Von der Kloster- zur Stadtkirche

Zeitreise in die Baugeschichte mit den Kirchenführern Martin Pfender und Hans-Georg Zenker findet großes Besucherinteresse

Unter dem Motto „Eine Kirche passt sich an“ nahmen die Kirchenführer Martin Pfender und Hans-Georg Zenker eine große Schar interessierter Zuhörer mit auf eine besonders spannende Entdeckungstour in die jahrhundertelange, wechselvolle Historie der einstigen Kloster- und heutigen Stadtkirche.

Filmreife Kirchenführung: Martin Pfender (Mitte rechts) bestritt im originalen Benediktiner-Habit als Abt Johannes von Leuzenbronn seinen Rundgang, Hans-Georg Zenker verkörperte den Prälaten Friedrich Christoph Oetinger (Mitte links). Foto: E. Klaper

Filmreife Kirchenführung: Martin Pfender (Mitte rechts) bestritt im originalen Benediktiner-Habit als Abt Johannes von Leuzenbronn seinen Rundgang, Hans-Georg Zenker verkörperte den Prälaten Friedrich Christoph Oetinger (Mitte links). Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. In einer „konzertierten ökumenischen Aktion“ trat Martin Pfender im originalen Benediktiner-Habit als Abt Johannes von Leuzenbronn auf, Bauherr der um 1430 bis 1450 erbauten gotischen Klosterkirche, dessen Wappen eine Bogenkonsole der Vierung schmückt. Er umschrieb, wie diese ausgestattet war, wie die Mönche beteten, Messen feierten und Prozessionen zelebrierten. Dazu skizzierte er die Anordnung und Funktion der Klostergebäude und des Kreuzgangs. Im Talar des evangelischen Pfarrers verkörperte Hans-Georg Zenker den Prälaten Friedrich Christoph Oetinger. Er berichtete, wie man nach der Reformation die Klosterkirche zur evangelischen Stadtkirche umgestaltete.

Kurz ging Martin Pfender auf die Klostergeschichte ein: Kaiser Ludwig der Fromme gründete Murrhardt als Reformkloster nach einer Reformsynode 816, die bestimmte, dass alle Mönche nach der Regel des Heiligen Benedikt von Nursia zu leben hatten. Die Mönche waren meist ausgebildete Adelige, deren Hauptaufgabe es war, die Stundengebete und Messen zu feiern. „Die Klosterkirche war doppelchörig und vermittelte einen völlig anderen Raumeindruck als heute, denn sie war durch Chorschranken mit Durchgängen in drei Räume aufgeteilt: Ostchor, Schiff und Westchor“, betonte Pfender.

Im um 1300 im gotischen Stil neu erbauten Ostchor, der mit Sakramentsnischen und Heiligenfiguren auf den Säulen geschmückt war, waren ein Marienaltar und die Grabstätten der Klostervögte und Grafen Albrecht (Vater) und Nicolaus (Sohn) von Löwenstein. „Der Vogt sollte das Kloster beschützen, betrachtete es aber als Privateigentum, darum gab es zwischen beiden oft Streit“. Obwohl die Grafen „einiges auf dem Kerbholz hatten, wollten sie in den Himmel kommen“, erklärte Pfender.

Obwohl die Grafen „einiges auf dem Kerbholz hatten, wollten sie in den Himmel kommen“

Im Mittelalter habe man geglaubt, dass die Heiligen am Tag des Jüngsten Gerichts als erste aus den Gräbern steigen. „Darum wollte man möglichst nahe bei diesen begraben sein, um die Chance zu haben, mitgenommen zu werden“. Vor dem Ostchor gab es eine Triumphkreuz-Figurengruppe mit einem gekreuzigten Christus, Maria und Johannes. Denn die Löcher für den Querbalken fand man bei den Ausgrabungen 1973/74 unter der Regie von Rolf Schweizer. Zudem habe es eine Grablegungsgruppe gegeben, ähnlich jener in der Kirche St. Michael in Schwäbisch Hall.

