15. Todestag von Robert Enke

Teresa Enke: „Ich wollte mit dem Versteckspiel aufhören“

Vo 15 Jahren nahm sich Nationaltorwart Robert Enke das Leben. Seine Frau Teresa Enke sagt heut: „Damals wurde Deutschland wachgerüttelt“.

Teresa Enke will die Krankheit Depression aus der Tabu-Zone holen.

© dpa/Hauke-Christian Dittrich

Teresa Enke will die Krankheit Depression aus der Tabu-Zone holen.

Von rh/epd

. Im November 2009, vor 15 Jahren, hielt Fußball-Deutschland den Atem an. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sagte ein Länderspiel gegen Chile ab. Stattdessen fanden sich Bundestrainer Joachim Löw, Kapitän Michael Ballack und einige Spieler bei einer Trauerfeier in Hannover wieder. Denn einer aus ihrem Kreis fehlte plötzlich: Nationaltorwart Robert Enke von Hannover 96 hatte sich im Alter von 32 Jahren das Leben genommen. „Damals wurde Deutschland wachgerüttelt“, sagt Enkes Ehefrau Teresa Enke (48) heute. Wachgerüttelt für ein Thema, das im Sport bis dahin ein Tabu war: Depressionen.

Robert Enke, Publikumsliebling in Hannover, litt in den Monaten zuvor weitgehend unbemerkt unter einer Depression und war in ambulanter Behandlung bei einem Kölner Psychiater. Seine Krankheit versteckte er vor der Öffentlichkeit und auch vor den Verantwortlichen seines Clubs und der Nationalmannschaft. Einen Klinik-Aufenthalt lehnte er ab. „Er hatte Angst, dass sie nicht mehr an ihn glauben“, sagt Teresa Enke. „Und große Angst, dass sie uns unsere kleine Tochter Leila wegnehmen, die wir gerade adoptiert hatten.“

Pressekonferenz mit Teresa Enke ging um die Welt

Noch in der Nacht nach dem Tode ihres Mannes nahm Teresa Enke all ihren Mut zusammen und entschloss sich, am folgenden Tag vor die Presse zu treten. „Das habe ich spontan nachts um vier entschieden“, erzählt sie. Mit einigen Vertrauten saß sie zusammen und beriet sich, was zu tun war. Gleich die Wahrheit sagen oder eine andere Erklärung präsentieren? „Irgendwann habe ich dann gesagt: Ich möchte mit dem Versteckspiel aufhören und den Menschen klarmachen, weshalb Robbi diesen Weg gewählt hat.“

Die Bilder von der Pressekonferenz gingen um die Welt. Selbst in China und den USA wurde von dem Torwart berichtet, der sich wegen einer Depression das Leben nahm. Und von seiner Ehefrau, die mit tränenerstickter Stimme und doch gefasst vom langen Kampf des Paares gegen die Krankheit erzählte. „Man hatte das Gefühl, dass so etwas noch nie dagewesen ist“, sagt Teresa Enke. Viele Menschen hätten ihr geschrieben, sie hätten danach Mut geschöpft, sich selbst bei einer Depression helfen zu lassen. „Vielen ist klar geworden, dass eine Depression eine Krankheit ist und keine Schwäche.“

Zwei Monate nach dem Tod ihres Mannes ging die damals 33-Jährige noch einen Schritt weiter und gründete eine Stiftung. Die Robert-Enke-Stiftung will Sportler ermutigen, sich bei einer Depression rechtzeitig Hilfe zu suchen. Denn jedes Jahr sind rund 5,3 Millionen Erwachsene in Deutschland von der Krankheit betroffen. „Es kann jeden treffen, egal in welcher Lebensphase“, betont Teresa Enke. Rund 100 Sportpsychiater arbeiten inzwischen mit der Stiftung zusammen, begleiten Betroffene und gehen dabei auch gezielt auf ihre Situation in den Vereinen ein.

Nach dem Tod von Robert Enke bricht das Tabu

Durch das Engagement habe sich das Tabu rund um Depressionen bereits gelockert, bilanziert der Psychiatrie-Professor Marc Ziegenbein vom Wahrendorff Klinikum bei Hannover. 15 Jahre nach dem Tod von Robert Enke sei es im Sport normaler geworden, über psychische Erkrankungen zu sprechen. Trotzdem sei es noch ein langer Weg: „Ich fürchte, dass es in vielen Fällen immer noch Nachteile und Repressalien gibt.“ Das Wissen um Depressionen müsse noch stärker in den Clubs verankert werden.

Daran will auch Martin Amedick mitwirken. Der heute 42-jährige ehemalige Fußball-Profi hat 215 Bundesliga-Spiele für Dortmund, Kaiserslautern, Braunschweig, Frankfurt und Paderborn bestritten. Und 2010/2011 selbst eine Depression erlebt. „Da war eine innere Leere, eine Gefühllosigkeit“, erzählt der frühere Innenverteidiger in einem NDR-Interview. Die Krankheit habe sich angefühlt wie eine „Steinmaske“.

Anders als Robert Enke offenbarte sich Amedick nach anderthalb Jahren. Durch Medikamente und Psychotherapie ging es ihm bald besser. Heute berichtet er bundesweit Vereinen von seiner Erkrankung, um aufzuklären. Teresa Enke ist sich sicher: Mit dem Wissen von heute hätte auch ihrem Mann geholfen werden können. „Er hätte sich nicht umgebracht.“

Am Tag nach seinem Tod kamen rund 1.000 Menschen in Hannovers Marktkirche zu einer Trauerandacht zusammen. Unter ihnen auch Teresa Enke und die Spitzen der Nationalmannschaft. 20.000 Fans zogen danach zum Stadion, vor dem sich ein Meer aus Kerzen und Schals gebildet hatte. 35.000 Menschen nahmen am Sonntag darauf im Stadion Abschied von Robert Enke. „Diese Anteilnahme war Wahnsinn“, sagt Teresa Enke, die inzwischen zum zweiten Mal verheiratet ist. „Ich hoffe, Robbi hat es von oben gesehen. Dass die Menschen nicht nur um einen Fußballer getrauert haben, sondern ihn auch geschätzt haben für seine Menschlichkeit.“

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Erstellt:
9. November 2024, 11:26 Uhr

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