Von Bildern, die im Dienst einer Symbolik stehen

Julia Matveyeva und Emanuel Gebauer führen im katholischen Gemeindezentrum in die frühchristliche Kunst und in mögliche Lesarten ein.

Julia Matveyeva und Emanuel Gebauer haben die Thematik in ihrem ersten Vortrag mit vielen Beispielen beleuchtet. Heute widmen sie sich weiteren Facetten. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Julia Matveyeva und Emanuel Gebauer haben die Thematik in ihrem ersten Vortrag mit vielen Beispielen beleuchtet. Heute widmen sie sich weiteren Facetten. Foto: Stefan Bossow

Von Petra Neumann

Murrhardt. Einen außergewöhnlich spannenden Vortrag über die tiefere Bedeutung der frühchristlichen Kunst und ihren Einfluss auf die späteren byzantinischen Mosaiken und Malerei hielten Emanuel Gebauer und die Kunsthistorikerin und Künstlerin Julia Matveyeva im katholischen Gemeindezentrum Murrhardt. Durchdrungen von tiefem Glauben sind diese Inhalte „Wege zum göttlichen Licht“, so der Titel der Veranstaltung.

Einfluss der Antike wird abgelöst

Die frühe christliche Kunst war noch sehr von der Antike beeinflusst. Dies drückt sich auch in der eher typisierten statt individualisierten Darstellung von Figuren und Gesichtern aus. Lediglich die römische Porträtbüste bemüht sich um eine real wirkende Gesichtszüge. Eigentlich sollte sich laut der Bibel der Gläubige kein Bild von Gott machen und auch die ersten Einflüsse des Islams, der ebenfalls eine bildliche Wiedergabe des Heiligsten verbietet, führten dazu, dass in dieser Frühphase der byzantinischen Kunst, die später wiederum für die Entwicklung der abendländischen Kultur entscheidend war, darüber diskutiert wurde, ob Christus überhaupt als Mensch gemalt werden durfte.

Schließlich entstand die Vorstellung, dass es ein Acheiropoieton, also ein nicht von Menschenhand geschaffenes Kultbild geben müsse. Daraus folgt, dass dieses nicht verändert werden darf, da es das einzige wahrhaftige Bild ist. Die daraus resultierende Darstellung ist wegen der genannten Gründe sehr stilisiert und mit der späteren Porträtmalerei nicht zu vergleichen. Die Gottesmutter ist zum Beispiel frontal abgebildet, sie hält das Christuskind hoch und führt mit dem Finger der rechten Hand einen Segensgestus aus. Hochinteressant waren auch die Ausführungen zu den Malereien in den frühen Katakomben, wo die Verstorbenen beigesetzt wurden. „Diese Form der Erdbestattung kam wahrscheinlich wieder mit dem Christentum auf“, erläuterte Emanuel Gebauer. Der Malerei fiel dabei die Aufgabe eines Verweischarakters zu. Sie wurde gleichsam zum Symbol, welches das Transzendente mit dem Irdischen verbindet. In dieser Zeit kamen die sogenannten Mumienporträts auf, welche Verstorbene wiederzugeben scheinen. Heute weiß man, dass auch sie trotz aller Porträthaftigkeit einem stereotypen Schema folgten. „Dennoch sind sie Erinnerungsbilder, welche die Präsenz der Entschlafenen hier auf Erden bewahren sollten“, führte der Referent aus. Ebenso bewegen sich die von der byzantinischen Kunst inspirierten Mosaiken in der Basilika San Vitale in Ravenna auf zwei Ebenen. Sie beziehen sich einerseits auf in der Bibel beschriebenen Episoden, andererseits sind die Bildobjekte ein Verweis auf eine übergeordnete Sphäre. Zwölf Schafe verkörpern in einem der Mosaiken von Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna die Apostel, da sie das Lamm Gottes, also Jesus Christus begleiteten, der wiederum im abstrahierenden Symbol des Kreuzes erscheint. Die Abstraktion selbst besitzt eine viel mächtigere Wirkkraft als das reale Abbild, da sie das dem Irdischen Übergeordnete ausdrückt.

Bildelemente und ihre Bedeutung

Julia Matveyeva hob ein ganz wichtiges Motiv in der byzantinischen Kunst hervor: den Vorhang. In den Evangelien wird beschrieben, wie der Vorhang des Tempels in Jerusalem, der das Allerheiligste, nämlich die Bundeslade, in der die Zehn Gebote verwahrt wurden, verhüllte, in zwei Teile zerriss, als Jesus starb.

Das bedeutet einerseits, dass das Heiligtum nicht mehr verborgen ist, andererseits, dass der Vorhang mit dem Körper Christi eng in Verbindung steht. „Und nicht nur Christus, sondern auch wir, die in seinem Lichte wandeln, haben ein Körpergewebe“, unterstrich Julia Matveyeva. Sie führte diesen Aspekt an Motiven der Ikonenmalerei aus. Dort hat die schwangere Gottesmutter beispielsweise einen roten, das Leben symbolisierenden Faden in der Hand, den sie sich vor den Bauch hält. Gleichzeitig ist es aber auch der als Erwachsener dargestellte Embryo, von dem in Wahrheit dieser Faden ausgeht. Aus einem Faden wird ein Gewebe hergestellt. Die Mosaiken von Sant’Apollinare Nuovo zeigen die offenen Vorhänge des Palasts von Theodosius dem Großen. Sie sind nicht mehr verschlossen, da Christus sozusagen die Tür ist, die zum Göttlichen führt, so die Interpretation.

Vortrag und Chormusik

Fortsetzung Der zweite Vortrag mit Julia Matveyeva und Emanuel Gebauer findet am heutigen Donnerstag, 14. März, um 18 Uhr ebenfalls im katholischen Gemeindezentrum, Blumstraße 30 in Murrhardt, statt. Der Titel lautet „Spuren der religiösen Kunst von Byzanz in Europa“, wobei es auch um eine Annäherung an das Ostermysterium geht. Das Herangehen soll in einer betrachtenden und meditativen Weise erfolgen, verbunden mit Musikbeiträgen. Der Kirchenchor von St. Maria, Murrhardt, unter der Leitung von Monika Koblinger trägt Gesänge aus der orthodoxen Chrysostomus-Liturgie vor. Der Eintritt am Abend ist frei, um eine Spende wird gebeten.

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Erstellt:
14. März 2024, 06:00 Uhr

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