Kreuzfahrten
TUI Cruises erwartet kräftiges Wachstum
Kreuzfahrten: 2030 könnten bereits 4,5 Millionen Bundesbürger auf eine Hochseereise gehen – 50 Prozent mehr als zuletzt. Reederei-Chefin Wybcke Meier rechnet mit guter Auslastung auch der neuen Luxusliner.

© imago/Jan Huebner
Mit rund 2 Milliarden Euro Umsatz ist TUI Cruises einer der führenden Kreuzfahrt-Anbieter in Deutschland.
Von Thomas Wüpper
Zur Schiffstaufe in Malaga ließ es Robbie Williams kräftig rocken. Der britische Entertainer spielte zum Start der „Mein Schiff Relax“ ein exklusives Konzert im Hafen der spanischen Küstenstadt für 12 000 Gäste. Zwei weitere Schiffe von TUI Cruises reisten für die Premiere eigens an, ebenfalls ausgebucht. Niemand wollte den Auftritt von Robbie Williams verpassen, den die Reederei für zwei Jahre auch als Werbefigur verpflichtet hat.
„Für dieses spektakuläre Event hat sich der große Aufwand wirklich gelohnt“, schwärmt Wybcke Meier hinterher im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Managerin leitet seit zehn Jahren das Hamburger Kreuzfahrtunternehmen, das je zur Hälfte dem Reisekonzern TUI und dem US-Riesen Royal Caribbean gehört, der Nummer 2 der Branche weltweit. Mit rund 2 Milliarden Euro Umsatz, 750 Beschäftigten und künftig neun Schiffen ist TUI Cruises zusammen mit AIDA, MSC und Costa einer der führenden Anbieter in Deutschland.
Branche auf Rekordkurs
Schon vor der Corona-Krise bereiteten Meier und ihr Team den komplexen Einstieg in eine noch größere Schiffsklasse vor. Inzwischen steuert die Branche wieder auf Rekordkurs und die Managerin kann sich freuen: „Unsere damaligen Planungen haben sich bestätigt.“ Voriges Jahr buchten rund drei Millionen Deutsche einen Urlaub auf hoher See, dieses Jahr werden mindestens 200 000 Gäste mehr erwartet. 2030 rechnet die Reederei-Chefin mit 4,5 Millionen Kunden für die Branche – das wäre ein Wachstum um weitere 50 Prozent.
TUI Cruises will davon einen möglichst großen Anteil und hat die Voraussetzungen geschaffen. Mit der neuen „Intuition“-Schiffsklasse können fast 4000 Passagiere auf die Reise gehen, nächsten Sommer folgt das erste Schwesterschiff, die „Mein Schiff Flow“. Solche schwimmenden Hotelstädte mit 333 Metern Länge und 19 Decks stoßen nicht bei allen Kunden auf Begeisterung.
Die sieben Kreuzer der bisherigen Flotte können bis zu 3000 Gäste aufnehmen. Warum hat man es nicht bei dieser schon stolzen Größe belassen? „Wir schaffen mit den beiden neuen Schiffen rund 40 Prozent mehr Kapazität, die wir angesichts der weiter wachsenden Nachfrage dringend benötigen“, erklärt Meier den Schritt. „Zudem können wir unseren Kunden nun eine noch vielfältigere Auswahl an Routen und Angeboten an Bord bieten.“
So könnte es perspektivisch Kreuzfahrten rund um Afrika geben, wenn dort mehr Häfen mit entsprechender Infrastruktur entstehen. Die aktuell geopolitisch bedingten Transafrika-Reisen werden bereits gut nachgefragt.
Die neuen Luxusliner werden von der italienischen Werft Fincantieri in Triest gebaut, die größere Modellplattform wurde schon 2018 konzipiert und der Auftrag für die beiden ersten Kreuzer unterschrieben. Die sieben Schiffe der bisherigen Flotte baute Meyer Turku, der finnische Ableger der deutschen Werft, die zuletzt in Finanznöten steckte. „In Italien bekamen wir damals einen früheren Liefertermin“, begründet die Managerin den Wechsel zur führenden Werft für Kreuzfahrtschiffe in Europa.
