Unterricht trifft Bauernhof
Einmal im Monat tauschen Mädchen und Jungen der Danielschule Murrhardt die Schulbank mit Aufgaben in Stall oder Gehege und einem naturnahen Lernen auf dem Hof von Kristin Strohmaier. Das bedeutet Mehrarbeit, zahlt sich aber aus Sicht des pädagogischen Teams aus.

© Stefan Bossow
Kristin Strohmaier mit (von links) Lina, Noah, Vanessa und Junes im Ziegengehege. Mama Clara hat vor einigen Wochen Nachwuchs gekommen, den die Kinder kennenlernen können. Fotos: Stefan Bossow
Von Christine Schick
Murrhardt. Auf dem Hof von Familie Strohmaier im Sulzbacher Teilort Schleißweiler ist jede Menge Lernpersonal unterwegs: Streicher- und Laufenten watscheln gar nicht so langsam durchs Gras, zwischendrin flitzt ein Huhn entlang der Beete, die Islandponys Campino und Oskadis schauen aus dem Gatter und eines der Kinder von Zwergziege Clara macht mit einem deutlichen „Määäähhh“ auf sich aufmerksam. Außerdem sind da noch Ole, ein großer Labradoodle, und Lille, eine gerade mal 18 Wochen alte Hündin, in der Australian Shepherd und Berner Senner stecken und die noch ziemlich verspielt ist. Nicht zu vergessen die Kaninchen, die sich gut mit den Zwergziegen verstehen und mit ihnen eine Wohngemeinschaft bilden.
Sie alle inklusive Kristin Strohmaier im Schulterschluss mit dem pädagogischen Team sind zuständig für die Kinder der ersten und vierten Klasse – beim Bauernhoftag der Murrhardter Danielschule. Das heißt zuallererst, die Tiere zu versorgen. Manche haben Futter bekommen, andere eine Pflegeeinheit – einige der Mädchen und Jungen haben die Ponys gestriegelt. „Die Kinder sollen alles erledigen, was auch sonst im Tagesablauf zu tun ist, um nicht mit irgendwelchen künstlichen Situationen arbeiten zu müssen“, sagt Kristin Strohmaier. Flankiert wird die praktische Erfahrung mit Lernstoff, den die Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die Tiere erarbeiten. Die Kinder haben in Kleingruppen sogenannte Steckbriefe über ihre Mitgeschöpfe zusammengestellt, die sie den anderen vorstellen.
„Ziegen kommen aus Westafrika“, „Sie fühlen sich auf der Wiese wohl und dort, wo es nicht regnet“ und „kleinen Ziegen kann schon ein Rabe gefährlich werden“ berichten einzelne Kinder. Dass die horntragenden Paarhufer sich genüsslich über Zweige und Blätter hermachen, können die Grundschüler an diesem Tag selbst immer wieder beobachten. Die Lehrerinnen Bronwen Paetzold und Daniela Konrad, Schulsozialarbeiter Tim Schwanitz und Sozialpädagogikstudentin Annette Weidenbach teilen die 16 Kinder anschließend in zwei Gruppen auf. Während die einen eine Spieleinheit durchlaufen, haben die anderen die Aufgabe, sich Gedanken zu einem Klettertrainings- und Spielgerüst für das Ziegengehege zu machen und einen ersten Entwurf zu zeichnen. „Natürlich müssen wir überlegen, mit welchen Themen wir an welche Fächer anknüpfen und das einbinden können“, sagt Bronwen Paetzold. Heißt es den Matheunterricht zu integrieren, gibt es beispielsweise die Möglichkeit, die Tiere nach Gewicht zu ordnen. Noch praktischer funktioniert die Sache, wenn es ein konkretes Projekt auf dem Hof gibt. Vor einiger Zeit haben die Grundschüler das Gatter des Ziegen- und Kaninchengeheges erneuert. „Da mussten sie die Holzteile genau abmessen und planen, wie tief die Pfosten in die Erde kommen“, erzählt die Lehrerin. Kristin Strohmaier freut es, dass das Team um Schulleiterin Talita Schmitt diesen entscheidenden Schritt gegangen ist. „Die meisten Rektorinnen oder Rektoren finden die Idee der Bauernhoftage toll, aber es geht dann auch um die Frage, wie sich der Unterricht nach draußen bringen lässt“, sagt sie. Solch eine kontinuierliche Begleitung war immer ihr Wunschtraum. Da dies bei Talita Schmitt, Rektorin der staatlich anerkannten christlichen Schule in Trägerschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, genauso wie bei Markus Witte, der bei den adventistischen Bekenntnisschulen in Baden-Württemberg für Bildung und Erziehung Ansprechpartner ist, auf großes Interesse und Resonanz traf, wurden Nägel mit Köpfen gemacht, erzählt Kristin Strohmaier. Nach einer Probezeit von September bis Dezembervergangenen Jahres startete die Schule die Bauernhoftage nun im Januar.