Im Westchor beteten die Mönche, dort befand sich das Chorgestühl mit 20 Plätzen, aber keine Orgel, und in der Vierung stand der Hauptaltar. Erst bei der Renovierung in den 1970er-Jahren versetzte man ihn an den heutigen Platz vor dem Ostchor. Zudem steht in der Vierung das symbolische Grab für Kaiser Ludwig, den Klostergründer. Doch habe sich darin nie ein Herzgrab befunden: „Ludwigs Tod wurde genau protokolliert und dabei kein Herz entnommen“, betonte Pfender.

Wegen Planänderungen während der Bauarbeiten im 15. Jahrhundert zog man das Gewölbe erst nachträglich ein, darum stimmt es nicht mit den Säulen überein. Neben dem Westchor war einst die später als Sakristei und Treffraum genutzte Marienkapelle. Diese gehöre zum Benediktinerkloster, da dieser Orden die Gottesmutter sehr verehrt. „Das erkennt man an den Symbolen für Maria, die Rose und das M in den Schlusssteinen“, so Martin Pfender.

Hans-Georg Zenker versetzte als Prälat Oetinger die Besucher in die Reformationszeit. Da die Bevölkerung arm und ungebildet war, herrschte eine Mischung von Glaube und Aberglaube, große Angst vor dem Tod und dem Fegefeuer, wo die Seelen gereinigt werden mussten, um in den Himmel zu kommen, und dem Jüngsten Gericht. Dies nutzte die Kirche aus und erfand den Ablasshandel, mit dem man angeblich sich selbst, aber auch seine Vorfahren freikaufen konnte von den begangenen Sünden. Dazu „gehörte alles, was Spaß macht“: Luxusgüter, Genüsse und Vergnügungen aller Art. Hinzu kam, dass „die meisten Pfarrer schlecht ausgebildet waren, sie lebten nicht im Zölibat, doch die Leute störten sich nicht daran, wenn es heimlich geschah“, erzählte Zenker.

Im Bauernkrieg plünderte und beschädigte 1525 der Gaildorfer Haufen Kloster und Kirche. 1536 wurden die Reformation im Herzogtum Württemberg eingeführt, die Klöster aufgelöst und dort oft Klosterschulen eingerichtet. Die Bibel war Richtschnur für die spätere Kirchen- und Landesordnungen. Sie regelten Gottesdienste, Feiertage, Abendmahlfeier und Kasualien, die Pflicht zum Gottesdienstbesuch sowie das Verbot katholischer Rituale und Zeremonien wie Reliquien- und Heiligenverehrung. Auf dem sogenannten Uracher Götzentag 1537 ordnete Herzog Ulrich die „Säuberung der Kirchen“ von katholischen Ausstattungsobjekten an.

So sollte der evangelische Glaube durchgesetzt werden, in dessen Zentrum das Wort Gottes in Bibel und Predigt steht. In der Murrhardter Klosterkirche brach man die Chorschranken ab, entfernte die Seitenaltäre, Heiligenfiguren und Reliquien, baute dafür Kirchenbänke und Emporen ein, die im 16. und 17. Jahrhundert mehrfach abgebrochen und wieder neu aufgebaut wurden. Nach dem Dreißigjährigen Krieg musste die baufällige Kirche instand gesetzt werden. 1789 brach man das Chorgestühl ab, bei der Renovierung ab 1870 erneuerte man Kanzel, Taufstein und Altar.

Seit 1931 bestimmt der auferstandene Christus im Glasfenster von Walter Kohler den Ostchor. Bei der Renovierung 1973/75 orientierte man die Kirche nach Osten um und schmückte sie mit Decken- und Wandmalereien, 1977 folgte die Bornefeld-Orgel. 1984 kam der restaurierte gotische Allerheiligen-Flügelaltar aus der Walterichskirche ins rechte Seitenschiff, 1990 setzte man die Glasfenster von Hans Gottfried von Stockhausen in den Ostchor ein. Vor Kurzem renovierte man den Westchor und baute die neue Orgel ein.

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Erstellt:
17. April 2019, 06:00 Uhr

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