Auf das Ergebnis ist Meier sichtlich stolz. Doch kann man bei 4000 Passagieren an Bord noch von einem „Wohlfühl“-Schiff sprechen und sich relaxt entspannen, so wie es die Werbung und der neue Schiffsname versprechen? „Das Schiff ist gerade deshalb größer geworden, weil wir noch größere Ruhezonen geschaffen haben, wo man sich zurückziehen kann“, sagt die Managerin. Der öffentliche Raum je Gast sei nicht geringer als auf den kleineren Schiffen.
Auch Konkurrenz rüstet auf
Mit 85 Prozent Balkonkabinen gebe es auf den neuen Luxuslinern zudem noch mehr Zimmer mit Meerblick als bisher. Für den beliebten Mix aus Entspannung und Aktivität sorge zudem das bewährte Bordangebot von Wellness, Sport, Unterhaltung und Kulinarik, betont Meier. Wer skeptisch sei, solle sich selbst überzeugen und an Bord kommen: „Wir bekommen von den bisherigen Gästen viele positive Reaktionen, manches Vorurteil wurde schon korrigiert.“
Kreuzfahrten sind allerdings kein ganz billiges Vergnügen und TUI Cruises gehört zu den gehobenen Anbietern. Ein verschärfter Wettbewerb könnte die Preise in den nächsten Jahren sinken lassen, zumal auch die Konkurrenz weitere neue Schiffe ins Rennen schicken will. So hat Marktführer Aida zwei neue Kreuzer bestellt, die allerdings frühestens 2030 starten werden. Einen ruinösen Preiskampf indes erwartet Meier nicht: „Überkapazitäten verhindert schon die Tatsache, dass die vier Werften in Europa, die große Kreuzfahrtschiffe bauen können, auf Jahre hinaus ausgelastet sind.“ Zudem habe der deutsche Markt noch großes Potenzial. „Jedes Jahr reisen mindestens 70 Millionen Bundesbürger in Urlaub, weniger als fünf Prozent wählen bisher eine Hochseekreuzfahrt, da gibt es noch sehr viel Luft nach oben“, erläutert die Managerin.
Die neuen Schiffe seien schon sehr gut gebucht, auch die „Mein Schiff Flow“, die schon vermarktet wird. Deren Taufe wird erst im Sommer 2026 wieder am Mittelmeer stattfinden – ob wieder mit einem Auftritt von Robbie Williams, will die Managerin noch nicht verraten.
Info
KritikKreuzfahrten stehen wie das Fliegen wegen der Umweltbelastung in der Kritik. TUI Cruises sieht sich als Vorreiter beim Klimaschutz und will den ökologischen Fußabdruck seiner Flotte stark reduzieren. Die neue „Mein Schiff Relax“ nutzt Dual-Fuel-Motoren, die mit Flüssiggas (LNG) und emissionsarmen Bio- und E-LNG betrieben werden können, soweit vorhanden. Damit können schädliche Abgase deutlich verbringt werden. Während des Aufenthalts in Häfen kann das Schiff mit umweltschonendem Landstrom versorgt werden.
UmwelthilfeAn Bord gibt es Abgasreinigungssysteme, die Stickoxide um 75 Prozent senken, außerdem thermisches Abfallmanagement für organische Stoffe sowie eine Kläranlage. TUI Cruises will bis 2030 die CO2-Emissionen gegenüber 2019 um 27,5 % senken und bis spätestens 2050 eine klimaneutrale Flotte betreiben. Klimaaktivisten halten die Versprechen der Branche für wenig belastbar und werfen auch TUI Cruises Greenwashing vor. Die Deutsche Umwelthilfe gewann voriges Jahr einen Prozess gegen das Unternehmen wegen früherer Werbeaussagen. wüp