Virtuos und leidenschaftlich gespielt

Das Duo La Vigna mit Theresia Stahl (Blockflöten) und Christian Stahl (Laute und Theorbe) begeistert bei seinem ersten Konzert in Murrhardt zahlreiche Zuhörer mit Barockmusik aus verschiedenen Ländern.

Im Heinrich-von-Zügel-Saal boten Theresia und Christian Stahl Barockmusik mit Blockflöte und Basslaute dar. Foto: E. Klaper

Im Heinrich-von-Zügel-Saal boten Theresia und Christian Stahl Barockmusik mit Blockflöte und Basslaute dar. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. Hochkarätigen Kulturgenuss beschert das Duo La Vigna, das bedeutet übersetzt der Weinberg, bei seiner Konzertpremiere in der Walterichstadt. Das Musikerehepaar Theresia und Christian Stahl aus der Weinbauregion Radebeul bei Dresden hat sich auf die faszinierende Tonkunst der Barockzeit spezialisiert und ein abwechslungsreiches Programm im Gepäck. Theresia Stahl ist eine Virtuosin auf diversen Mitgliedern der Blockflötenfamilie, darunter auch der „Voice Flute“ (Stimmenflöte), die etwa 1730 hinzukam, Christian Stahl ein Meister der Theorbe oder Basslaute und der Barocklaute.

Voller Musizierfreude, Virtuosität und Empathie interpretiert das Duo kunstreich gestaltete und festliche, klanglich und emotional facettenreiche Werke aus verschiedenen europäischen Ländern. Zwar steht aufgrund der schwierigen Situation der Coronapandemie im Heinrich-von-Zügel-Saal wegen der Abstands- und Hygieneregeln nur eine wesentlich geringere Zahl an Plätzen zur Verfügung. Nichtsdestotrotz lockt die Veranstaltung des städtischen Kulturamts zahlreiche Musikfreunde an, sodass bald alle Stühle besetzt sind und noch weitere aufgestellt werden müssen.

Von Anfang an herrscht eine erwartungsfrohe, stimmungsvolle Atmosphäre, denn die Künstler verzaubern ihr Publikum und versetzen es in große Begeisterung mit ihren attraktiven Darbietungen. Mit originalgetreu nachgebauten Instrumenten und in kongenialer, detailgenau aufeinander abgestimmter eleganter Duo-Interaktion bringen sie die vielfältige, kontrastreiche Klangwelt der Barockmusik zum Ausdruck. Deren zentrales Anliegen ist es, die ganze Bandbreite der menschlichen Gefühle, seelischen Erregungszustände und Leidenschaften möglichst kunstvoll musikalisch, aber auch spannungsgeladen und affektreich wiederzugeben.

Der filigrane Klang der
Basslaute passt ideal zur kontrastvollen Blockflöte.

Im Zentrum des Konzertabends stehen die italienische Musik mit oft opernhaft ausdrucksstarken Gefühlsdarstellungen sowie der Violinist und Komponist Arcangelo Corelli, den man auch „Orpheus des Barocks“ nannte. Er war laut Christian Stahl besonders innovativ und der erste Musiker, der ausschließlich Instrumentalkompositionen hinterließ. So übte er einen revolutionären Einfluss aus auf seine Zeitgenossen, die Entwicklung des Musikstils und diverser Werkgattungen seiner Epoche. Beim Musizieren sei er „von Leidenschaft hingerissen“ gewesen, was er mit übersteigerter Mimik und Gestik zeigte. „Er investiert sich so sehr in seine Musik, dass er nicht mehr wie derselbe Mann aussieht“, zitiert Stahl einen zeitgenössischen Beobachter.

Das Duo La Vigna präsentiert Corellis Sonate Nr. 4 Opus 5 mit fünf Sätzen, die in ihrer außerordentlich vielschichtigen und ästhetischen Gestaltung an die Tonkunst von Johann Sebastian Bach erinnert. Ursprünglich für Violine geschrieben, hat sie das Ehepaar Stahl für Blockflöte und Theorbe bearbeitet. Stilvoll bringen die Musiker die Kontraste zur Geltung zwischen teils atemberaubend schnellen, ornamental reich verzierten Koloraturen und langsamen Kantilenen der Blockflöte, die wie Gesang wirken.

Ideal passt dazu der filigrane, elegante Klang der Theorbe, einer Basslaute mit einem verlängerten Hals, auf dem sich ein zweiter Wirbelkasten befindet. Sie war vom Anfang des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in verschiedenen Ausführungen in ganz Europa verbreitet und diente vorwiegend als Begleitinstrument für Sänger und andere Instrumentalisten, seltener auch als Soloinstrument. Feinsinnig bringen Theresia und Christian Stahl auch die Gegensätze zum Ausdruck zwischen heiter verspielten Melodien und schwermütigen, wie Seufzer oder Klagerufe wirkenden Tonfolgen.

„Wer mit Freude zu Werk geht, dem ist keine Angelegenheit zu schwer“: Diesem Rat des Italieners Dario Castello fürs Musizieren folgen die Künstler bei jedem Vortrag. Verglichen mit Corelli klingen Werke seiner Landsleute schlichter, doch vielseitig charakterisiert. Lediglich Antonio Vivaldi erreicht Corellis hohes künstlerisches Niveau, wie das Duo La Vigna mit dessen viersätziger Sonata III Opus 2 beweist. Ein klangfarbenreiches, temperamentvolles Juwel mit attraktiver, eingängiger Melodik, Harmonik und tänzerisch schwungvoller Rhythmik.

In reizvollem Kontrast dazu stehen vier im Charakter verschiedenartige, tänzerisch beschwingte Lieder aus Francesco Barsantis Sammlung alter schottischer Volksweisen. Weitere Hörgenüsse sind Werke im französischen Stil für Barocklaute solo, die Instrumentenbauer um 1640 in Frankreich entwickelten. Deren im Vergleich zum italienischen Stil eher ruhige, melodische und nachdenkliche Klangsprache erinnert noch etwas an die Renaissance. Ohrenschmeichler sind kurze, anmutige höfische französische Tänze von Anne Danican Philidor in unterschiedlichen Tempi und Rhythmen.

Mit tosendem Applaus danken die Zuhörer Theresia und Christian Stahl für das grandiose Hörerlebnis. Schade nur, dass kein ausgedrucktes Programm ausliegt und die Künstler dies erst während des Konzerts erfahren.

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Erstellt:
25. August 2020, 06:00 Uhr

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