Vom Nutztier zum Träger genetischer Vielfalt
Beim Festakt zum Jubiläum „125 Jahre Geflügel- und Kaninchenzuchtverein Murrhardt“ stehen Zuchterfolge und der Einsatz für eine artgerechte Tierhaltung im Zentrum der Ansprachen. Waren früher wirtschaftliche Aspekte wichtig, spielt heute auch die Erhaltung alter Rassen eine Rolle.
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Der Geflügel- und Kaninchenzuchtverein ist einer der traditionsreichsten Vereine der Walterichstadt. Er wurde 1899 gegründet in der dynamischen Zeit des Königreichs Württemberg und des deutschen Kaiserreichs, als Murrhardt erst etwa ein Drittel der heutigen Einwohnerzahl hatte, verdeutlichte Bürgermeister Armin Mößner beim Jubiläumsfestakt im Heinrich-von-Zügel-Saal.
Trotz vieler Veränderungen, Krisen und Kriegen, Höhen und Tiefen entwickelte sich der Verein bis heute gut weiter: Er ist ein wichtiges Forum des Austauschs und erste Adresse für die Kleintierhaltung und -zucht, die dazu beiträgt, die Vielfalt der Rassen zu erhalten. Die hochkarätigen Zuchterfolge und Auszeichnungen bei vielen Ausstellungen, Schauen und Wettbewerben von der Lokal- bis zur Bundesebene beweisen Fachwissen, Fachkenntnis und Können der Züchterinnen und Züchter, die sich für Natur- und Umweltschutz engagieren. Zudem führen sie Kinder und Jugendliche an den verantwortungsvollen Umgang mit Tieren heran.
Beziehung zu Tieren als Psychohygiene
Und: „Menschen fühlen sich wohler, wenn sie Tiere haben“, gerade in unserer heutigen hektischen und hoch technisierten Welt, wies Mößner auf einen wichtigen gesundheitlich-psychologischen Aspekt hin. Seit jeher herrsche eine gute Zusammenarbeit zwischen Verein und Stadt, die für die Zuchtanlage einen Bebauungsplan aufstellte. Darum „wird eine Lösung für die Lokalschau im Herbst gefunden“, trotz des laufenden Umbaus der Stadthallenterrasse, wobei die Stadt den Verein unterstütze, sagte der Rathauschef zu. Er überreichte dem Vorsitzenden Wolfgang Hess den symbolischen Jubiläumsscheck der Stadt über 1250 Euro, zehn Euro für jedes Jahr des Vereinsbestehens.
In einem vorgeführten Kurzvideo aus
der ARD-Reihe „Wissen vor acht“ erklärte Eckart von Hirschhausen, wie bedeutend die Kleintierzucht für die Erhaltung alter Rassen und der genetischen Vielfalt ist. In der Zeit um 1900 gründeten meist Honoratioren einer Kommune solche Vereine. Aber: „Damals war es schwierig, an Zuchttiere zu kommen“, die oft teuer waren und „von weither importiert werden mussten, wobei die Eisenbahn eine wichtige Rolle spielte“, erinnerte Hansjörg Opalla, Landesverbandsvorsitzender der Rassegeflügelzüchter, an die schwierigen Anfänge. Standen bei der Zucht früher wirtschaftliche Aspekte wie Eier und Fleisch im Vordergrund, seien es heute die Erhaltung genetischer Ressourcen und die private Hühnerhaltung im Garten. „Dem Verein ist es gelungen, sich den Veränderungen des Zeitgeists anzupassen, darum steht er heute gut da“, lobte Opalla, der Hess die Jubiläumsehrenurkunde und ein Präsent überreichte.
Im Geflügel- und Kaninchenzuchtverein funktioniere das Miteinander der Kleintierzüchter verschiedener Sparten: „Alle ziehen an einem Strang“, dies sei zukunftsweisend, betonte Ulrich Hartmann, Landesverbandsvorsitzender der Rassekaninchenzüchter. Für die Zukunft gelte es Traditionen zu bewahren, weiterzuentwickeln und neue Wege zu eröffnen sowie die Rassen im Sinn des Tierschutzes zu erhalten und weiterzuentwickeln. Auch Hartmann übergab Hess Jubiläumsurkunde samt Präsent und zeichnete Züchter Waldemar Dietrich mit der Silberplakette des Bundeslandwirtschaftsministeriums aus. Denn dessen Zuchtgruppe mit vier Tieren der Kaninchenrasse „Blaue Wiener“ gehörte zu den am höchsten bewerteten bei der 36. Bundeskaninchenschau in Leipzig 2023. Zum Jubiläum gratulierte auch Roland Knödler, Vorsitzender des benachbarten Kleintierzuchtvereins Welzheim. Ebenso Gerhard Schwegler, stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbands der Kleintierzuchtvereine: Er dankte Wolfgang Hess für seine langjährige Arbeit und sein großes Engagement im Murrhardter Verein und im Kreisverband, dessen Vorsitzender er auch einige Jahre war.
Schon seit der Jugend im Verein
Außerdem gab es zwei besondere Ehrungen: Wolfgang Hess ernannte Joachim Schlauch und Gustav Ehle zu Ehrenmitgliedern und würdigte deren Verdienste und Einsatz für den Verein. Schlauch ist seit 1961 Mitglied, erfolgreicher Kaninchen- und Geflügelzüchter, zudem arbeitete er von Anfang an ehrenamtlich mit, unter anderem als Zuchtwart Geflügel von 1981 bis 1984. Ehle ist erfolgreicher Kaninchenzüchter, war seit seiner Jugend im Kleintierzüchterverein RSK Esslingen aktiv, trat 1979 dem Murrhardter Verein bei und war Schriftführer von 1981 bis 2001.
Die musikalische Umrahmung des Festakts gestalteten Pianistin Larisa Posunko und ein Chor aus Gesangsschülerinnen und -schülern der Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land mit fröhlich swingenden Melodien, darunter der passende Comedian-Harmonists-Schlager „Ich wollt, ich wär ein Huhn.“