Von der gebrochenen Leichtigkeit des Seins

Theatelier fabula et cetera hat sich mit „Die letzte Zigarette“ ein Stück herausgesucht, bei dem Beziehungen im Mittelpunkt stehen. Die Ehe der beiden Hauptfiguren scheint unerträglich eingefahren. Doch dann müssen sie und ihr Umfeld mit einer Reihe von Überraschungen klarkommen.

Besprechung in trauter Runde vor der Probe auf der Bühne des Zimmertheaters mit Julia Vielhaber, Elke Döderlein, Detlef Neumann, Sven Kollak, Alex Harsch und Antje Rohde (von links). Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Besprechung in trauter Runde vor der Probe auf der Bühne des Zimmertheaters mit Julia Vielhaber, Elke Döderlein, Detlef Neumann, Sven Kollak, Alex Harsch und Antje Rohde (von links). Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Detlef Neumann hat einiges an Werkzeug dabei und setzt den Akkuschrauber an. Er montiert am rechten Balken an der Bühnenflanke des Zimmertheaters zwei Holzgitter und zaubert so eine kleine Balkonecke. Danach wird sie mit einem Blumenkasten bestückt. „Da tun wir noch Erde rein“, erklärt der Leiter der Volkshochschultheatergruppe. Damit hat er sich selbst die Bühne bereitet. Beim aktuellen Stück „Die letzte Zigarre“ von Bengt Ahlfors führt er nicht nur Regie, sondern spielt auch den pensionierten Schuldirektor Ragnar, der seit 42 Jahren mit Anneli verheiratet ist.

Einen Moment genießt er – angetreten zur Probe – heimlich seine Zigarre und das wunderbare Gefühl von Freiheit, während er von der nicht allzu weit entfernten Schule die Geräuschkulisse des letzten Schultags vor den Sommerferien vernimmt. Doch dann bricht Anneli, die Antje Rohde spielt, in die bescheidene Idylle ein. „Hast du geraucht?“, fragt sie und macht ihm Vorwürfe, so seinem Tod leichtsinnig, ja kindisch zuzuarbeiten. „Ich sterbe früher oder später sowieso“, hält Ragnar dagegen. Es wird schnell klar, dass die beiden Eheleute sich gegenseitig gewaltig auf die Nerven gehen. Dabei sind es auch die kleinen Marotten des Partners, die das gemeinsame Leben so beschweren. In Blumentöpfen versenkte Zahnstocher oder das Torpedieren geliebter Alltagsfluchten.

Die Misstöne kann auch der gute Freund der Familie, Pfarrer Helge, den Sven Kollak verkörpert, nicht völlig aus der Welt schaffen, auch wenn er beiden zuhört. Das Kammerspiel komplett macht Monika, die Tochter des Ehepaars. Diese Rolle hat Julia Vielhaber übernommen. Mit Monika und ihrer Beziehung werden weitere Möglichkeiten durchgespielt, was eine Ehe noch aus ihrer Leichtigkeit bringen kann. Doch auch wenn es anfangs so scheint, als gebe es jenseits sehr eingefahrener Beziehungsroutinen wenig Erbauliches, so hält die Geschichte doch eine ganze Reihe knalliger Überraschungen und unerwartete Wendungen fürs Publikum bereit, die zeigen, dass sich Leidenschaft und Lebenslust auch im Alter Bahn brechen können.

„Die letzte Zigarre“ ist das erste Stück, das Theatelier fabula et cetera nach Corona auf die Bühne bringt. Vor dem Hintergrund, dass sich während der Pandemie einige Mitglieder der Gruppe zurückgezogen, privat oder beruflich verändert haben und das Ensemble sich verkleinert hat, hieß es, ein passendes Bühnenstück zu finden. „Es muss ja auch von der Altersstruktur her funktionieren“, sagt Detlef Neumann.

