossen werden. Währenddessen darf es keine Warnstreiks geben. Im Vorfeld der Tarifrunde hatten die Arbeitgeber den früheren Ministerpräsidenten von Hessen, Roland Koch (CDU), als Mediator nominiert – derweil für die Gewerkschaft wie vor zwei Jahren der frühere Bremer Finanz-Staatsrat Hans-Henning Lühr (SPD) moderieren soll. Der CDU-Politiker Koch ist diesmal der stimmberechtigte Schlichter im Falle eines Patts. Nach einer erfolglosen Schlichtung kann es immer noch zu einem Arbeitskampf kommen.

Werneke: Wir waren für eine Lösung bereit

Die Gewerkschaft habe zunächst in zähen Runden mit den Arbeitgebern versucht, einer Einigung näher zu kommen – dies sei offenbar nicht gewollt gewesen, sagte der Verdi-Chef Werneke. „Wir waren für eine Lösung bereit – unsere Verhandlungspartner ganz offenbar nicht.“ Am Montagnachmittag war durchgedrungen, dass die Arbeitgeber 5,5 Prozent angeboten hätten – zudem ein höheres 13. Monatsgehalt und höhere Schichtzulagen. Die Laufzeit blieb offen.

In den zurückliegenden Wochen seit der zweiten Runde der Tarifverhandlungen Mitte Februar hatten etliche zehntausend Beschäftigte die Arbeit zeitweilig niedergelegt; allein in der Woche vor der dritten Runde beteiligten sich nach Verdi-Angaben mehr als 150 000 Beschäftigte im gesamten Bundesgebiet an Warnstreiks.

Der baden-württembergische Verdi-Landeschef Martin Gross stellte fest: „Dass wir große Investitionen in die Infrastruktur brauchen, ist nach 15 Jahren Forderung durch uns Gewerkschaften jetzt endlich überall angekommen – dass wir im Gleichschritt große Investitionen in den öffentlichen Dienst und sein Personal brauchen, leider immer noch nicht.“ Mit einem „bewusst zu knapp gehaltenen Angebot“ hätten sich die öffentlichen Arbeitgeber offensichtlich „auf möglichst niedrigem Niveau in eine Schlichtung retten wollen“. Dies sei kein gutes Signal an die Beschäftigten und auch nicht an die deutsche Wirtschaft, die für den erhofften Umschwung auf einen funktionierenden öffentlichen Dienst angewiesen sei. „Wir wären bereit gewesen, auch weiter eine Lösung in freien Verhandlungen zu suchen“, beteuerte Gross.

„Beschäftigte sind Teil der Infrastruktur“

„So viel Verweigerung war nie“, rügte der Verhandlungsführer des Beamtenbundes, Volker Geyer. „Bund und Kommunen haben mit viel Verzögerung und destruktiver Energie einen Kompromiss verhindert.“ Mit dieser Taktik demotivierten die Arbeitgeber ihre Beschäftigten. „Es ist völlig richtig, dass wir unsere marode Infrastruktur sanieren müssen – aber klar ist doch auch: Die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst sind ein unverzichtbarer Teil dieser Infrastruktur.“ Nichts funktioniere ohne ausreichend Personal. „Ohne faire Bezahlung und attraktive Arbeitsbedingungen wird das aber nicht zu gewinnen sein.“

Belastung von 15 Milliarden Euro im Jahr

Verdi und Beamtenbund fordern acht Prozent mehr Lohn – mindestens 350 Euro pro Monat, zusätzlich drei freie Tage und mehr Souveränität bei der Arbeitszeit. Zudem soll es einen freien Tag nur für Gewerkschaftsmitglieder geben. Die Städte und Gemeinden befürchten dadurch mehr Personalmangel und eine Einschränkung der Öffnungszeiten bei kommunalen Leistungen.

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Erstellt:
17. März 2025, 22:22 Uhr
Aktualisiert:
17. März 2025, 23:18 Uhr

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