Vom Zauber einer starken Gemeinschaft

Im Schulalltag ist ein respektvoller und rücksichtsvoller Umgang miteinander wünschenswert. Dafür, wie der gelingen kann, hält das theaterpädagogische Team von Q-rage einige Vorschläge bereit. Auf Initiative der Schulsozialarbeit ist es an der Hörschbachschule zu Gast.

Jörg Pollinger und Sandra Hehrlein vom Theater Q-rage schlüpfen in verschiedene tierische Rollen und halten immer wieder inne, um mit ihrem jungen Publikum über die Szenen zu sprechen. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Jörg Pollinger und Sandra Hehrlein vom Theater Q-rage schlüpfen in verschiedene tierische Rollen und halten immer wieder inne, um mit ihrem jungen Publikum über die Szenen zu sprechen. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Jörg Pollinger vom Theater Q-rage aus Ludwigsburg steht mit aufgestellten Plüschohren und verschränkten Armen da. Seine Kollegin Sandra Hehrlein will von den Zweit- und Drittklässlern der Hörschbachschule wissen, wie der Wolf denn wohl so drauf ist. „Der verpasst allen ein blaues Auge“, sagt ein Kind und dass er ziemlich viel Kraft hat. Auch bei den anderen Figuren des Theaterstücks „Tierisch gut!“ fällt den Mädchen und Jungen eine schnelle Charakterisierung nicht schwer. Das Kaninchen ist nicht besonders mutig und lispelt noch dazu, die Ziege meckert eine Menge, der Panda ist ein genüsslicher Vielfraß und die Schnecke rein tempomäßig absolutes Schlusslicht. Die bunt zusammengewürfelte Schulklasse ganz verschiedener Tiere kommt denn auch nicht gerade gut miteinander klar. Das Schauspielduo skizziert mit bestechend einfacher, liebevoller Kostümierung die Konflikte, die sich zwischen den einzelnen auftun. Die Ziege wehrt sich gegen den Wolf, weil alle nach seine Nase tanzen sollen, ist aber selbst nicht zimperlich, was den Panda anbelangt. Als der bei einem Wettrennen mit dem Kaninchen Schiedsrichter sein möchte, wird er von ihr und dem Wolf ausgebremst. Sie lassen ihn einfach nicht mitmachen.

Hilfe holen bei Not ist nicht petzen

„Der Panda tut mir richtig leid, der ist voll nett“, sagt die Schnecke. Allmählich bilden sich zwei Gruppen aus den vermeidlich schwächeren und stärkeren Tieren und die Sache spitzt sich zu. Schließlich entschließt sich die Schnecke, zur Lehrerin Eule zu gehen. „Petzen geht gar nicht“, schimpft die Ziege. Gemeinsam mit den Kindern wird immer wieder analysiert. Insofern fragt Jörg Pollinger: „Stimmt das, petzen geht gar nicht?“. Doch. Die Mädchen und Jungen tragen zusammen: Es ist in Ordnung, Hilfe zu holen, wenn jemand in Not ist, „wenn jemand Schmerzen hat“ oder „sich weh getan hat“. Das kann ja auch die Seele betreffen. „Hilfe holen, für sich oder jemand anderen, das braucht Mut“, sagt Pollinger.

Die Eule ist zur Stelle und hat für ihre Klasse eine besondere Aufgabe: Sie soll ein Zaubermittel finden, mit dem sich jeder gut fühlen kann und zwar genau so, wie er ist, sodass auch die Gruppe wieder harmoniert. Auf dieser gemeinsamen Suche werden nicht nur die Schwächen, sondern auch die Stärken der Einzelnen deutlich. Die Eigenschaften der Tiere haben so etwas wie ein Doppelgesicht: Die Schnecke ist zwar unglaublich langsam, kann sich aber dadurch den Weg und die Einzelheiten ganz genau merken. Das Kaninchen hat als kleiner Hasenfuß schrecklich Angst. Als ein Feuer ausbricht, rettet der besorgte Teamplayer gemeinsam mit der Ziege der Schnecke aber das Leben. Die Tiere lernen sich nicht nur besser kennen, sie wachsen auch immer mehr als Klassengemeinschaft zusammen. Will heißen, ein Zaubermittel ist gar nicht mehr nötig. Einerseits gilt es, tolerant zu sein, jemanden so zu nehmen, wie er ist, ob „arm oder reich, schnell oder langsam“, andererseits besteht quasi immer die Chance, die (neu entdeckten) Stärken zu nutzen. Der Wolf beispielsweise kann seine Kraft für die Gruppe einsetzen, statt zu beißen. „Der Zauber steckt in jedem von uns. Jeder ist gut, wie er ist, und kann etwas dafür tun, dass es der Gruppe besser geht“, sagt Sandra Hehrlein.