Als er und Antje Rohde, Elke Döderlein (sie souffliert diesmal), Julia Vielhaber sowie Sven Kollak noch kurz vor der Probe zusammensitzen, wird klar, dass sie emotional bestens mit ihren Rollen verbandelt sind. Axel Harsch kümmert sich indes mit Lewin Kollak darum, dass die Akustikeinspielungen und die Lichtanlage dem Plan folgen. Im Gespräch mit dem Ensemble ist von aus der Mode gekommenen Genüssen wie besagten Zigarren die Rede oder einem Pfarrer, der es liebt, auf seiner Harley unterwegs zu sein. Jeder hat beim Stück, das an einem einzigen Tag spielt, seinen entscheidenden Part in der Geschichte über leidenschaftliche Verstrickungen, unerfüllte Wünsche und Sehnsüchte sowie hartnäckige Lebenslust. Die Frauen und Männer der Gruppe kennen sich schon lange, die meisten spielen seit vielen Jahrzehnten bei Theatelier fabula et cetera mit. Um den Kreis aber auch wieder zu öffnen und mit mehr Mitgliedern auch eine größere Auswahl an Stücken zu haben, wünschen auch sie sich etwas: Interessierte und Experimentierfreudige, die sich dazugesellen. Sven Kollak erinnert sich noch gut daran, als er Julia Vielhaber auf der Suche nach Mitstreitern ansprach, um sie zu fragen: „Kennst du vielleicht Männer, die gerne Theater spielen?“ Die konnte sie zwar nicht liefern, machte aber klar, dass er bei ihr an der richtigen Adresse war. Seitdem gehört sie zum Ensemble. Bedenken, nicht genug zu können, möchte die Gruppe unbedingt zerstreuen. Auf das Tun und die Freude kommt es an.

Jetzt heißt es aber erst mal intensiv zu proben bis zur Premiere am Freitag, 3. November. Also rücken die Mitglieder Sessel und Tisch auf der Bühne zurecht und nehmen Aufstellung.

Theatelier fabula et cetera führt die Erfolgskomödie von Bengt Ahlfors achtmal im Zimmertheater auf

Aufführungen Die Premiere von „Die letzte Zigarre“ von Bengt Ahlfors ist am Freitag, 3. November, um 19.30 Uhr im Zimmertheater des Grabenschulhauses, Obere Schulgasse 6 in Murrhardt. Karten gibt es bei der Volkshochschule Murrhardt, Telefon 07192/93580, und beim BücherABC, Grabenstraße 23, Telefon 07192/8606. Der Eintritt kostet 15 Euro, ermäßigt 13 Euro. Weitere Aufführungen sind am Samstag, 4. November, Freitag, 10. November, Samstag, 11. November, Samstag, 18. November, Sonntag, 19. November, Freitag, 24. November, und Samstag, 25. November, immer um 19.30 Uhr.

Autor Bengt Ahlfors wurde 1937 in Helsinki geboren. Er ist Autor, Regisseur und Komponist. Seine Karriere begann er als Theaterkritiker, später behauptete er sich in allen literarischen Genres, schreibt der Theaterverlag Hofmann-Paul zu seinem Autor auf der Homepage. Seine Leidenschaft gehört dem Theater. Er hat über 30 Theaterstücke geschrieben, von denen die meisten im Lilla Teatern in Helsinki uraufgeführt wurden, unter anderem die Erfolgskomödien „Russian Roulette“ und „Die letzte Zigarre“. Letztere brachte es auf 150 Vorstellungen in einer Spielzeit. Infos: www.theaterverlaghofmann-paul.de.

Neueinsteiger Theatelier fabula et cetera sucht Interessierte, die mitspielen möchten. Die Gruppe trifft sich immer dienstags um 20 Uhr im Zimmertheater. Wer Lust hat, kann nach der letzten Aufführung ab Ende November vorbeischauen oder sich bei der VHS, Kirstin Krack, Telefon 07192/935813, melden.

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Erstellt:
25. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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