Einmal im Monat sind die Grundschüler – Klasse eins bis vier in verschiedenen Konstellationen – auf dem Hof und das Konzept soll so fortgeführt werden, dass die Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss in der zehnten Klasse das Lernen auf dem Hof nutzen können. Für Kristin Strohmaier, die über das Projekt natur- und tierpädagogische Themen an der Schule begleitet und sich zudem als Tiertrainerin um Schulhunde und tiergestützte Pädagogik im adventistischen Landesverband kümmert, ist das praktische und sinnliche Lernen von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört der respektvolle und achtsame Umgang mit den Tieren genauso wie der mit den Gaben der Natur. Das kann die Erfahrung beim Äpfelaufsammeln sein, dass kleinere Macken an den Früchten im Gegensatz zu faulen Stellen absolut nicht ausmachen, oder wie unterschiedlich Zuckerapfel und Birne schmecken. Kristin Strohmaier hat auch noch jede Menge Ideen für die Bauernhoftage auf der Liste stehen – vom Lamascheren über Grasernte und Heumachen bis hin zu Einblicken in die Arbeit mit Kühen und die Herstellung von Käse und anderen Milchprodukten.
„Es ist etwas ganz anderes, die Tiere und Natur zu erleben, als wenn die Kinder davon im Unterricht nur hören“, sagt Daniela Konrad. Dazu gehören für sie auch die Körpererfahrungen beim Draußensein – ob es kalt ist und man sich an einer Tasse Tee aufwärmen kann oder ob es heiß ist und Bäume Schatten spenden – genauso wie das Erleben der Veränderungen über die Jahreszeiten hinweg. „Sie sehen, wie die Natur im Frühjahr sprießt und die Tiere ihr Fell wechseln.“ Dies mit einem vollen Unterrichts- und Stundenplan umzusetzen, bedeute schon viel Organisation, „für die Kinder lohnt es sich aber“. Auch in weiterer Hinsicht sind die Bauernhoftage für sie von Bedeutung, weil sie die Kinder in einem völlig anderen Setting erlebt und teils ganz neue Facetten an ihnen kennenlernt. So könne sich beispielsweise ein Klassenkasper bei der praktischen Arbeit von einer komplett anderen Seite zeigen. „Man erfährt viel über die Kinder“, sagt sie und dass es sie beeindruckt, wie sie sich ins Zeug legen, wenn etwas für die Tiere zu tun ist. „Als Lehrerin bin ich ja oft mit der Frage konfrontiert: Wozu brauch ich das im Leben?“ Über die praktischen Aufgaben verändere sich auch die Einstellung zum Lernen. Zwischendurch stellt Bronwen Paetzold außerdem fest: „Ich sehe richtig, wie sie das freie Spiel auf dem Hof entstresst.“ Insofern ist der Bauernhoftag auch jenseits von Lernzielen in ganzheitlichem Sinne wertvoll.

© Stefan Bossow
Die Grundschüler haben auch ganz praktische Aufgaben wie das Striegeln der Islandponys.
Schulprofil In der Danielschule Murrhardt haben ein ganzheitlicher Unterricht und der Naturbezug einen wichtigen Stellenwert im Profil. Neben den Bauernhoftagen gibt es beispielsweise noch die Ackerdemie, bei der die Kinder gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern Gemüse anbauen.
Träger Die Danielschule ist eine staatlich anerkannte Realschule, Träger ist die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten Baden-Württemberg. Weitere Infos finden sich unter https://murrhardt.adventisten.schule.