Über Auenwald zu Olympia in Paris

Oberbrüdens Spitzenspieler Taiwo Mati ist die große Tischtennishoffnung seines Heimatlands Nigeria. Mit einem Stipendium des Weltverbands ausgestattet lebt sowie trainiert der 16-Jährige an der Topspin-University in Bietigheim und glänzt beim Verbandsligisten als Punktegarant.

Mit viel Gefühl im linken Händchen und großen Zielen fest im Blick: Taiwo Mati. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Mit viel Gefühl im linken Händchen und großen Zielen fest im Blick: Taiwo Mati. Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

„Ohne ihn wäre es für uns mit dem Verbandsliga-Verbleib knapp geworden.“ Oberbrüdens Routinier Oliver Letzgus spricht über Taiwo Mati, blickt rüber zu der Tischtennisplatte, an der sich der 16-Jährige gerade mit Daniel Quiram fürs Spitzenspiel gegen den TB Beinstein warm macht, und stellt fest: „Da könntest du eigentlich ein Lehrvideo drehen, wenn du das siehst.“ Was den Mann, der es auf rund 50 Jahre Tischtenniserfahrung bringt und der mit den Auenwaldern bereits in der Oberliga erfolgreich auf Punktejagd ging, fast schon ins Schwärmen bringt, das sind die Bewegungen und Schläge seines jungen Mitstreiters. „Der hat einfach alles drauf“, sagt gut eineinhalb Stunden später ein Zuschauer anerkennend über Oberbrüdens Nummer eins und freut sich trotzdem, wenn Matis Gegner einen Punkt macht, ist der Besucher doch ein Anhänger von Beinstein.

Denjenigen, der Freund und Gegner gleichermaßen positiv beeindruckt, bezeichnet Oliver Letzgus „als Ausnahmespieler“ in der Verbandsliga. Die bisherige Bilanz des 1,70 Meter großen Linkshänders bestätigt die Einschätzung. In den bisherigen fünf Saisonspielen der Auenwalder hat der Teenager alle seine zehn Einzel und an der Seite von Daniel Quiram sowie Heiko Tomaschek alle sechs Doppel gewonnen. Für Oberbrüden macht er den Unterschied zwischen Abstiegskampf und einem Platz im vorderen Mittelfeld. Bis zum Vergleich mit dem Titelfavoriten Beinstein war der TSV noch ohne Niederlage. Einzig Nachbar TV Murrhardt hatte der Sechs um Teamkapitän Quiram beim 8:8 einen Punkt abgerungen.

Afrikas vielleicht größtes Tischtennistalent selbst kennt diese Statistiken und gibt sich im Gespräch entsprechend ehrgeizig. Er, der die Heimat verlassen hat, um sich in Deutschland das Rüstzeug für die großen Aufgaben und seine großen Ziele zu erarbeiten, sagt: „Die Olympischen Spiele 2024 in Paris sind mein nächstes großes Ziel.“ 19 Jahre wäre er dann erst alt und die bedeutendste Sportveranstaltung der Welt in der Stadt der Liebe könnte der Start auf dem langen Weg zum besten Tischtennisspieler seines Kontinents werden.

Der Junge mit dem feinen linken Händchen weiß, dass ein Stipendium des Weltverbands und das tägliche Training in Bietigheim eine große Hilfe für ihn sind. Er weiß aber auch, dass diese Dinge und die Einschätzung, in seiner Altersklasse einer der besten Spieler der Welt zu sein, keine Garantie bieten, die erhofften Ziele zu erreichen. Trotzdem hat er diesen Sommer seine Familie und das 200-Millionen-Einwohner große Nigeria mit einem Abschluss am katholischen St. James Gymnasium in der Tasche verlassen, um im über 4 000 Kilometer entfernten Schwabenland sein sportliches Glück zu finden. „Meine Eltern und Brüder vermisse ich schon sehr“, gesteht der 16-Jährige und sagt: „Wir telefonieren und kommunizieren aber sehr viel über Video-Call.“ Und er erfährt dabei aus der Heimat viel Unterstützung, denn: „Meine Familie ist stolz auf mich.“

Erleichtert wird ihm das Leben in Deutschland dadurch, dass er sich beim TSV Oberbrüden gut aufgehoben fühlt: „Hier sind mir gegenüber alle sehr positiv eingestellt und sehr freundlich.“ Hinzu kommt, dass er in Bietigheim von weiteren jungen Topspielern umgeben ist. Insgesamt 16 Talente trainieren in der mit dem Regionalligisten TTC Bietigheim-Bissingen verbundenen Akademie. Acht dieser Plätze belegen Nachwuchskönner, die nicht aus der Region, sondern beispielsweise aus Estland, Russland oder eben Nigeria stammen. Alle hoffen, irgendwann einmal auf internationaler Ebene den Durchbruch zu schaffen.

So wie Taiwo Mati, der gerade seinen Traum lebt. Denn Verbandsliga-Spiele für Oberbrüden sind nur ein kleiner Teil seines Tischtennisdaseins. Der weitaus größere sind das Leben und tägliche Üben mit hauptamtlichen Trainern an dem Leistungszentrum, Einsätze im hochkarätig besetzten Bietigheimer Jugendteam und vor allem Turniere. Vor dem Auenwalder Duell mit Beinstein war der Junge aus dem nigerianischen Ondo in Italien im Einsatz. Am Tag nach dem Topduell ging es nach Slowenien. Die Einsätze in der Verbandsliga sind für ihn eine Art Wettkampfpraxis im Männerbereich zwischendurch und fürs Team aus Auenwald offenbar entscheidend für die Frage, zittern oder nicht zittern beim Kampf um den Klassenverbleib.

Mit 14 in Afrika U-21-Meister

Erfolge Taiwo Mati hat in Afrika bereits in jungen Jahren für Aufsehen gesorgt. Vor zwei Jahren gewann er als 14-Jährige die afrikanische U-21-Meisterschaft. Bislang war das sein wohl bedeutendster Sieg. Wobei wegen der Coronaproblematik in den vergangenen Monaten sehr viele Nachwuchsturniere ausfielen. In der U-17-Weltrangliste nimmt Taiwo Mati derzeit den 13. Rang ein.

Ersatz Zum TSV Oberbrüden kam Taiwo Mati, weil die Auenwalder nach dem Abgang von Sahin Yildiz zum Oberligisten Hegnach fürs vordere Paarkreuz eine Verstärkung suchten. Fündig wurden sie in Bietigheim.

Volkssport In Nigeria sei Tischtennis nach Fußball der beliebteste Sport, sagt Mati. Seine Vorbilder sind unter anderem der deutsche Weltklassetischtennisspieler Timo Boll und Fußballstar Cristiano Ronaldo.

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Erstellt:
3. November 2021, 06:00 Uhr

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