Autoindustrie
Trostpflaster für die Audi-Arbeiter in Brüssel
Das Werk in Belgien wird Ende Februar definitiv geschlossen. Management und Gewerkschaften einigen sich nun doch noch auf einen Sozialplan.
Von Knut Krohn
Die Audi-Mitarbeiter in Brüssel haben lange für ihr Werk gekämpft, nun sind sie müde. Denn es steht endgültig fest, dass am 28. Februar das letzte Fahrzeug vom Band laufen wird, rund 3000 Menschen werden entlassen. „Am Ende haben wird wenigstens noch einen kleinen Erfolg erzielt“, sagt ein Angestellter, zufrieden wirkt er allerdings nicht. Mit einigen Kollegen steht er im kalten Nieselregen vor dem Haupttor am Boulevard de la Deuxième Armée Britannique 201 im Brüsseler Stadtteil Forest. Kurz zuvor hatte das Management verkündet, dass man sich mit den Gewerkschaften doch noch auf einen Sozialplan geeinigt habe. Es sei eine „faire Vereinbarung für Arbeitnehmer und Sozialpartner“, betont Thomas Bogus, der Vorstandsvorsitzende von Audi Brüssel. 300 Millionen Euro wird das Unternehmen für einen Sozialplan auf den Tisch legen – zusätzlich zu dem gesetzlichen Kündigungsgeld.
Langer Streit um einen Sozialplan
Über ein halbes Jahr war über den Weiterbetrieb des Werkes, eine mögliche alternative Nutzung und auch über die zusätzliche Abfindung erbittert gestritten worden. Mitte Dezember hatte Audi dann das Scheitern aller Verhandlungen mit den Gewerkschaften und das endgültige Aus für das Brüsseler Werk verkündet. Statt eines Sozialplans bot das Management den Arbeitern individuelle Zahlungen an, was die Betriebsräte maßlos empörte. Damit werde die lange Tradition der Sozialpartnerschaft zerstört, hieß es. Doch Produktionsvorstand Gerd Walker verteidigte damals das Vorgehen: „Insgesamt gibt Audi für die Abfindungen mehr als doppelt so viel aus wie gesetzlich gefordert.“
In diesen Tagen kam dann schließlich die Nachricht, dass doch noch eine gemeinsame Lösung gefunden worden sei. Konkret heißt das, dass jeder Arbeiter mindestens 35 000 Euro bekommen wird. Zu diesem Betrag kommen ab dem fünften Jahr noch einmal 3300 Euro pro Dienstjahr hinzu. Wer also 35 Jahre bei Audi war, erhält 134 000 Euro. Wer allerdings bei einem Subunternehmer angestellt war, geht leer aus.
Probleme mit dem Audi-Luxusmodell
Das Werk in Brüssel hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mit Problemen zu kämpfen. Dort wurde ausschließlich das Luxusmodell Q8 e-tron gefertigt. Ursprünglich war von einer Produktion von 48 000 Fahrzeugen im Jahr 2024 die Rede. Diese Zahl wurde in den letzten Monaten regelmäßig nach unten korrigiert und war auf 36 000 gesunken. Nach Angaben aus Gewerkschaftskreisen sollen allerdings nur 25 000 Autos vom Band gelaufen sein. Dann hieß es, dass man auch von diesen Stückzahlen weit entfernt gewesen sei.
Doch nicht nur der Rückgang der Verkaufszahlen für den Q8 e-tron sprachen in den Augen der Verantwortlichen aus Deutschland gegen Brüssel. Das Werk habe im Vergleich zu anderen Standorten hohe Fixkosten und ein geringes Produktionsvolumen, was zu hohen Kosten pro Fahrzeug führe, hieß es im Sommer in einer Mitteilung aus Ingolstadt an die Mitarbeiter in Brüssel. Das zu ändern, sei in diesem Fall kaum möglich, vor allem wegen der eingeengten Lage des Werks zwischen einem Wohngebiet und einer Bahnlinie.
Erfolglose Suche nach einem Investor
Auch die Suche nach einem anderen Investor war am Ende erfolglos. Als unrealistisch erwiesen sich die Hoffnungen, dass ein chinesisches Unternehmen das Werk übernehmen könnte, um dort Elektroautos für den europäischen Markt zu bauen. Fachleute rechneten vor, dass solche Investoren eher nach Ost- oder Südeuropa gingen, wo die Gehaltskosten deutlich niedriger sind als in Belgien.
Auch an anderen Zukunftsideen für das Brüsseler Werk mangelte es nicht. Wegen der Erfahrung mit Elektromobilität könnte ein Batteriewartungs- und Recyclingzentrum entstehen, hieß es. Angesichts der immer strenger werdenden Umweltvorschriften sahen manche die Möglichkeit in der Aufrüstung oder Demontage von Altfahrzeugen. Wieder andere hofften auf ein Logistikzentrum für Ersatzteile. Doch aus all dem wird wohl nichts.
Unsichere Pläne für die Zukunft des Geländes
„Unser oberstes Ziel ist es, dass dort weiter Industriebetriebe angesiedelt bleiben“, beteuert Alain Mugabo, der in Brüssel zuständige Stadtrat für Stadtplanung. Er versucht, den Rückzug von Audi auch als Chance zu sehen. Denn ähnlich wie in anderen Großstädten fehlt es in Brüssel an Platz für die Ansiedlung von kleinen und mittleren Unternehmen. Im Gespräch ist auch, dass auf dem rund 54 Hektar großen Gelände stadtnahe Wohnungen entstehen könnten, doch es gibt keine potenten Interessenten. Stadt, Region und Bund haben als mögliche Bauinvestoren bereits abgewunken, ihnen fehlt schlicht das Geld.