Eine Schwäche wird zur Stärke

Die Klassen bekommen nicht nur einen grünen Stein zur Erinnerung an den Theatervormittag, sondern haben an zwei weiteren Tagen noch Workshops, bei denen sie nochmals ans Stück anknüpfen und die Themen Rücksichtnahme, Gemeinschaft und Vielfalt vertiefen können. „Dabei geht es darum, für die Andersartigkeit des Gegenübers Verständnis zu haben“, erklärt Hehrlein. Im Theaterstück ist ja deutlich geworden, dass aus einer Schwäche auch schnell eine Stärke werden kann und dass solch ein Perspektivwechsel bei Konflikten äußerst hilfreich ist. Um das zu üben, gehören auch die Workshops sowie weiteres Material für die Schule und Schulsozialarbeit zum Gesamtpaket von Q-rage im Sinne eines ganzheitlichen, nachhaltigen Angebots. „Sonst verpufft das auch zu schnell“, so Hehrlein. Schulsozialarbeiterin Nicole Mangold freut sich sehr, dass dieses Projekt für die Hörschbachschule im Schulterschluss mit dem Ludwigsburger Theater auf die Beine gestellt werden konnte. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Tobias Brändle und dem Kollegium hatte sie nach einer Möglichkeit gesucht, die Themen Klassenzusammenhalt und Respekt mit den Kindern gemeinsam anzugehen. Als sie dann einen Tipp zur Arbeit von Q-rage bekam, stieß sie auf das Theaterstück. „Mir war klar, dass das unglaublich gut passt.“ Denn das eine sei, den Kindern generell etwas zur Thematik gewaltfreie Kommunikation, fairem Streiten und zur Frage eigener Stärken zu erzählen, das andere, das spielerisch auf unterschiedlichen Ebenen mit theaterpädagogischen Gästen vermittelt zu bekommen.

Das Projekt für die Schule und die Kinder haben drei Vereine ermöglicht

Unterstützung Das Projekt für die Zweit- und Drittklässler der Hörschbachschule, über 70 Kinder, konnte durch die finanzielle Hilfe dreier Vereine ermöglicht werden: der Initiative Sicherer Landkreis Rems-Murr (50 Prozent) sowie des Fördervereins Schulsozialarbeit und des Kinderschutzbunds Murrhardt (je 25 Prozent).

Paket Neben dem interaktiven Theaterstück „Tierisch gut!“ können sich die Kinder in zwei Seminaren mit der Thematik befassen. In Begleitung eines Q-rage-Ensemblemitglieds geht es um „Selbstwertstärkung“ und „Stärken zu stärken“ sowie wahlweise um das Thema „faires Streiten“ oder „stark im Team“. Sandra Hehrlein erklärt, dass es für einen fairen Streit verschiedene Methoden gibt. Zu diesen gehört beispielsweise zuzuhören, zu beschreiben, wie es einem geht und was man sich vom anderen wünscht. Wer dabei bleibt, seine Gefühle in Worte zu fassen, läuft nicht so sehr Gefahr, anzuklagen, den anderen in eine Verteidigungshaltung zu bringen und den Streit so anzuheizen. Nicht zuletzt möchte das Team auch den Blick für Andersartigkeit und Vielfalt schärfen. „Das heißt, es geht auch darum, zu überlegen, welche Eigenschaften hab ich vielleicht vom Wolf und von der Schnecke.“ Weitere Infos zur Arbeit unter www.q-rage.de.

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Erstellt:
20. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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