Badner feiern, Schwaben spülen
Umstrittenes Mehrwegkonzept beim Konstanzer Weihnachtsmarkt
Als erster Weihnachtsmarkt stellt Konstanz komplett auf Mehrweg um. Doch gespült wird am anderen Ende von Baden-Württemberg.
Von Eberhard Wein
Kulinarisch ist der Konstanzer Weihnachtsmarkt schon immer etwas Besonderes. Außer der unvermeidlichen Roten gibt es Spezialitäten wie Raclette, Dünnele oder Ochsenfetzen. Wenn die Stände auf der Marktstätte und am Seeufer am 28. November öffnen, sind aber nicht nur die Speisen, sondern diesmal auch die Behältnisse, in denen sie serviert werden, eine Attraktion. Als erster großer Weihnachtsmarkt in Baden-Württemberg steigt Konstanz komplett auf Mehrweggeschirr um.
Bisher wurden – wie bei den meisten anderen Weihnachtsmärkten im Land auch – nämlich nur die Glühweintassen gespült. Weil die Stadt den Veranstaltern aber auch für die Speisen ein Einwegverzicht auferlegt hatte, halfen sich die Gastronomen zuletzt mit essbaren Tellern und Schalen. Den Geschmack der Marktbesucher habe die Geschirrkulinarik nicht unbedingt getroffen, räumt Markt-Organisator Tommy Spörrer ein. Die wenigsten hätten nach dem Genuss von Schupfnudeln oder Pommes hinterher noch nachhaltig ihren Teller aufgeknabbert. „Das meiste wanderte in den Restmüll. Wir hatten riesige Mengen.“
Ein 40-Tonner packt 200 000 Teile
Insofern ist er froh, mit dem Kölner Start-up Vytal einen Partner für den Umstieg auf ein Mehrwegsystem gefunden zu haben. Konstanz wäre allerdings nicht Konstanz, wenn nicht auch dies Kritik und Spott heraufbeschwören würde. Denn das Geschirr wird zwar eingesammelt, aber erst einmal nicht gespült. Dafür muss es 280 Kilometer über die Autobahn bis an die württembergisch-fränkische Grenze gekarrt werden. Immerhin: eine Lastwagenfuhre pro Woche werde wohl reichen, glaubt der Vytal-Mitgründer Fabian Barthel. Das Mehrwegplastikgeschirr sei so leicht und gut zu stapeln, dass ein 40-Tonner locker 200 000 Teile transportieren könne. Und wegen der niedrigen Temperaturen im Winter seien in der Zwischenzeit auch keine Schimmelprobleme zu erwarten.
Badner feiern, und Schwaben spülen hinterher ab. Ein solches Motto müsste in Konstanz, wo man an der Fasnacht gerne über den württembergischen Landesteil lacht und lästert, eigentlich gut ankommen. Doch viele schütteln den Kopf. „Der ökologische Sinn ist ja wohl nicht ganz getroffen“, sagt der stellvertretende Dehoga-Kreischef und ehemalige Konzilspächter Manfred Hölzl. Es handele sich nicht so sehr um ein Mehrweg-, als vielmehr um ein Langweg-Konzept.
Auch der Wasen arbeitet mit Vytal zusammen
Aus Sicht von Vytal ist der Geschirrtourismus allerdings unvermeidbar. „Eine lokale Spülung wäre natürlich besser“, gibt Barthel zu. Aber es gehe um Hygiene. „Plastikgeschirr ist kein einfaches Spülgut.“ Dafür brauche es eine 16 Meter lange Spezialmaschine, die Teller, Schalen und Besteck nicht nur sauber, sondern auch wieder trocken mache – und dabei äußerst effizient arbeite. „Wir brauchen 80 Prozent weniger Wasser und 50 Prozent weniger Energie als mit einer herkömmlichen Gastronomie-Spülmaschine“, sagt Barthel.
Schon bei der Stuttgarter Euro-Fanzone und beim Cannstatter Wasen war das 2021 gegründete Kölner Unternehmen im Geschäft. Da war die Fahrt zur Spülmaschine allerdings 160 Kilometer kürzer. Momentan fehle es noch an Auftraggebern in der Fläche, sagt Barthel. Doch je mehr Städte mit ihren Großveranstaltungen auf Mehrwegkonzepte einschwenkten, desto mehr Spülmaschinenstandorte könnten in der Nähe eröffnet werden.
Auch jetzt schon sei das Mehrwegsystem aber eine ökologische Verbesserung, versichert Veranstalter Organisator Spörrer. Das essbare Geschirr hätten die Standbetreiber palettenweise aus Asien kommen lassen. „Was sind da ein paar Lastwagenfahrten ans andere Ende von Baden-Württemberg?“