Von lebenslangen Wunden, die nie verheilen

Bei der Gedenkfeier der Stadt Murrhardt zum Tag der Heimat am Vertriebenen-Ehrenmal im Stadtgarten ruft Bürgermeister Armin Mößner dazu auf, sich beharrlich für das Ziel einer friedlicheren, menschlicheren und besseren Welt zu engagieren.

Bei der Gedenkfeier am Vertriebenen-Ehrenmal sind diesmal auch Gäste der englischen Partnerstadt dabei (von links): Bürgermeister Philip Campagna aus Frome, Bürgermeister Armin Mößner, Dietmar Seidel, Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien sowie Karin Campagna, Ehefrau des Fromer Bürgermeisters, Margaret Brulais und Susan Wilthew von der Frome Twinning Association. Foto: Elisabeth Klaper

Bei der Gedenkfeier am Vertriebenen-Ehrenmal sind diesmal auch Gäste der englischen Partnerstadt dabei (von links): Bürgermeister Philip Campagna aus Frome, Bürgermeister Armin Mößner, Dietmar Seidel, Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien sowie Karin Campagna, Ehefrau des Fromer Bürgermeisters, Margaret Brulais und Susan Wilthew von der Frome Twinning Association. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. „Krieg und Vertreibung – Geißeln der Menschheit“ lautet heuer das angesichts der aktuellen weltpolitischen Situation leider treffende Leitwort des Bundes der Vertriebenen für den Tag der Heimat. „Wann haben Krieg und Vertreibung als Geißeln der Menschheit endlich ein Ende?“, fragt Bürgermeister Armin Mößner mit Blick auf den brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in seiner Rede bei der Gedenkfeier am Vertriebenen-Ehrenmal im Stadtgarten.

Der Wunsch, dass die Welt aus den beiden Weltkriegen und dem 1945 formulierten „Nie wieder“ gelernt hätte, habe sich leider bis heute immer noch nicht erfüllt. Dennoch dürfe man die Hoffnung nicht aufgeben, dass der Krieg in der Ukraine, aber auch viele weitere Konflikte in der Welt baldmöglichst aufhören, sodass Menschen nicht mehr vertrieben werden und fliehen müssen. „Wer die Heimat zwangsweise verlassen muss, spürt häufig eine lebenslange Wunde, die nur oberflächlich verheilt und immer wieder aufbricht“, verdeutlicht der Rathauschef.

Die Folgen von Flucht und Vertreibung

Die existenzielle Erfahrung eines Heimatverlusts ist Vertriebenen und Flüchtlingen auf der ganzen Welt gemein. Ebenso die tiefe Prägung durch eine häufig traumatische Flucht und Vertreibung, die Trauer um das Verlorene, das Fremdsein im Ankunftsland, die Zerrissenheit zwischen dem Nicht-Mehr-Dort- und Noch-Nicht-Hier-Sein. „Das kann niemanden gleichgültig lassen“, auch die Bevölkerung in Murrhardt nicht. „Erzwungene Flucht und Vertreibung sind Unrecht, gestern wie heute, und sie dürfen kein Mittel von Politik sein.“ Darum sei es die Aufgabe der gesamten Völkergemeinschaft, dieser Erkenntnis überall auf der Welt zum Durchbruch zu verhelfen und beharrlich weiterhin am Ziel einer friedlicheren, menschlicheren und besseren Welt zu arbeiten.

Mößner erinnert daran, dass nach den Potsdamer Beschlüssen der Alliierten im Sommer 1945 als Basis 14 Millionen Deutsche als Folge des Zweiten Weltkriegs aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder fliehen mussten. Anschließend standen sie vor der enorm schweren Aufgabe, in ihnen unbekannten Regionen eines zerstörten Landes neu anzufangen. Dieses Schicksal und Leid der Heimatvertriebenen habe auch ein nicht unerheblicher Teil der Murrhardter Bevölkerung erfahren. Doch mit viel Mut, Energie und Leistungswillen bauten sich diese damaligen Neubürgerinnen und -bürger neue Existenzen auf und leisteten einen wichtigen Beitrag zum sogenannten Wirtschaftswunder.

Mößner bedauert das schwindende Interesse in der Bevölkerung an der deutschen Geschichte, deren Verständnis entscheidend für eine gute Zukunftsentwicklung ist. Darum sei der Gedenktag „Tag der Heimat“ gerade heute wichtig, „um uns unserer Geschichte bewusst zu werden und nicht zu vergessen“. Insofern weist er auch auf die Parallele zwischen den Gräueln des verheerenden Zweiten Weltkriegs und dem furchtbaren Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hin, in dem ebenfalls viele grausame Untaten begangen werden. Daher ist das Leitwort eine bewusst gewählte Mahnung, die gerade diese Assoziation fordert.

Heimatverlust als weltweites Thema

Erneut führten laut den Vereinten Nationen Aggression, Konflikt und Krieg weltweit zu Vertreibungen, Flucht, ethnischen Säuberungen, Deportationen und Heimatverlust mit zurzeit über 108 Millionen Menschen als Opfern.

Der Bürgermeister erinnert aber auch an die 1950 verabschiedete Charta der deutschen Heimatvertriebenen als Dokument der Versöhnungsbereitschaft und des Racheverzichts sowie als Grundstein der Verständigung. Der Begriff Heimat umschreibe eine persönliche Beziehung zwischen Menschen und Räumen, verbunden mit einer Vielzahl an Erinnerungen und kulturellen Besonderheiten sowie der Forderung nach Versöhnung der Völker.

Anschließend legen Armin Mößner, Dietmar Seidel, Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, und die Mitglieder der Gästedelegation aus der britischen Partnerstadt Frome, die zum Städtepartnerschaftsjubiläum in die Walterichstadt gekommen sind, einen Kranz am Gedenkstein für die Heimatvertriebenen nieder. Die Stadt Murrhardt führt nun die Gedenkfeier am Tag der Heimat weiter, der am zweiten Sonntag im September begangen wird. Damit würdigt sie die Leistungen der ehemaligen, nicht mehr bestehenden örtlichen Vertriebenenverbände. Die Landsmannschaft Schlesien löste sich 2022 auf, die Sudetendeutsche Landsmannschaft bereits vor längerer Zeit.

Der Posaunenchor der Evangelisch-Methodistischen Kirchengemeinde umrahmt die Gedenkfeier musikalisch.

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Erstellt:
11. September 2023, 06:00 Uhr

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