EU-Gipfel in Budapest
Viktor Orban plant eine One-Man-Show
Der ungarische Premier lädt zum EU-Gipfel nach Budapest und sieht sich nach dem Wahlsieg von Donald Trump in einer gestärkten Position.
Von Knut Krohn
Viktor Orban sprüht vor guter Laune. Der ungarische Regierungschef hat endlich die große Bühne, die er sich so lange erträumt hat. In der Puskas-Fußballarena in Budapest heißt er in diesen Tagen nicht nur die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten zu einem Gipfel willkommen. Im Rahmen der Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) waren bereits am Donnerstag 20 weitere Partnerländer zu dem Treffen eingeladen. Ungarn hat bis Jahresende den rotierenden EU-Ratsvorsitz inne.
Orban wird oft als Autokrat verspottet
Orbans Freude hat noch einen anderen Grund. Der Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen hat die Position des oft als Autokrat verspotteten Premiers innerhalb der EU deutlich verbessert. Er hat den besten Draht zum künftigen Präsidenten, den er als „guten Freund“ bezeichnet. Orbans politische Gegenspieler in der EU hingegen kämpfen ums Überleben. Olaf Scholz ist nach dem spektakulären Platzen der Regierungskoalition in Berlin ein Bundeskanzler auf Abruf. Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gilt nach dem starken Abschneiden der extremen Rechten bei der Parlamentswahl politisch als lahme Ente.
Diesen Ritt auf der Erfolgswelle will Viktor Orban auskosten. Selbstbewusst hat er angekündigt, dass während des Gipfels eine Videoschaltung zu Donald Trump geplant sei. Ob die Staats- und Regierungschefs diesen Teil der Orban-Show zulassen werden, ist allerdings ungewiss. Denn Ziel war es, wenige Tage nach der US-Wahl Stärke gegenüber Washington zu demonstrieren – die politische Realität in der EU ist jedoch eine andere. Weder in der Wirtschaftspolitik noch bei der Verteidigung herrscht Einigkeit.
Kein Signal der Geschlossenheit der EU
Auch in Richtung Moskau sollte von Budapest aus ein Signal der Geschlossenheit gesendet werden. Doch selbst daraus wird nichts. Denn Putin-Freund Orban glaubt, der europäischen Politik auch in diesem Bereich seinen Stempel stärker aufdrücken zu können. Grund dafür ist ebenfalls die US-Wahl.
Auch Donald Trump hat immer seine guten Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gepriesen und versprochen, den Krieg innerhalb eines Tages zu beenden. Wie er das machen will, ist sein Geheimnis, doch Viktor Orban sieht sich etwa in seiner Weigerung bestärkt, Waffen an die Ukraine zu liefern. Der Ungar will wie Trump eine „Verhandlungslösung“ mit Putin zur Ukraine. Andere in der EU fürchten einen „Diktatfrieden“ mit großen Gebietsverlusten für Kiew.
Der ungarische Premier fühlt sich inzwischen so sicher, dass er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj persönlich zu dem Treffen in Budapest eingeladen hat. Es wird für den Staatschefs aus Kiew die erste Möglichkeit nach der US-Wahl, die Stimmung in der EU zu sondieren. Doch die ist nicht gut, denn es ist klar, dass die Europäer in Zukunft nicht nur bei der Ukraine-Hilfe, sondern insgesamt bei der Verteidigung wesentlich mehr schultern müssen.
Eigentlich geht es um Wettbewerbsfähigkeit
Der ebenfalls nach Budapest eingeladene neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat diese Mahnung bereits mehrfach an die europäischen Mitglieder der Allianz gerichtet. Das werde nach dem Sieg Donald Trumps noch wichtiger, der gedroht hat, sich aus dem Bündnis zurückzuziehen. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erinnerte die Teilnehmer an dem Treffen bei der Begrüßung am Donnerstag dann allerdings daran, dass man nicht nach Budapest gekommen sei, um nur über die Folgen der US-Wahlen zu diskutieren. Im vorläufigen Entwurf der Abschlusserklärung heißt es, dass es darum gehe, sich auf einen „neuen europäischen Deal für Wettbewerbsfähigkeit“ zu einigen. Um die Teilnehmer auf dieses Ziel einzuschwören, war Mario Draghi eingeladen worden, der frühere italienische Regierungschef und Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Er hat den Europäer in einem 400 Seiten starken Bericht jüngst die Leviten gelesen und vor der mächtigen Konkurrenz aus den USA und China gewarnt. Als Reaktion forderte er „zusätzlich jährliche Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro“ in Wirtschaft, Verteidigung und Klimaschutz.
Doch selbst angesichts dieser, in Draghis Worten, „existenziellen Herausforderung“ zeigt sich die EU gespalten und scheint nicht zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung bereit. Dieses Nichtstun wird in der Gipfelerklärung von Budapest diplomatisch formuliert. Dort heißt es, die Europäer wollten in den von Draghi genannten Bereichen „die Entwicklung neuer Instrumente prüfen“.