Trotz Sparprogramm
Verschenkt Porsche wirklich Milliarden an die Aktionäre?
2,1 Milliarden Euro schüttet der Sportwagenhersteller in diesem Jahr an die Anleger aus - trotz Sparprogramm und einbrechender Gewinne. Wie passt das zusammen?

© dpa/Boris Roessler
Im Herbst 2022 brachten Porsche-Chef Oliver Blume (rechts) und der damalige Finanzvorstand Lutz Meschke die Porsche-AG-Aktie an die Börse.
Von Klaus Köster
Die Dividende zählt zum Lohn der Aktionäre – und der kann sich in diesem Jahr beim Stuttgarter Sportwagenhersteller Porsche AG sehen lassen. Das Ergebnis nach Steuern ist zwar um 30 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro gefallen, doch für die Anleger soll sich nichts ändern – pro Vorzugsaktie gibt es wie im vergangenen Jahr 2,31 Euro.
Die Ausschüttungspolitik bei Porsche ist für die Branche ungewöhnlich großzügig. Die Dividenden für die 911 Millionen Aktien summieren sich auf 2,1 Milliarden Euro und damit fast 60 Prozent des eingebrochenen Nachsteuergewinns. Ist das angemessen?
Die Muttergesellschaft Volkswagen schüttet von ihren Gewinnen nur knapp 30 Prozent aus – die Ausschüttungsquote ist damit nur halb so hoch wie bei Porsche. Auch Mercedes liegt mit 40 Prozent deutlich darunter, ebenso BMW mit 37 Prozent. Allerdings gibt es bei beiden große Aktienrückkaufprogramme, die die Aktionäre ebenfalls erfreuen, weil sie dazu führen, dass künftige Ausschüttungen auf weniger Aktien aufgeteilt werden müssen.
Dividende ist ein Kaufkriterium
Für viele Anleger ist die Dividende ein Kaufkriterium – obwohl sie in den Aktienkursen im Grunde bereits enthalten ist. Das lässt sich an der Entwicklung der Kurse am Tag nach der Hauptversammlung ablesen. Die Dividende steht demjenigen Aktionär zu, der das Papier am Tag der Hauptversammlung hält – wer sie am Tag darauf kauft, geht leer aus, obwohl sie erst später ausgezahlt wird. Der Wegfall des Rechts auf die Auszahlung der Dividende für das Vorjahr führt meist zu einem Kursabschlag und wird in der Börsennotierung durch den Zusatz „ex Dividende“ kenntlich gemacht.
Vordergründig spielt es somit keine große Rolle, ob ein Unternehmen Gewinne über Jahre im Aktienkurs ansammelt oder in Form der Dividende zulasten des Kurses ausschüttet. Die Dividendenpolitik enthält aber auch eine Botschaft über das Vertrauen von Vorstand und Aufsichtsrat in das eigene Unternehmen. Von Anfang an kündigte Porsche bei seinem Börsengang eine Ausschüttungsquote von rund 50 Prozent des Nachsteuerergebnisses an. Dass man nun noch darüber hinausgeht, soll bekräftigen, dass das Vertrauen trotz schwächerer Zahlen ungebrochen ist. Auch ist der Cash-Flow, der Zufluss von Barmitteln, im Gegensatz zum Gewinn kaum gesunken.
Die Rolle der Familienstämme
Weil die Verhältnisse im Volkswagen-Porsche-Kosmos kompliziert sind, lohnt sich auch ein Blick auf die gemeinsame Muttergesellschaft Porsche SE. Sie hält rund 32 Prozent aller Aktien an Volkswagen und 12,5 Prozent aller Anteile an der Volkswagen-Tochter Porsche AG.
Die SE ist das Vehikel, über das die Familienstämme Porsche und Piëch ihre Anteile an den beiden Autoherstellern halten. Mit den Dividenden von Porsche und vor allem von Volkswagen bezahlt sie ihrerseits Dividenden, die für die Familien ein wesentlicher Teil ihres laufenden Einkommens sind.
Muttergesellschaft lebt von Dividenden
Die SE ist aber nicht nur für das Einkommen der Eigentümerfamilien zuständig, sondern finanzierte auch maßgeblich deren direkten Einstieg beim Stuttgarter Sportwagenhersteller im Jahr 2022. Dafür nahm sie hohe Schulden auf, die inzwischen auf fünf Milliarden Euro zurückgeführt wurden. Weil die SE weder Fabriken betreibt noch Autos verkauft, sind verlässliche Dividendenzahlungen von Volkswagen und Porsche eine Voraussetzung für die Schuldentilgung.
Deutlich wichtiger als die Dividende der Porsche AG ist für die SE die Ausschüttung von Volkswagen, die nun aber ebenso eingebrochen ist wie die VW-Gewinne. Auf den ersten Blick wäre es somit naheliegend, zur kontinuierlichen Schuldentilgung die VW-Dividende konstant zu halten, was angesichts gesunkener Gewinne einer Erhöhung der Ausschüttungsquote entspräche. Diese wäre bei Volkswagen nur schwer zu vermitteln – auch deshalb, weil die Ertragskraft viel geringer ist als die von Porsche und weil das Unternehmen ein deutlich härteres Sparprogramm fährt als die Tochter in Stuttgart und in Deutschland 35 000 Stellen streichen will.
Ohne die Dividende aus Stuttgart wäre die Lage noch schwieriger – schließlich fließen drei Viertel der Porsche-Dividende an die Muttergesellschaft in Wolfsburg.
Turbokapitalismus gibt es bei VW nicht
Selbst wenn die Familien bei Volkswagen und Porsche maßgeblichen Einfluss haben – ein Großteil der Ausschüttungen von Volkswagen und der Porsche AG fließt an andere Aktionäre. Der Streuverlust einer Ausschüttungspolitik, die vor allem die schnelle Schuldentilgung im Sinne hätte, wäre somit hoch.
Hinzu kommt, dass es bei Volkswagen kaum möglich ist, die Politik der milliardenschweren Familienstämme in die Schublade des ruchlosen Selbstbedienungs-Kapitalismus einzusortieren. Schließlich verfolgt sie in dem Konzern seit jeher eine ausgeprägt arbeitnehmerfreundliche Politik.
Selbst der Betriebsrat hält sich zurück
In kaum einem Unternehmen haben die Arbeitnehmervertreter so weitreichende Rechte – was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass bei VW in Deutschland in weiten Teilen ein Haustarifvertrag gilt, der an vielen Stellen noch über den Flächentarifvertrag der IG Metall hinausgeht. Nicht einmal in der Hochphase der Auseinandersetzungen um das Sparpaket vergaß VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo daran zu erinnern, dass die Familien eng mit VW verbunden seien.
Ohnehin erfüllt sich ihre Forderung nach einem Sparbeitrag der Familien fast von selbst. Denn durch den Gewinneinbruch bei VW müssen sie Einbußen hinnehmen, die weit höher sind als das, was den Beschäftigten über das Sparpaket zugemutet wird. Wohl auch deshalb ist es um die Forderung nach Kürzungen für die Eigentümerfamilien still geworden.